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Soweit Ossenbühl dem BGH auch noch vorhält, dieser gehe in Bezug auf privatisierte Unternehmen zu Unrecht von einem Primat des Zivilrechts aus und ignoriere dabei „die seit Jahrzehnten eingeübte Rechtsprechung und Lehre im Verwaltungsrecht“ – immerhin sei „die Grundrechtsbindung … unbestritten“[189] – verfängt auch dies nicht:
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Übersehen wird nämlich, dass privatrechtlich verfasste Unternehmen primär gesellschaftsrechtlichen Normen verpflichtet sind. Die öffentliche Hand, „die sich auf das Gebiet der Privatwirtschaft begibt, um dort ihre unter Umständen sehr vielfältigen Interessen zu verfolgen“, nimmt auch in Ansehung ihrer Bindung an das Gemeinwohl gesellschaftsrechtlich keine Sonderstellung ein.[190]
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Auch Ossenbühls Hinweis auf die „völlig unumstrittene“ Grundrechtsbindung, „wenn die Verwaltung in Privatrechtsformen handelt“,[191] wendet sich gleich mehrfach gegen seinen Urheber:
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Immerhin betrachtet die h. M. in der Verfassungsrechtslehre privatisierte Unternehmen mit noch so geringer privater Beteiligung vor allem unter Hinweis darauf, dass die Privatrechtsform die Beachtung von Art. 19 Abs. 3 GG gebiete, als grundrechtsfähig[192] und verneint damit implizit das Vorhandensein einer „Stelle“, die Verwaltungsaufgaben unmittelbar wahrnimmt.
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Abgesehen davon gilt in Zusammenhang mit privatisierten Unternehmen das öffentliche Recht jenseits einer etwaigen Grundrechtsbindung z. B. (auch) nicht, wenn es um das Disziplinarrecht ginge; und ob der Staat in einem Haftungsfall für den Angestellten eines privatisierten Unternehmens einzustehen hat, gilt als weitgehend ungeklärt.[193] Dass die Entscheidung des 5. Senats des BGH – wie Ossenbühl auch noch meint – der Verwaltung die Befugnis verliehen hätte, „das Strafrecht abzuwählen“,[194] kann schon deswegen nicht (ernsthaft) als Argument für eine folgenorientierte Auslegung des § 11 Abs. 1 Nr. 2c fungieren, weil diese Vorschrift – entgegen Ossenbühl – nicht „in einem Bereich angesiedelt ist, der für Korruption in besonderem Maße anfällig ist“[195], sondern im Allgemeinen Teil!
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Hinzu kommt, dass es dem Gesetzgeber nicht schwer fallen würde, der angeblich ins Haus stehenden „Flucht“ aus den Korruptionsdelikten (die mit einiger Sicherheit nie ein Grund zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben war), durch die – längst in Gang gesetzte – Verschärfung etwa der Regelungen der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§§ 299 f.)[196] zu begegnen. Allerdings hat sich im Zuge der „Bankenkrise“ seit 2008 ohnehin eine gegenläufige Entwicklung abgespielt. Im Zuge einer (Teil-)Verstaatlichung einiger Banken konnten gleichsam „über Nacht“ Bankangestellte auf welcher Ebene auch immer plötzlich zum verlängerten Arm des Staates und damit zu Amtsträgern geworden sein. Eine schon fast absurd anmutende Konsequenz![197]
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Wenn also – entgegen der Intention des Entwurfs der Bundesregierung[198] – die Erweiterung des § 11 Abs. 1 Nr. 2c durch das KorrBekG nur festgehalten bzw. klargestellt haben sollte, was ohnehin schon immer galt und daher von einer Kontinuität der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit den Zeiten des Reichsgerichts[199] auszugehen wäre, bietet sich der Verteidigung, insbesondere in Fällen gemischtwirtschaftlicher Unternehmen,[200] aber auch bei allen sonstigen privatrechtlich organisierten Unternehmen der öffentlichen Hand in Bezug auf das Merkmal der „sonstigen Stelle“ durchaus noch materiell-rechtlich fundierbarer Argumentationsspielraum:
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Immerhin hatte es der 2. Senat des BGH, der die organisatorische durch die funktionale Betrachtung ersetzen will, in seiner grundlegenden Entscheidung (BGHSt 43, 370) mit der „GTZ“ zu tun, die durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Staat verbunden ist und – auch von außen – zwanglos als bloßes „Anhängsel“ des Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erscheint. Die Distanz eines solchen, aus entwicklungshilfepolitischen Zwängen entstandenen Gebildes zu einer gemischtwirtschaftlich agierenden GmbH oder AG ist durchaus erheblich.
e) Aufgaben der öffentlichen Verwaltung
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Nach dem sprachlichen Duktus des § 11 Abs. 1 Nr. 2c muss die „sonstige Stelle“ zusätzlich „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ wahrnehmen.
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Nicht nur die Rechtsprechung versäumt es allerdings regelmäßig, die beiden Begriffe trennscharf auseinander zu halten. Vielmehr wird zum Teil zunächst der Frage nachgegangen, ob ein Unternehmen „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ wahrnimmt, um sodann – anhand der Formel vom „verlängerten Arm“[201] – zu prüfen, ob eine „sonstige Stelle“ vorliegt[202] oder aber es wird die Amtsträgereigenschaft im Wege einer diffusen „Gesamtbetrachtung“ der „sonstigen Stelle“ und der „Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ beurteilt.[203] Insoweit könnte sich die Berufung auf das von Art. 103 Abs. 2 GG ausgehende, nicht auf Vermögensdelikte beschränkbare sog. „Verschleifungsverbot“ durchaus anbieten.[204]
Soweit den Merkmalen des § 11 Abs. 1 Nr. 2c jeweils eigenständige Bedeutung zugemessen wird, ist aber das Vorliegen einer „sonstigen Stelle“ erste Voraussetzung für eine mögliche Amtsträgereigenschaft einer Person.
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Den „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ kann Abgrenzungsfunktion dann nur noch zukommen, wenn die behördengleiche (sonstige) „Stelle“ – ausnahmsweise – keine solchen Aufgaben wahrnimmt:[205]
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Geht man – u. a. mit dem BGH – davon aus, dass die „Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ verwaltungsrechtsakzessorisch zu behandeln ist,[206] folgt die Unergiebigkeit in Bezug auf privatrechtlich organisierte Unternehmen aus dieser Verweisung: Was „öffentliche Verwaltung“ ist, gilt im Verwaltungsrecht als nicht geklärt.[207] Nachdem früher „Verwaltung“ überwiegend nur negativ bestimmt wurde, d. h. als Tätigkeit des Staates zur Verwirklichung seiner Ziele unter Anwendung seiner Rechtsordnung, ausgenommen die Rechtsetzung und Rechtsprechung,[208] wird inzwischen zwischen dem organisatorischen[209], dem formellen[210]