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Letztlich werden daher auch im ärztlichen Bereich immer die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sein. Zentrale Kriterien dürften insoweit die Schwierigkeit der in Rede stehenden fachlichen Leistung sowie auch die wissenschaftliche Qualifikation und Reputation des Referenten bzw. Beraters darstellen. Auf dieser Grundlage werden in der Literatur für spezialisierte Ärzte teilweise Stundensätze in einem Bereich von 150 EUR bis sogar 450 EUR als angemessen erachtet.[30]
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Je höher Honorierungen ausfallen, desto eher besteht allerdings grundsätzlich die Gefahr, dass seitens der Ermittlungsbehörden ein strafrechtlicher Anfangsverdacht angenommen wird. Es dürfte daher empfehlenswert sein, Umstände, welche für die Marktüblichkeit und Angemessenheit von Honoraren sprechen, in entsprechende Vereinbarungen aufzunehmen und diese ggf. auch offenzulegen bzw. Berufsverbänden zur Prüfung vorzulegen.[31] So lässt sich das Risiko der Aufnahme von Ermittlungen deutlich reduzieren. Dieses liegt in derartigen Konstellationen vor allem darin, dass entsprechende Vereinbarungen Kostenträgern oder Ermittlungsbehörden im Rahmen anonymer Anzeigen zugespielt werden.
d) Unternehmensbeteiligungen
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Unternehmensbeteiligungen von Heilberufsangehörigen an den Firmen anderer Heilberufler sind grundsätzlich zulässig,[32] können jedoch eine Strafbarkeit begründen, soweit durch das konkret gelebte Konstrukt eine Zuwendung von Vorteilen für eine der tatbestandlichen Handlungen der §§ 299a, 299b StGB erfolgt.
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Als besonders praxisrelevant haben sich gesellschaftsrechtliche Beteiligungen von Orthopäden an Physiotherapiezentren erwiesen, an welche die Ärzte Patienten zuweisen. Klassisch sind weiterhin Beteiligungen von Ärzten an Laboren, Apotheken oder Sanitätshäusern.
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Stets unzulässig sind in derartigen Fällen Vergütungsabreden, die direkt an die Zahl der Verweisungen oder den durch diesen erzielten Gewinn gekoppelt sind. Bei nur mittelbarer Beteiligung am Unternehmenserfolg, etwa durch allgemeine Gewinnausschüttungen, ist es nach der Gesetzesbegründung, die insoweit die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht heranzieht, entscheidend, ob der Arzt durch sein Handeln einen spürbaren Einfluss auf den Ertrag aus seiner Beteiligung nehmen kann.[33] Ein sozialrechtliches Verbot, entsprechende Einkünfte maßgeblich zu beeinflussen, findet sich seit 2012 in § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V. Unzulässig sind insoweit auch Umgehungskonstrukte unter Einschaltung von Strohpersonen wie etwa Ehepartnern. Bei Ermittlung dieser spürbaren bzw. maßgeblichen Beeinflussung sind insbesondere der Gesamtumsatz des Unternehmens, der Anteil der Zuweisungen des Arztes sowie die Höhe seiner Beteiligung zu berücksichtigen.[34]
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Für die strafrechtlicher Praxis besonders relevant ist die Abgrenzung einer bloß faktischen Überschneidung des Patientenstammes von unlauteren Zuweisungen. Ersteres kann sich insbesondere aus der räumlichen Nähe ergeben, etwa bei Situierung im gleichen Gebäude. Eine derartige Ballung in Ärztehäusern oder Gesundheitszentren ist ohne Hinzutreten weiterer Umstände zwar grundsätzlich unbedenklich. Strafrechtlich problematisch wird es jedoch, sobald auch nur konkludente Hinweis auf Leistungserbringer, an denen der Hinweisgeber beteiligt ist, und Vorteilsgewährungen wie etwa auch vergünstigte Mieten hinzukommen.
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Beteiligungsverhältnisse in einem räumlichen Näheverhältnis sind strafrechtlich besonders gefahrgeneigt. Soweit in derartigen Konstellationen nicht generell von einer Beteiligung Abstand genommen wird, sollten Patienten über Beteiligungsverhältnisse aufgeklärt und ihnen nur auf ausdrückliche Nachfrage neutrale Informationsblätter mit möglichen Leistungserbringern ausgehändigt werden. Zudem sollten die Praxismitarbeiter angewiesen werden, keine Einrichtung bevorzugt zu nennen.[35]
a) Zusammenschlüsse von Ärzten
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Ärzte dürfen sich gem. § 18 Abs. 1 MBO-Ä, § 33 Abs. 1 Ärzte-ZV zu Berufsausübungsgemeinschaften, Organisationsgemeinschaften, Kooperationsgemeinschaften und Praxisverbünden zusammenschließen. Diese Zusammenschlüsse können sich gem. § 18 Abs. 1 S. 2 MBO-ÄÄ auf die Erbringung einzelner Leistungen beschränken, dürfen allerdings nicht zu einer Umgehung des Zuweisungsverbots gem. § 31 MBO-Ä führen. Soweit Zuweisungen stattfinden und im Gegenzug Vorteile gewährt werden, kann das Konstrukt nicht nur gegen Berufsrecht verstoßen, sondern in seiner Gesamtheit strafbares Verhalten darstellen.
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Gem. § 18 Abs. 1 S. 3 MBO-Ä, § 33 Abs. 2 S. 4 Ärzte-ZV unzulässig und zugleich ein Indiz für eine Unrechtsvereinbarung ist es in derartigen Konstellationen, wenn der Gewinn ohne Grund in einer Weise verteilt wird, die nicht dem Anteil der persönlich erbrachten Leistungen entspricht.
b) Laboruntersuchungen
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Im Bereich von Laboruntersuchungen sind Fälle strafrechtlich problematisch, in denen ein Arzt Untersuchungen in einem Labor veranlasst, von dem er regelmäßig Material wie etwa Ampullen, Spatel, Objektträger und Fixiermittel erhält, das er den Patienten gegenüber selbst abrechnet oder seine Proben kostenlos ins Labor mitgenommen werden.
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Strafbarkeit kann auch im Falle von Quersubventionen vorliegen, bei denen der behandelnde Arzt bestimmte Laborleistungen zu einem günstigeren Preis bekommt, wenn dem Laborarzt im Gegenzug Patienten für Untersuchungen zugewiesen werden, die dieser nur selbst vornehmen und abrechnen kann. Dies betrifft etwa die privatärztliche Abrechnung im Bereich der M III und M IV Leistungen.[36]
a) Kooperation von Ärzten mit Krankenhäusern
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Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern ist ausweislich § 2 Abs. 3 KHEntgG, § 20 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV zulässig und vom Gesetzgeber auch nach Einführung von §§ 299a, 299b StGB weiterhin gesundheitspolitisch grundsätzlich gewollt, sie liege auch im Interesse des Patienten.[37]
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Besonders praxisrelevant sind hier neben der vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus gem. § 115a SGB V die in §§ 18, 19 KHEntgG geregelten Belegarzt- und Honorarbelegarztmodelle. Problematisch ist hier jeweils der Einfluss des niedergelassenen Arztes auf die Auswahl des Krankenhauses durch den Patienten.
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Gem. §§ 299a, 299b StGB ist es Ärzten verboten, für die Zuweisung von Patienten an ein Krankenhaus Vorteile versprochen zu bekommen oder zu erhalten und deshalb das Krankenhaus in unlauterer Weise gegenüber anderen Krankenhäusern zu bevorzugen. Die Gewährung entsprechender Vorteile erfolgt in der Praxis – wovon auch der Gesetzgeber ausgeht –[38] regelmäßig durch Gewährung einer unangemessenen Vergütung, die verdeckte Zuweiserprämien enthält.
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Eine unlautere Zusammenarbeit liegt insbesondere dann nahe, wenn die Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung zweifelhaft ist. Die Entstehung eines entsprechenden Verdachts kann bereits im Ansatz vermieden werden, wenn – gerade in zweifelhaften Fällen – die Erforderlichkeit der konkret gewählten Vorgehensweise objektiv bestätigt wird, indem Diagnose und Verordnung von Krankenhausbehandlungen gem. § 26 BMV-Ä durch einen unabhängigen Arzt überprüft werden.
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