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Im Hinblick auf die Tax Compliance von Großunternehmen, die beispielsweise als Sponsorenauftreten, millionenschwere Gesellschaften, in die der professionelle Sportbetrieb eines „e.V.“ ausgegliedert wurde oder großen Vereinigungen und Verbänden, die selbst hunderte von Mitarbeitern und Bilanzsumme in Konzerngrößenordnung haben, ergeben sich zu Tax Compliance in Unternehmen keine wesentliche Besonderheiten. Sie muss durch Beratung, Controlling und Zertifizierung ausgefeilt sein. Spezialitäten ergeben sich allenfalls dadurch, dass Mehrheitsgesellschafter von Gesellschaften im Sport ein „e.V.“ i.S.d. §§ 21 ff. BGB sein kann, der gleichzeitig – etwa im Fußball – die sog. „50+1“-Regel[96] beachten (also mehr als 50 % + x der Stimmanteile innehaben) muss –, andererseits zur Wahrung des Nebenzweckprivilegs[97] sich im geschäftsführerischen Einfluss auf die Gesellschaft zurückhalten sollte.
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Fast alle im Sport tätigen Vereine und Verbände sind e.V. i.S.d. §§ 21 ff. BGB und regelmäßig auch gemeinnützig i.S.d. §§ 52 ff. AO. Dies bringt besondere Compliance Anforderungen, auch für ein Compliance-Management-System mit sich.[98] Dies musste schmerzlich auch der DFB erfahren: Für das Jahr, in dem die oben beschriebene (s.o. Rn. 29) 6,7 Millionen-Zahlung im Zusammenhang mit der WM 2006 geleistet wurde, soll ihm auch die Gemeinnützigkeit aberkannt werden.[99] Die Entscheidung ist angefochten.
XIV. Wettbewerb- und Spielmanipulation
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Für Wettbewerbs– und Spielmanipulation in Deutschland bestehen mittlerweile eigenständige Straftatbestände im deutschen Kernstrafrecht, §§ 265c und §§ 265d StGB.[100] Über ihren Sinn ist schon trefflich gestritten worden. Tsambikakis hält sie gar – mit beachtlichen Gründen – für überflüssig.[101] Jedenfalls, was die Anzahl der in der Praxis auftauchenden Fälle angeht, scheint dem Gesetzgeber mit den Normen kein großer Wurf gelungen zu sein. Eine Datenbankrecherche (beck-online und juris) am 18.4.2020 führt zu keiner Fundstelle einer strafrechtlichen Verurteilung. Verf. ist aus der Praxis der 3. Liga noch der Fall des VfL Osnabrück bekannt, in dem es allerdings (bislang) zu einem Freispruch kam.[102] Es scheint so, als wären viele vorkommende Fälle durch die neuen Regeln schlicht nicht erfasst oder mit dem klassischen Kernstrafrecht besser bedient.[103]
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Gleichwohl darf man diesen Bereich unter Compliance-Gesichtspunkten nicht verkennen. Dieser Regelungsbereich hat auch Eingang in der Verbandsregeln, insbesondere im Fußball gefunden, wo nun selbstständige verbandsrechtliche Straftatbestände vorgesehen sind.[104] Der vorstehend benannte Fall des VfL Osnabrück hat, jedenfalls in der Lokal- und sportlichen Fachpresse, für einiges mediales Echo gesorgt und ist von der DFB-Gerichtsbarkeit auch mit Sperr- und Geldstrafen geahndet worden.[105]
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Beteiligten, Clubs, Vereinen und Verbänden können also gleichwohl, wenn auch nicht von strafrechtlicher Seite, erhebliche Sanktionen und durch die Berichterstattung darüber erhebliche Rufschädigungen entstehen. Schon deswegen gehören sinnvolle Präventionsmaßnahmen, wie etwa eine regelmäßige Fortbildung eigener Spieler und Trainer sowie ihre Sensibilisierung für das Verbot, auf eigene Spiele zu wetten, in jedes Compliance-Management-System. Denn die Unlauterbarkeit dieses Verhaltens hat noch nicht jede Ebene des organisierten Sports durchdrungen: Wer selbst einmal in einer Mannschaftssportart im Amateurbereich gegen den Abstieg gespielt hat, dem ist der Gedanke, der gegnerischen Mannschaft „eine Kiste Bier auszugeben“, wenn sie sich nur gegen den Abstiegskonkurrenten besondere Mühe geben würde, wohl bekannt. Mag dies eventuell noch – anders als im Fall des VfL Osnabrück – auch angesichts des eingesetzten Mittels als zulässige Motivationsmaßnahme verstanden werden, ist die Grenze zur unzulässigen Manipulation auf jeden Fall immer da überschritten, wo derjenige, dem ein Vorteil dafür in Aussicht gestellt wird, möglichst verlieren, also gegen seinen eigenen sportlichen Anspruch tätig werden soll. Auch der Einsatz hoher Geld- oder Sachwerte („Ich bezahle Euch die Mannschaftstour.“) deuten klar in die Illegalität – zumindest nach Sportstrafrecht. Der Compliance-Wächter hat u.a. auch gegen den darin liegenden moralischen Verfall einzuschreiten, weil er eine erhebliche sportliche Rufschädigung mit sich bringen kann.
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Aber auch im Übrigen müssen bei jeder Nähe von Absprachen über Spiel- und Wettbewerbsergebnisse bei den Verantwortlichen die Alarmglocken klingeln. Mögen auch die Tatbestände der §§ 265c, 265d StGB im Einzelfall nicht erfüllt sein, liegt ein Bezug zur organisierten (Wett-)Wirtschaftskriminalität im Zweifel nicht fern (um nur ein Stichwort zu nennen: Geldwäsche durch hohe Geldeinsätze auf weniger überwachte Amateurwettbewerbe).[106]
XV. Internationale Embargos
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Dass das jahrzehntelang von den Verbänden propagierte Credo, Sport und Politik müsse man trennen, spätestens seit den dargestellten Vergabeentscheidungen (s.o. Rn. 28 ff.) überholt ist, auch weil es moralisch fragwürdig ist, dürfte nicht mehr ernsthaft bestritten werden.[107] Augenfällig wird dies, wenn Außenpolitik in Rechtsform gegossen wird und in den Regelungen für den Sport keine Ausnahmen gemacht werden, sprich: soweit Embargorecht gilt.[108]
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Juristisch geht es bei Embargos unter dem Dach des EU-Rechts (oder synonym: Sanktionen) um eine Maßnahme der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), namentlich einen verbindlichen Beschluss des Rates gem. Art. 29 EUV, der dann als Verordnung umgesetzt wird. Häufig steht am Anfang eine Resolution des UN-Sicherheitsrats zu gewaltlosen Sanktionen, Art. 41 UN-Charta.[109]
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Für sportliche Kollisionsfälle stellt u.a. die FIFA WM 2018 in Russland ein Beispiel dar. Insbesondere galt es die Bereitstellung von Finanzmitteln an sanktionierte Personen zu verhindern. Solche Personen fanden sich unter den Großprofiteuren der Infrastrukturbauten, im Ausschuss der russischen Staatsduma für Leibeserziehung, Sport und Jugend oder etwa innerhalb der Medienlandschaft und Banken. Auch die im Iran ausgetragene Schach-Weltmeisterschaft der Frauen 2017 stellt ein weiteres Beispiel aus dem Sport dar.[110]
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Die für den Sport daraus erwachsenden Konsequenzen richten sich danach, welche Bereiche von dem Embargo umfasst sind (personenbezogene Finanzsanktionen, kapitalmarktbezogene Sanktionen, güterbezogene Sanktionen).[111] Vom Compliance-Standpunkt aus betrachtet können sie die im Sport Beteiligten kaum kalt lassen: Fahrlässige Verstöße gegen das insoweit anzuwendende AWG sind mit Bußgeldern bis zu 500 000 EUR bewehrt, die sich auch gegen juristische Personen und Personenvereinigungen richten können, etwa über §§ 130, 30 OWiG im Falle von Aufsichtspflichtverletzungen mangels etablierter außenwirtschaftsrechtlicher Compliance-Vorgaben. Vorsätzliche Verstöße können nach § 18 AWG strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.[112]
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Aus der Warte des Sports scheinen in erster Linie Verstöße gegen personenbezogene Finanzsanktionen und Kapitalmarktbeschränkungen möglich zu. Hier sind das nationale Recht, EU-Recht aber auch US-Recht zu berücksichtigen. Auch diese Aspekte sollten in einem CMS aufgehen.[113]
C. Sonderfall Doping
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Doping ist die Geißel des Sports.[114] Es ist allerdings kein neues Phänomen.[115] Bereits in der Antike sollen die Wettkämpfer Stierblut getrunken, nach dem Sieg die Gehirne ihrer Gegner verspeist, halluzinogene Pilze gegessen oder Blätter berauschender Pflanzen gekaut haben – alles, um die eigene zukünftige Leistung zu steigern.[116]