Beispiel für die Eigenerstellung eines immateriellen Wirtschaftsguts:
Die E-GmbH entwickelt ein neuartiges Produkt, für das ihr ein Patent eingeräumt wird. Zur Entwicklung dieses Produkts fallen Ausgaben von 90 000 € an, die sich auf die Entlohnung der Mitarbeiter in der Forschungsabteilung sowie auf Materialeinkäufe verteilen.
Für das Patent gilt ein Aktivierungsverbot. Der selbst geschaffene Vermögenswert ist zwar als Wirtschaftsgut anzusehen, sodass die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit gegeben ist. Da aber kein Erwerb von einem Dritten vorliegt, darf das Patent aufgrund des Aktivierungsverbots nach § 5 Abs. 2 EStG nicht in die Steuerbilanz aufgenommen werden (fehlende konkrete Bilanzierungsfähigkeit).
In den Jahren, in denen das durch das Patent geschützte Wissen genutzt wird, stehen den damit erzielten Umsatzerlösen keine Aufwendungen (mehr) gegenüber. Die im Zusammenhang mit der Entwicklung angefallenen Aufwendungen sind bei der E-GmbH bereits während der (umsatzlosen) Entwicklungsphase in die Gewinn- und Verlustrechnung eingegangen.
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(2) Ausnahmen vom Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter: Das Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter nach § 5 Abs. 2 EStG gilt nur dann, wenn diese dem Anlagevermögen zuzurechnen sind. Immaterielle Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind demgegenüber nach dem Grundsatz der materiellen Vollständigkeit in sachlicher Hinsicht sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz zu aktivieren (§ 246 Abs. 1 S. 1 HGB, § 5 Abs. 1 S. 1 HS 1 EStG). Bei immateriellen Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens ist die konkrete Bilanzierungsfähigkeit unabhängig davon gegeben, ob sie entgeltlich erworben oder ob sie selbst erstellt wurden (Fall 1 des Maßgeblichkeitsprinzips).
Immaterielle Wirtschaftsgüter sind dann dem Umlaufvermögen zuzurechnen, wenn sie nicht dauernd dem Geschäftsbetrieb des Bilanzierenden dienen, sondern zum Zweck der Veräußerung oder im Rahmen eines Kundenauftrags hergestellt werden (Umkehrschluss aus § 247 Abs. 2 HGB).
Beispiele:
Der Filmproduzent F erstellt im Auftrag eines Fernsehsenders Spielfilme. Die Filme sind als immaterielle Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens in der Steuerbilanz des Filmproduzenten F zu aktivieren.
Der Softwareentwickler S entwickelt im Auftrag eines Kunden dessen Internetauftritt. Im Rahmen der Entwicklung entsteht ein immaterielles Wirtschaftsgut, das dem Umlaufvermögen zuzurechnen ist und für das deshalb eine Ansatzpflicht besteht.
Da selbst geschaffene Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens zur baldigen Veräußerung bestimmt sind bzw der Auftraggeber sich bereits vertraglich zur Abnahme verpflichtet hat, ist im Hinblick auf das Prinzip der vorsichtigen und objektivierten Gewinnermittlung kein Ansatzverbot notwendig. Durch den Marktpreis bzw die in dem Auftrag getroffenen Vereinbarungen stehen die potenziell erzielbaren Erträge fest oder lassen sich zumindest mit hinreichender Sicherheit schätzen. Sofern die voraussichtlich erzielbaren Erlöse unter den Herstellungskosten liegen, lässt sich dies durch eine Abwertung auf den niedrigeren Stichtagswert bilanziell erfassen.
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Bei selbst erstellten immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens besteht in zwei Fällen eine Ausnahme vom Aktivierungsverbot nach § 5 Abs. 2 EStG, m.a.W. in diesen beiden Fällen wird von einer Aktivierungspflicht ausgegangen (R 5.5 Abs. 3 EStR):
– | Einlage eines immateriellen Wirtschaftsguts. Das Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gilt nicht, wenn das Wirtschaftsgut von einem Steuerpflichtigen in seinen Betrieb eingelegt wird. Das eingelegte immaterielle Wirtschaftsgut ist nach § 6 Abs. 1 Nr 5 EStG grundsätzlich mit dem Teilwert anzusetzen. Die Begründung für die Aktivierungspflicht liegt darin, dass die mit den Einlagevorschriften verbundene Zielsetzung der Abgrenzung zwischen Vorgängen, die den betrieblichen Bereich betreffen, und Vorgängen, die sich auf die private Sphäre beziehen, im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung höher gewichtet wird als der Grundsatz der Bewertungsvorsicht (keine Maßgeblichkeit: konzeptionelle Abweichung, Fall 9). Für die Abgrenzung zwischen diesen beiden Prinzipien lassen sich keine allgemein verbindlichen Kriterien finden, sodass gegen die von der Finanzverwaltung im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs[4] vorgenommene Wertentscheidung keine grundlegenden Bedenken formuliert werden können. Für den Steuerpflichtigen hat sie den Vorteil, dass der Wertverzehr des immateriellen Wirtschaftsguts über die Nutzungsdauer durch Absetzung für Abnutzung als Betriebsausgabe abgezogen werden darf. Bei einem Aktivierungsverbot für eingelegte immaterielle Wirtschaftsgüter würden sich die mit deren Entwicklung verbundenen Aufwendungen ertragsteuerlich nicht auswirken. |
– | Unentgeltliche Übertragung. Bei der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils hat der Erwerber die bisherigen Buchwerte fortzuführen (§ 6 Abs. 3 EStG). Sind in dem übertragenen Betriebsvermögen immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens aktiviert (der Übertragende hatte sie entgeltlich erworben), sind diese auch in der Steuerbilanz des Erwerbers anzusetzen, obwohl der Erwerber dafür keine Ausgaben tätigt. Das Aktivierungsverbot nach § 5 Abs. 2 EStG kommt nicht zur Anwendung, weil der entgeltliche Erwerb des Übertragenden (des bisherigen Betriebsinhabers) für die Aktivierung als ausreichend angesehen wird. |
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Wird ein einzelnes immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens aus betrieblichem Anlass unentgeltlich aus einem Betrieb in den Betrieb eines anderen Steuerpflichtigen übertragen, ist es beim Erwerber mit dem gemeinen Wert zu aktivieren (§ 6 Abs. 4 EStG). In diesem Fall wird das Ziel einer korrekten Abgrenzung zwischen den Vermögensbereichen von verschiedenen Steuerpflichtigen höher gewichtet als der Gedanke einer vorsichtigen Gewinnermittlung (keine Maßgeblichkeit: konzeptionelle Abweichung, Fall 9).
Anmerkungen
Vgl BMF-Schreiben vom 18.11.2005, BStBl. 2005 I, S. 1025.
Zu den Kriterien des Begriffs des Wirtschaftsguts siehe Kapitel II.1., Rn. 146–152.
Wird kein Einmalentgelt bezahlt, sondern eine Lizenzgebühr, die sich nach der Anzahl der produzierten Erzeugnisse oder erzielten Umsätze berechnet (Produktions- oder Umsatzlizenz), unterbleibt eine Bilanzierung aufgrund des Grundsatzes der Nichterfassung schwebender Geschäfte.
Vgl R 5.5 Abs. 3 S. 3 EStR sowie BFH vom 22.1.1980, BStBl. 1980 II, S. 244; BFH vom 20.8.1986, BStBl. 1987 II, S. 455; BFH vom 26.10.1987, BStBl. 1988 II, S. 348.
c) Zusätzliche Besonderheiten beim Geschäfts- oder Firmenwert
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Der Geschäfts- oder Firmenwert wird in der Handelsbilanz als Vermögensgegenstand angesehen (gesetzliche Fiktion des Vorliegens eines Vermögensgegenstands nach § 246 Abs. 1