73
Die KBV veröffentlicht auf ihrer Homepage eine regelmäßig aktualisierte Übersicht über beendete AWB sowie Kriterien, die Ärzten die Entscheidung über die Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen erleichtern sollen.[47] Gegen eine Teilnahme sprechen aus Sicht der KBV insbesondere die Zahlung ungewöhnlich hoher Vergütungen sowie die Ausrichtung von Studien auf längst eingeführte, gut erprobte Produkte und die Durchführung unterschiedlicher, einander sehr ähnlicher AWB zum selben Produkt. Detaillierte Regelungen für AWB finden sich auch in der Selbstverpflichtung der beteiligten Berufskreise in § 19 FSA-Kodex Fachkreise.[48]
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Anhaltspunkte zur Bestimmung einer angemessenen Vergütung werden teilweise aus Nr. 80, 85 GOÄ abgeleitet. Diskutiert werden insoweit Stundensätze im Bereich von 75 EUR bis 120 EUR, teilweise auch Beträge bis zu 180 EUR. Letztlich wird allerdings immer eine einzelfallbezogene Abwägung unter umfassender Bewertung des Forschungsvorhabens, des zeitlichen Aufwands, der fachlichen Schwierigkeit sowie der jeweiligen unternehmens- und arztbezogenen Faktoren vorzunehmen sein.[49]
75
Für eine Strafbarkeit entscheidend ist zwar auch im Bereich von AWB allein das Vorliegen eines rechtswidrigen Austauschverhältnisses im Rahmen einer Unrechtsvereinbarung. Verstöße gegen die in den genannten Vorschriften enthaltenen Transparenzgebote und Kriterien zur Angemessenheit einer Vergütung dürften jedoch in der Praxis zentrale Kriterien bei der Prüfung eines strafrechtlichen Anfangsverdachts sein.
c) Kooperation von Ärzten mit andere Berufsgruppen
aa) Verordnungen
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Soweit für die Verordnung von Arzneimitteln oder eine Zuweisung an Apotheken eine Gegenleistung gewährt wird, sei es in Form von Geld- oder Sachzuwendungen, durch Umsatzbeteiligungen oder Treuepunkte, wird neben einem Verstoß gegen § 31 MBO-ÄÄ im Regelfall auch eine Strafbarkeit gem. § 299a StGB vorliegen.
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Zulässig sind gem. § 32 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä Bonuszahlungen auf sozialrechtlicher Grundlage, soweit sie einer wirtschaftlichen Behandlungs- oder Verordnungsweise dienen und dem Arzt die Möglichkeit erhalten bleibt, aus medizinischen Gründen eine andere als die mit finanziellen Anreizen verbundene Entscheidung zu treffen. Eine Strafbarkeit gem. §§ 299a, 299b StGB soll nach dem Willen des Gesetzgebers mangels tatbestandlich vorausgesetzter inhaltlicher Verknüpfung zwischen Vorteil und Verordnungsentscheidung ausscheiden, da derartige Bonuszahlungen für eine wirtschaftliche Verordnungsweise und eine sinnvolle Mittelallokation gewährt würden.[50]
78
Auch die Annahme von Rabatten, die von Ärzten zugunsten der Patienten bzw. des zuständigen Kostenträgers weitergereicht werden, ist nach dem Willen des Gesetzgebers zulässig. In der Sache handele es sich insoweit um eine straflose Geschäftsinhaberbestechung.[51]
bb) Verkürzter Versorgungsweg
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Als verkürzter Versorgungsweg wird eine Kooperation von Ärzten mit anderen Leistungserbringern bezeichnet, in deren Rahmen Hilfsmittel direkt durch den Arzt an den Patienten übergeben werden. Ebenfalls unter diesem Schlagwort diskutiert werden teilweise auch ärztliche Zuweisungen an Hilfsmittelhersteller und -lieferanten. Besonders praxisrelevant sind derartige Zuweisungen im Verhältnis HNO-Ärzte und Hörgeräteakkustiker, Augenärzte und Optiker, diabetologische Schwerpunktpraxen und Hersteller von Blutzuckermessgeräten oder Ärzte und Apotheker. In der letzteren Konstellation werden etwa bei der Versorgung schwerstkranker Patienten oder von Patienten in Pflegeheimen Fahrdienste eingerichtet oder Rezepte an Apotheken gefaxt.[52]
80
Dem verkürzten Versorgungsweg sind sozialrechtlich enge Grenzen gesetzt. Das in § 128 Abs. 1 SGB V geregelte Depotverbot beschränkt die direkte Abgabe von Hilfsmitteln durch Vertragsärzte auf Notfälle. § 128 Abs. 2 SGB V verbietet die Gewährung von Entgelten oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen an Vertragsärzte oder Ärzte in Krankenhäusern im Zusammenhang mit der Versorgung mit Hilfsmitteln.
81
Zulässig ist ein verkürzter Versorgungsweg auf der Grundlage von Verträgen zwischen Vertragsärzten und Krankenkassen gem. § 128 Abs. 4, 4a, 6 S. 2 SGB V. Soweit derartige Vereinbarungen in sozialrechtlich zulässiger Weise geschlossen und gelebt werden, wie dies etwa im Bereich der Versorgung von Patienten mit Blutzuckermessgeräten geschieht,[53] wird nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig auch kein gem. §§ 299a, 299b StGB strafbares Verhalten vorliegen.[54]
82
Kooperationen außerhalb dieses vertraglichen Rahmens sind strafrechtlich relevant, wenn im Zusammenhang mit der Zuweisung Vorteile gewährt werden, die nicht in zulässiger Weise eine anderweitige, konkret bestimmbare ärztliche Leistung vergüten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll etwa eine adäquate Vergütung für die ärztliche Anpassung von Hörgeräten zulässig sein, nicht jedoch für eine augenärztliche Brillenanpassung.[55]
1. Konkurrenzen
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Nach der Gesetzesbegründung können bei angestellten Angehörigen eines Heilberufes wegen der unterschiedlichen Schutzrichtungen der beiden Normen sowohl die §§ 299a und b StGB als auch der § 299 StGB in Tateinheit verwirklicht werden. Dies wird in der Literatur z.T. kritisch gesehen mit der Begründung, dass die §§ 299a und b StGB gegenüber § 299 StGB lex specialis seien.[56]
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Die Korruptionsstraftatbestände nach §§ 331 ff. StGB sind einschlägig, wenn auf der Nehmerseite ein Amtsträger i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB involviert ist. Dies wird beispielsweise im Bereich der stationären Behandlung in Kliniken häufig der Fall sein. Da der Gesetzgeber die §§ 299a und b StGB nicht als lex specialis ansieht, dürfte auch hier Tateinheit mit den Amtsträgerdelikten nach §§ 331 ff StGB möglich sein.
85
Das Erfüllen einer Unrechtsvereinbarung durch die Zuwendung des Vorteils kann den Tatbestand der Untreue oder des Betruges erfüllen.[57]
Anders als § 299 StGB sind die §§ 299a, 299b StGB nicht in den Vortatenkatalog der Geldwäsche nach § 261 StGB aufgenommen worden.
2. Verjährung
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Die Verjährungsfrist beträgt nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Sie beginnt gem. § 78a S. 1 StGB mit der Beendigung der Tat. Bei der Bestechung beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich erst dann zu laufen, wenn der Bestochene den gesamten Vorteil erhalten hat.[58]
87
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es bei der Verjährung der Bestechung für die Tatbeendigung aber auch auf die jeweils letzte Handlung zur Erfüllung der Unrechtsvereinbarung an. Wird die pflichtwidrige Diensthandlung erst nach der Zuwendung des Vorteils vorgenommen, so führt erst die Diensthandlung zur Beendigung der Tat.[59] Dieser Grundsatz bedeutet für die Korruption im Gesundheitswesen, dass die Verjährung frühestens beginnt, wenn der bestochene Heilberufsangehörige die letzte auf der Unrechtsvereinbarung beruhende unlautere Bevorzugung vorgenommen hat.[60]
3. Steuerrechtliche