A. Einführung und thematische Abgrenzung
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Der Sport heutiger Ausprägung hat in vielen Bereichen mit seinem ideellen Ursprung, der rechtsfreien Welt des Sportspiels mit dem Sport als Selbstzweck, nicht mehr viel zu tun.[2] Vielmehr finden sich im professionellen Sport heute Unternehmer, die – häufig auch unter Zurückstellung sportlicher Grundwerte wie Kameradschaft und Fairness – betriebswirtschaftliche Gewinnmaximierung zum Hauptziel erklären. Das Streben nach pekuniären Gewinnen und sportlichen Höchstleistungen führen im Sport – allein und kombiniert – zum Einsatz unredlicher, unsportlicher und korrumpierender Verhaltensweisen. Aufgrund der z.T. milliardenschweren Umsätze sind die großen nationalen Ligen im Fußball (etwa in Europa in Deutschland, England, Spanien, Italien), die internationalen Wettbewerbe (die Champions League, die Welt- und Europameisterschaften) und natürlich die Olympischen Spiele mit den zugehörigen und veranstaltenden Verbänden (z.B. DFB,[3] FIFA,[4] UEFA,[5] IOC[6]) – leider auch mit nicht gerade wenigen Negativbeispielen – in den Fokus der Diskussion geraten.
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Trotzdem hat der Sport neben der wirtschaftlichen Komponente auch immer eine ideelle (= nicht [vordergründig] wirtschaftliche) Komponente. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch alle Erscheinungsformen von Sport (vielleicht abgesehen vom bloßen Sportspiel[7]): So gibt es, wo ein Profisport auftritt, auch immer einen dazu gehörenden Amateursport. In diesen beiden Sportlagern gibt es wiederum immer professionelle Beteiligte (wie etwa Geschäftsführer, Lizenzspieler, Angestellte), die aber durch eine Vielzahl ideell orientierter Personen zum Teil massiv und mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung[8] (indes ohne eigenen materiellen Vorteil) unterstützt werden, die allerdings ganz überwiegend altruistisch tätig werden (Ehrenamtler, Fans, Volunteers usw.).
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Allein wegen dieser Gemengelage verbietet es sich, für die Betrachtung des Sports auf einen zu engen, wirtschaftlich orientierten Korruptionsbegriff zu rekurrieren, der nur „Bestechlichkeit und Käuflichkeit“ enthalten könnte.[9] Für den Sport ist, auch wegen des im Ausgangspunkt stark ideellen Ansatzes, die moralische Komponente hinzuziehen. Korruption bedeutet auch immer einen moralischen Verfall.[10] Für dieses Kapitel wird daher der sehr weite, aber für den Sport insgesamt äußerst relevante Korruptionsbegriff von Transparency International
„Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“[11]
zu Grunde gelegt.
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Bei diesem weiten Verständnis ist klar, dass nur ein Teil der unter dem Gesichtspunkt der Anti-Korruptions-Compliance unerwünschten Verhaltensweise unter das staatliche Strafrecht fallen, sei es in Deutschland oder – wenn der internationale Sport betroffen ist – auch in anderen Ländern, insbesondere der Schweiz.[12] Rechtsquellen für verbotenes Verhalten im Sport und seine Sanktionierung finden sich daher häufig entweder in den vom Sport im Rahmen seiner Autonomie selbst gesetzten Regeln sowie in bilateralen Vereinbarungen, insbesondere in Arbeitsverträgen. Dies macht eine Befassung mit Anti-Korruptions-Compliance im Sport besonders herausfordernd.
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Im Folgenden werden aus dem dreigliedrigen Compliance-Begriff[13] insbesondere die Frage nach Konformität von Verhalten und Prämisse[14] und nach dem Handeln in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht[15] beleuchtet. Die Compliance im organisatorischen Sinne, also die notwendigen Präventionsmaßnahmen im Rahmen eines Content-Management-Systems[16] im Sport,[17] ergeben sich aus den beleuchteten Grenzbereichen.
B. Erscheinungsformen korrupten und korrumpierenden Verhaltens im Sport
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Die Erscheinungsformen korrupten und korrumpierenden Verhaltens im Sport sind leider vielfältig. Alle, die sich mit Compliance oder der Installationen eines Compliance Management Systems (CMS) im Sport befassen wollen, haben daher eine Mammutaufgabe vor sich, die in den Dachverbänden an die Dimensionen in Konzernen heranreicht und darüber hinaus wegen der Sportbezogenheit und der Vermengung von professionellem Sport und dem Amateurbereich viele unbekannte Fallstricke bietet.[18]
I. Sponsoren und Einladungen
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Sponsoren, also alle Werbepartner und Geldgeber, die auf den Goodwill der im Sport tätigen Clubs, Sportler, Mannschaften usw. setzen und dafür hohe Geldbeträge für die Sporterzielung aussetzen, um sich durch Namensverbindung selbst im positiven – sportlichen – Image des Gesponserten sonnen zu können, haben eine besondere Bedeutung für den Sport als Wirtschaftszweig und für seine wirtschaftliche Existenz.[19] Hierbei ist ein echtes Mäzenatentum, also die Hingabe großer Geldmenge an den Unterstützten aus bloßem Altruismus und ohne Erwartung einer Gegenleistung, heutzutage eher die Ausnahme. Betätigen sich Unternehmen als Sponsoren, erwarten sie dafür eine konkrete Gegenleistung, die etwa im vorbeschriebenen Imagetransfer, in der klassischen Namensnennung, etwa im Stadionnamen oder bei der Bandenwerbung, oder in der Erschließung neuer Vertriebskanäle (Adressendaten von Club- oder Verbandsmitgliedern) liegen kann.
1. Sponsoren
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Wie gerade ausgeführt, besteht eine Sponsoringvereinbarung zwischen Sponsor und Gesponsertem im Sinne eines klassischen Vertrags. Dies scheint im Ausgangspunkt eher ein unkritisches Vorhaben zu sein. Aber die Anwendbarkeit strafrechtlicher Normen auf das Sponsoring ist nicht mehr streitig.
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Zum Schulfall ist im Sportrecht hier ein Fall um den VfL Wolfsburg geworden: Im Jahr 2010 ermittelte die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen T-Systems und VW im Zusammenhang mit Sponsoring-Vereinbarungen zugunsten des VfL Wolfsburg. Die beschuldigten Mitarbeiter von T-Systems und VW sollen versucht haben, einen Großauftrag von VW für T-Systems mit der Verlängerung eines Sponsoringvertrages der Telekom für den VfL Wolfsburg zu verquicken; der lukrative Vertrag sollte nur zustande kommen, wenn die Telekom den Fußballclub weiter finanziell unterstützt. 2014 wurde das Verfahren nach § 153a StPO gegen ein (nach damaligem Recht mit dem höchstmöglichen) Bußgeld in Höhe von 2 Mio. EUR eingestellt.[20] Fraglich war hier, ob es sich beim Verhalten der Beteiligten – ein sog. Kopplungsgeschäft[21] – um eine strafbare „Klimapflege“ oder um eine im engeren Sinne korruptive Verhaltensweise handelte.[22] Es ging jedoch um den Abschluss eines konkreten Vertrages – und nicht etwa um eine nur grundsätzliche positive Einstimmung des Vertragspartners. Damit bleibt im Kern die Frage bestehen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen es eine unlautere Beeinflussung des Wettbewerbs darstellt, wenn ein Auftragnehmer seinem Auftraggeber anbietet, den mit ihm verbundenen Bundesliga-Club zu fördern.[23] Wenn Sponsoring an sich aber grundsätzlich erlaubt ist – woran kein Zweifel besteht –, dann kann die beabsichtige Auftragsvergabe nur dann „unlauter“ i.S.d. § 299 Abs. 1 StGB a.F. gewesen