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(5) Factoring: Ein Spezialfall des Treuhandverhältnisses ist das Factoring. Der Treugeber (Forderungsverkäufer) tritt Forderungen zu treuen Händen an den Treuhänder (Factor) ab, damit dieser die Forderungen auf Rechnung des Forderungsverkäufers einzieht. Ein Factoringvertrag wird beispielsweise abgeschlossen, weil der Forderungsverkäufer nicht selbst gegen den Schuldner vorgehen will oder weil er einen früheren Zufluss von liquiden Mitteln erreichen möchte oder um die Forderungsverwaltung zu rationalisieren.
Beim Factoring handelt es sich in erster Linie um einen Dienstleistungsvertrag. Für die persönliche Zurechnung der Forderung ist entscheidend, ob der Factor zusätzlich das Ausfallrisiko übernimmt:
– | echtes Factoring. Trägt der Factor das Risiko des Forderungsverlusts, ist er nicht nur zivilrechtlicher, sondern auch wirtschaftlicher Eigentümer der Forderungen. |
– | unechtes Factoring. Verbleibt das Ausfallrisiko beim Forderungsverkäufer, wird dieser als wirtschaftlicher Eigentümer der Forderungen angesehen, sodass das wirtschaftliche und das zivilrechtliche Eigentum auseinanderfallen. |
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(6) Nießbrauch: Beim Nießbrauch wird ein Wirtschaftsgut in der Form belastet, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen aus dem Wirtschaftsgut zu ziehen (§ 1030, § 1068 BGB). Der Nießbrauchsberechtigte kann in der Regel das Wirtschaftsgut nur nutzen, über das Wirtschaftsgut selbst darf er jedoch nicht verfügen. Deshalb wird das mit einem Nießbrauch belastete Wirtschaftsgut grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zugerechnet (Nießbrauchsbesteller).
Der Nießbrauchsberechtigte gilt ausnahmsweise dann als wirtschaftlicher Eigentümer, wenn die Laufzeit des Nießbrauchsrechts mit der gewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts vollständig oder annähernd übereinstimmt und der Nießbraucher über den Substanzwert verfügen kann sowie Wertminderungen und Wertsteigerungen zu tragen hat.[1] In diesem Fall kann der Nießbrauchsberechtigte den zivilrechtlichen Eigentümer (den Nießbrauchsbesteller) über die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Nießbrauchsberechtigte wirtschaftlicher Eigentümer ist, besteht darin, dass in dieser Situation der Herausgabeanspruch des Nießbrauchsbestellers nach Ablauf des Nießbrauchsrechts wirtschaftlich wertlos ist.
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(7) Gebäude auf fremdem Grund und Boden: Bauten, die auf fremdem Grund und Boden errichtet werden und fest mit dem Grund und Boden verbunden sind, gehen zivilrechtlich in das Eigentum desjenigen über, dem der Grund und Boden gehört (§ 93, § 94 BGB). Die Entscheidung, wem ein Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet wird, persönlich zuzurechnen ist, richtet sich nach den allgemeinen Kriterien des wirtschaftlichen Eigentums:[2] (a) Der Errichter des Gebäudes übt die tatsächliche Herrschaft über das Gebäude aus. (b) Er kann den zivilrechtlichen Eigentümer des Grund und Bodens von der Einwirkung auf das Gebäude ausschließen, sofern dieser ihm den Grund und Boden beispielsweise durch Einräumung eines Erbbaurechts zur Verfügung stellt. (c) Der Ausschluss des rechtlichen Eigentümers ist auch über die gewöhnliche Nutzungsdauer des Gebäudes gegeben, wenn die Nutzungsdauer des erstellten Gebäudes unter dem Zeitraum liegt, in dem der Errichter den Grund und Boden nutzen kann. Das Gleiche gilt, wenn der Errichter dazu verpflichtet ist, das Gebäude nach Auslaufen des Nutzungsrechts an dem Grund und Boden abzureißen.
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(8) Kommissionsgeschäft: Ein Kommissionsgeschäft liegt vor, wenn ein Kaufmann (Kommissionär, Beauftragter) es gewerbsmäßig übernimmt, Waren oder Wertpapiere eines anderen Kaufmanns (Kommittent, Auftraggeber) in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen (§ 383 HGB). Da der Nutzen und die Lasten aus den Wirtschaftsgütern sowie das Risiko und die Chance von Wertänderungen den Auftraggeber treffen, werden die Waren oder Wertpapiere dem Auftraggeber zugerechnet. Dies gilt auch für Einkaufskommissionen, bei denen der Kommissionär zunächst zivilrechtlich Eigentümer der Wirtschaftsgüter wird.
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(9) Pensionsgeschäft: Bei einem Pensionsgeschäft (Repo-Geschäft: Repurchase Agreement) verkauft der Eigentümer (Pensionsgeber) ein Wirtschaftsgut an den Pensionsnehmer, wobei gleichzeitig vereinbart wird, dass der Pensionsnehmer das Wirtschaftsgut zu einem bestimmten Zeitpunkt und zu einem festgesetzten Preis zurückverkaufen muss (echtes Pensionsgeschäft) oder darf (unechtes Pensionsgeschäft, § 340b HGB). Der Hauptanwendungsbereich von Pensionsgeschäften betrifft Wertpapiere. Während der Pensionsdauer (Zeitraum zwischen Verkauf des Wirtschaftsguts und dessen Rückübertragung) liegt das zivilrechtliche Eigentum beim Pensionsnehmer.[3]
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Da beim unechten Pensionsgeschäft der Pensionsnehmer nicht verpflichtet ist, das Wirtschaftsgut wieder an den Pensionsgeber zurückzuübertragen, kann der Pensionsnehmer den Pensionsgeber endgültig von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut und seiner Nutzung ausschließen. Der Pensionsnehmer kann entscheiden, ob er die erworbenen Wirtschaftsgüter wieder zurücküberträgt. Er kann von Wertsteigerungen profitieren, ohne dass er das Risiko eines Wertverlusts zu tragen hat. Die Rückübertragung ist ein (zukünftiges) wertbegründendes Ereignis, das zu diesem Zeitpunkt die Eigentumsverhältnisse verändert. Dies bedeutet, dass beim unechten Pensionsgeschäft die Zurechnung zum Pensionsnehmer erfolgt, dh das Wirtschaftsgut wird beim zivilrechtlichen Eigentümer bilanziert (§ 340b Abs. 5 HGB). Hieraus ergeben sich folgende steuerliche Konsequenzen: (1) Im Zeitpunkt der Begründung des Pensionsgeschäfts hat der Pensionsgeber in Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts einen Gewinn oder einen Verlust auszuweisen. (2) Im Zeitpunkt der Rückübertragung entsteht beim Pensionsnehmer in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem bei Beendigung des Pensionsgeschäfts erzielten Preis und dem bei der Begründung des Pensionsgeschäfts bezahlten Preis ein Ertrag oder Aufwand. Der Pensionsgeber hat die zurückübertragenen Wirtschaftsgüter mit dem dafür bezahlten Preis als Anschaffungskosten zu aktivieren.
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Beim echten Pensionsgeschäft wird der Pensionsgeber nach Ablauf des vereinbarten Zeitraums durch die Rückübertragung der Wirtschaftsgüter wieder zum zivilrechtlichen Eigentümer. Da der Pensionsnehmer die Wirtschaftsgüter wieder dem Pensionsgeber übertragen muss, kann der Pensionsnehmer den Pensionsgeber nicht auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen. Damit treffen den Pensionsgeber sämtliche (positiven und negativen) Wertänderungen an den übereigneten Wirtschaftsgütern. Deshalb ist der Pensionsgeber als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen (§ 340b Abs. 4 HGB). Wie bei einer Sicherungsübereignung fallen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum vorübergehend auseinander. Da die übertragenen Wirtschaftsgüter über den gesamten Zeitraum beim Pensionsgeber bilanziert werden, verändert sich dessen Buchwert nicht. Weder für den Pensionsgeber noch für den Pensionsnehmer entsteht ein Veräußerungserfolg.
Die beschriebenen Zurechnungsregeln für Pensionsgeschäfte gelten unmittelbar nur für die Handelsbilanz von Kreditinstituten. Da die in § 340b HGB formulierten Grundsätze jedoch mit den allgemeinen Kriterien der wirtschaftlichen Zurechnung bzw des wirtschaftlichen Eigentums übereinstimmen, können sie als ein Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung angesehen werden, der von allen