1. Praktische Relevanz
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Die wirtschaftliche Bedeutung des Gesundheitswesens in der Bundesrepublik Deutschland ist immens. Das statistische Bundesamt beziffert die Höhe der gesamten Gesundheitsausgaben in Deutschland für das Jahr 2017 mit 375,6 Milliarden EUR. Sie haben damit einen Anteil von 11,5 % am Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik Deutschland.[2] Die Gesundheitsausgaben liegen damit über dem Bundeshaushalt, der im gleichen Jahr Ausgaben in Höhe von 329,1 Milliarden EUR vorsah.[3]
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Aufgrund seines gewaltigen wirtschaftlichen Gewichts ist der Gesundheitssektor, ebenso wie andere Bereiche des Wirtschaftslebens, Ziel für korruptives Verhalten Einzelner, die sich durch unlauteres Verhalten erhebliche persönliche Vorteile verschaffen.
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Dabei ist Korruption auch im Gesundheitswesen ein klassisches Kontrolldelikt, welches nur bei entsprechenden Prüfungen überhaupt aufgedeckt wird. Das Bundeslagebild Korruption des Bundeskriminalamtes verzeichnet für das Jahr 2018 für die Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§ 299a StGB) nur 40 polizeilich bekanntgewordene Verdachtsfälle und für die Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299b StGB) 29 Verdachtsfälle.[4] Diese erstaunlich niedrigen Zahlen legen im Hinblick auf die gewaltige Summe der im Gesundheitswesen gemachten Umsätze nahe, dass es im Gesundheitswesen ein ganz erhebliches Dunkelfeld der Korruption gibt, welches mit den bisher in der Praxis zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumenten nicht erfasst wird.
2. Gesetzgebungsgeschichte
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Die durch die Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofes vom 29.3.2012 offenkundig gewordenen Strafbarkeitslücken im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung waren für den Gesetzgeber Anlass, sich mit dem Korruptionsstrafrecht im Gesundheitswesen insgesamt zu beschäftigen.
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Der Große Strafsenat hat festgestellt, dass Vertragsärzte keine Amtsträger sind und daher nicht den §§ 331 ff. StGB unterfallen. Auch ist für sie § 299 StGB nicht einschlägig, weil Vertragsärzte nicht als Beauftragte der gesetzlichen Krankenversicherungen anzusehen sind.[5] Die Untreue (§ 266 StGB) und der Betrug (§ 263 StGB) können das Geben und Nehmen von Bestechungsgeldern aber nur sehr eingeschränkt erfassen.
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Der Gesetzgeber entschied sich für eine umfassende Neuregelung im StGB, die alle Angehörige der Heilberufe mit staatlich geregelter Ausbildung umfasst.
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Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 4.2.2015 erfuhr im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zum Teil erhebliche Änderungen. So wurde insbesondere die ursprünglich als § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB vorgesehene Verletzung der berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit ersatzlos gestrichen. Grund waren Bedenken im Hinblick auf die Unbestimmtheit und Uneinheitlichkeit bei einem Teil der in Bezug genommenen Berufsordnungen. Zudem wurden die heilberuflichen Bezugsentscheidungen auf die zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen bzw. seinen Berufshelfer bestimmten Arznei- und Hilfsmittel sowie Medizinprodukte beschränkt. Die Tatbestände wurden außerdem als Offizialdelikte ausgestaltet und sind damit nun stets von Amts wegen zu verfolgen.[6] Das Gesetz trat am 4.6.2016 in Kraft.
3. Regelungszweck
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Bei den §§ 299a und b StGB handelt es sich um abstrakte Gefährdungsdelikte. Die Straftatbestände verfolgen nach dem Willen des Gesetzgebers einen doppelten Rechtsgüterschutz. Sie dienen zum einen der Sicherung eines fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen, weswegen die Straftatbestände im 26. Abschnitt des StGB (Straftaten gegen den Wettbewerb) verortet wurden. Außerdem bezwecken die Vorschriften den Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen.
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Lediglich mittelbar sollen die Straftatbestände auch die Vermögensinteressen der Wettbewerber im Gesundheitswesen sowie der Patienten und der gesetzlichen Krankenversicherung schützen.[7]
1. Erfasste Berufe
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§ 299a StGB ist ein Sonderdelikt und erfasst, anders als § 299b StGB, als taugliche Täter nur Angehörige von Heilberufen mit staatlich geregelter Ausbildung.
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Die Abgrenzung des Kreises möglicher Täter orientiert sich an der in § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) vorgesehenen Regelung. Normadressaten sind sowohl die akademischen Heilberufe, deren Ausübung eine durch Gesetz und Approbationsverordnung geregelte Ausbildung voraussetzt, als auch die sogenannten Gesundheitsfachberufe, deren Ausbildung ebenfalls gesetzlich geregelt ist. Eine Begrenzung des Täterkreises auf akademische Heilberufsgruppen hat der Gesetzgeber also nicht vorgenommen.[8]
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Erforderlich ist, dass die Person die Zulassungsvoraussetzungen für den jeweiligen Beruf erfüllt und damit auch statusmäßig Angehöriger des jeweiligen Heilberufs ist. Die rein faktische Tätigkeit als Heilberufsangehöriger genügt daher nicht.[9]
Unter den Tatbestand fallen insbesondere:
– | Ärzte, |
– | Zahnärzte, |
– | Tierärzte, |
– | Psychologische Psychotherapeuten, |
– | Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, |
– | Apotheker, |
– | Altenpfleger, |
– | Diätassistent, |
– | Ergotherapeut, |
– | Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger, |
– | Gesundheits- und Krankenpfleger, |
– | Hebamme/Entbindungspfleger, |
– | Logopäde, |
– |
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