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Wie sehr das – offenbar – gewünschte Ergebnis die Argumentation vorgibt, zeigt sich im Übrigen daran, dass der BGH in dieser Entscheidung nicht auf die Außendarstellung des Unternehmens abhebt und in diesem Zusammenhang – ebenfalls anders als der 5. Senat in der Entscheidung zur „DB-AG“[91] – auch nicht in Rechnung stellt, dass zum Tatzeitpunkt sogar „Teilprivatisierungen“ – d. h. die Suche nach rein privaten Partnern – anstanden.
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Ersichtlich zum Prinzip erhoben ist die ggf. weit in die Verästelungen von Gesellschaftsverträgen und kommunalen Satzungen gehende Betrachtung des Einzelfalls, wenn es um sog. gemischtwirtschaftliche („PPP“) Unternehmen geht.
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Inwieweit die private Beteiligung hier die generelle (oder potentielle) Beschäftigung von Amtsträgern hindert oder nicht, soll – wie zu erwarten – eine Frage des Einzelfalls sein.[92]
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Bei Beteiligung eines Privaten soll „die Gleichstellung mit einer Behörde“ und damit das Vorliegen einer „sonstigen Stelle“ jedenfalls dann fern liegen, „wenn der Private durch seine Beteiligung über derart weitgehende Einflussmöglichkeit verfügt, dass er wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen kann“.[93] Dass eine solche Einflussmöglichkeit jedenfalls dann besteht, wenn der Private auf Grund des Gesellschaftsvertrages über eine Sperrminorität für wesentliche unternehmerische Entscheidungen verfügt,[94] sollte sich eigentlich von selbst verstehen.
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Ob der Umstand, dass Private, die, ablesbar an den tatsächlichen Abläufen im Unternehmen, die Entscheidungen lediglich mitbestimmen, genügt, um das Unternehmen nicht mehr als (gleichsam) „verlängerten Arm des Staates“ und seine Betätigungen damit „nicht mehr als unmittelbar staatliches Handeln“ betrachten zu können“,[95] hat der BGH bislang noch nicht entschieden. Da selbst 100 %ige Staatstöchter in privatem Gewand nicht zwingend „sonstige Stellen“ sind,[96] wird auch hier der notorische Einzelfall den Ausschlag geben.
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Hilfreich kann insoweit das auch vom BGH in Anspruch genommene Vergaberecht sein:[97]
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Soweit – mit dem BGH – eine „sonstige Stelle“ vorliegt, wenn privatrechtlich organisierte Einrichtungen mit Behörden gleichzusetzen sind und eine solche Gleichsetzung jedenfalls dann geboten ist, wenn die fragliche Einrichtung bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe derart staatlicher Steuerung unterliegt, dass sie bei Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale gleichsam als verlängerter Arm des Staates erscheint,[98] fragt sich, aus wessen Perspektive diese Bewertung vorzunehmen sein soll. Ist es die des ggf. vorteilnehmenden Angestellten, der den Gesellschaftsvertrag in allen Einzelheiten kennt oder die des vorteilgebenden Bürgers, der es – aus seiner Sicht – mit einer GmbH oder AG zu tun hat, die sich nach außen kaum oder gar nicht von seinen sonstigen Geschäftspartnern, die sich in privater Hand befinden, unterscheidet? Und was ist eine Steuerung mit verlängertem Arm? Und welche „Steuerung“ ist gemeint? Die tatsächliche, die weit hinter der rechtlich möglichen zurückbleiben mag, oder die – ggf. nur für einen „Ernstfall“ in den Gesellschaftsvertrag aufgenommenen – strikten Direktionsmöglichkeiten etwa einer Kommune, von denen nie Gebrauch gemacht wird und von denen der (oder die) Geschäftsführer bzw. Dritte daher faktisch nie etwas bemerken (können).
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Ein Blick auf das Vergaberecht zeigt eine praktikable Alternative zur wenig griffigen Formel des BGH.[99]
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Bei gleichsam norminterner Auslegung – d. h. ohne Rückgriff auf die Teleologie des Besonderen Teils des StGB (hier: §§ 331 ff.) – spricht einiges dafür, als „sonstige Stelle“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c ein Gebilde zu betrachten, das wie eine Behörde in den staatlichen Verwaltungsapparat eingebunden und von außen – objektiv – von einer Behörde nicht zu unterscheiden ist. Unter dieser Voraussetzung hält das Vergaberecht eine klare, auch strafrechtlich verwertbare Lösung bereit:
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Die vergaberechtliche, sich parallel zum Strafrecht stellende Frage nach Staat oder Nicht-mehr-Staat dreht sich darum, ob Aufträge eines öffentlichen Auftraggebers an ein von der öffentlichen Hand beherrschtes privatrechtliches Unternehmen und hier insbesondere an ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen als sog. „In-House“-Geschäft, dies hieße dann: ausschreibungsfrei vergeben werden können. Bei Ablehnung eines „In-House“-Geschäfts ist dagegen eine Ausschreibung zwingend vorgegeben. Letzteres ist strafrechtlich insoweit von Belang, als es bei eröffnetem Vergabeverfahren allein von der Preisgestaltung der konkurrierenden Unternehmen abhängen würde, an welches Unternehmen der Auftrag vergeben wird und damit zugleich, ob eine „Aufgabe der Verwaltung“ von einer „sonstigen Stelle“ – nämlich dem (teil-) privatisierten Unternehmen – oder von einem Konkurrenten, d. h. einem ab ovo privaten Unternehmen wahrgenommen würde. Aus dieser Perspektive mutet die Annahme, ein in „PPP“ betriebenes Unternehmen könne behördengleich sein, recht absurd an, weil die Merkmale des § 11 Abs. 1 Nr. 2c keine Variablen eines Wettbewerbs sein können, an dem eine „Behörde“ nie teilnehmen könnte bzw. dürfte.
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Was macht dann aber ein staatsinternes „In-House“-Geschäft aus und unter welchen Voraussetzungen fehlt es am „In-House“-Charakter; mit der Folge, dass ein privatisiertes Staatsunternehmen, das sich um entsprechende Aufträge bewirbt, zu einem außerstaatlichen Konkurrenten unter anderen wird? Der EuGH hat – ganz im Sinne der europäischen Deregulierungsbestrebungen – dem Staat und etwaigen „In-House“-Aktivitäten enge Grenzen gesetzt.[100] Nach früher h.A. schloss eine private Beteiligung am Auftragnehmer des vergebenden Staates ein „In-House“-Geschäft nicht notwendig aus.[101] Unklar war lediglich, von welchem Umfang privater Beteiligung an, ein „In-Sich“-Geschäft ausscheiden sollte. Überwiegend wurde die Lösung – wie im Strafrecht – in einer auf den Einzelfall abstellenden Prüfung der Beherrschung des privatrechtlich verfassten Unternehmens durch den öffentlichen Teilhaber gesucht.
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Der EuGH schließt dagegen nunmehr für jegliche private Beteiligung an dem potenziellen Auftragnehmer eine „In-House“-Vergabe kategorisch aus. Die Begründung trägt auch dann, wenn sie auf den Begriff der „sonstigen Stelle“ bezogen würde:
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