cc) Behördliche Informationsbefugnisse
133
Die gesetzlichen Regelungen zu voraussetzungslosen Informationsansprüchen für jedermann erlauben der Behörde allerdings keine proaktive Öffentlichkeitsarbeit. Vielmehr bedarf es hierfür einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage, wie sie sich zB in § 6 Abs. 1 VIG findet; die Regelung des § 11 IFG bleibt dahinter zurück[424]. Der – weit auszulegende – Informationsanspruch nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr 1 VIG beschränkt sich nicht auf produktbezogene Informationen[425], allerdings lässt § 6 Abs. 1 VIG nur die Bekanntgabe von Tatsachen zu, so dass auf dieser Rechtsgrundlage insbes keine Bewertungsportale eingerichtet werden können[426]. Da die Antragsteller kein besonderes Auskunftsinteresse geltend machen müssen, fungieren der Gedanke des Rechtsmissbrauchs (dazu Rn 135) sowie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als (im Rahmen der Abwägung grundsätzlich überwindbare) Grenze.
dd) Naming and Shaming
134
Mittlerweile werden Informationen über behördliche Sanktionen gegenüber Unternehmen, die aufgrund eines bestimmten Fehlverhaltens verhängt worden sind, aber auch gezielt als Instrument indirekter Verhaltenssteuerung bzw der Rechtsdurchsetzung eingesetzt. Vorschriften über das sog. „Naming and shaming“ sehen die Veröffentlichung von Maßnahmen und Sanktionen auf der Internetseite der Aufsichtsbehörde vor. Sie finden sich, ausgehend vom Lebensmittelrecht, mittlerweile in vielen Bereichen des öffentlichen Wirtschaftsrechts (exemplarisch für die Finanzmarktaufsicht §§ 60b ff KWG; §§ 123 ff WpHG). Soweit die entsprechenden Ermächtigungen auf europäischem Sekundärrecht beruhen, sind sie an den europäischen Grundrechten zu messen[427]. Nur bei wenigen, europarechtlich nicht veranlassten oder über die sekundärrechtlichen Mindestanforderungen hinausgehenden Vorschriften bleibt Raum für eine Prüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte (zB § 109 Abs. 2 WpHG). Der vielfach bemühte Vergleich mit dem mittelalterlichen Pranger ist genauso polemisch wie plastisch: Das Ausmaß der Sanktionswirkung hängt vollständig von der Reaktion der Öffentlichkeit ab und ist behördlich nicht mehr steuerbar[428].
135
Fall 10a (Rn 101):
Der Gesetzgeber hat in § 40 Abs. 1a LFGB eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung einzelner Verstöße (unterhalb der Schwelle von Gesundheitsgefahren) geschaffen. Diese dürfte sich gegenüber dem VIG als spezieller darstellen[429]. Gegen die Vorschrift, die auf der VO 178/2002 basiert, wurden europa- und verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht hat der EuGH allerdings bestätigt[430]. Die verfassungsrechtlichen Bedenken richten sich insbesondere gegen die in § 40 Abs. 1a LFGB vorgesehene zwingende Veröffentlichungspflicht wie auch gegen die Bestimmtheit der Vorschrift im Hinblick auf die fehlenden transparenten Parameter für die Höhe des zu verhängenden Bußgeldes[431]. Im Ergebnis überwiegt das Veröffentlichungsinteresse. Beim Rechtsschutz ist zu beachten, dass die Behörde nach § 5 Abs. 2 S. 1 VIG über einen Antrag durch VA entscheiden muss. In Fall 10b (Rn 101) bestehen hinsichtlich der Auskunftsberechtigung des V keine Zweifel; allerdings wird mit dem Rechtsmissbrauch ein zentraler Versagungsgrund ins Spiel gebracht. Die Gerichte prüften die Regelung am nationalen Verfassungsrecht, obwohl dieses durch die KontrollVO verdrängt wird. Diese normiert eine Verschwiegenheitspflicht für die Verbreitung von Informationen, die den Schutz geschäftlicher Interessen eines Unternehmers unterläuft, sofern an der Verbreitung kein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, Art. 8 Abs. 3 lit. b) der KontrollVO[432]. Rechtsmissbräuchlich nach § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG sind lediglich überflüssige (vgl § 4 Abs. 4 S. 2 VIG) oder querulatorische Begehren, so dass selbst die Nutzung der Informationen für eine private Kampagne gegen das Unternehmen sich nicht als rechtsmissbräuchlich darstellt[433].
ee) Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Prozess
136
Im gerichtlichen Verfahren geht die Regelung des § 99 VwGO typischerweise von einem Vorrang des Geheimnisschutzes aus. Ohne Berücksichtigung der entsprechenden Unternehmensdaten[434] wiederum wäre das Gericht zu einer Überprüfung der behördlichen Entscheidung nicht in der Lage, was dem Gebot effektiven Rechtsschutzes widerspricht. Auch hier haben die unionsrechtlichen Vorgaben allerdings in weitem Umfang das deutsche Verfassungsrecht verdrängt; teilweise hat der Gesetzgeber reagiert (s. zum Energie- und TK-Recht unten Rn 530)[435].
3. Die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG)
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Die Eigentumsgarantie ist neben der Berufsfreiheit die zweite wesentliche Grundentscheidung der Wirtschaftsverfassung. Eigentum umfasst alles, was einfachrechtlich zu einem bestimmten Zeitpunkt als Eigentum definiert wird[436] und hierbei nicht nur das privatrechtliche Eigentum, sondern auch öffentlichrechtliche Rechtspositionen, wenn sie „auf nicht unerheblichen Eigenleistungen … beruhen und seiner Existenzsicherung dienen“[437]. Die Schutzbereiche von Art. 12 und 14 GG berühren sich. Nach der gängigen Abgrenzung schützt die Berufsfreiheit die berufliche Tätigkeit, also den Erwerb, Art. 14 GG demgegenüber das Erworbene. Überschneidungen ergeben sich vor allem wegen des ungeklärten Verhältnisses von Art. 12 GG und dem nach der Rechtsprechung von BGH und BVerwG von Art. 14 GG mitumfassten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb[438]. Das BVerfG betont, zuletzt im Urteil zum Atomausstieg, dass ein solcher Schutz jedenfalls nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern erfasse, die verfassungsrechtliche Gewährleistung also nicht mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb iSv § 823 Abs. 1 übereinstimmt[439].
138
Die Bedeutung des Art. 14 GG als Abwehrrecht ist im wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Kontext freilich gering. Vielmehr werden gerade im Kontext des öffentlichen Wirtschaftsrechts die Grenzen des Eigentumsschutzes relevant. So schützt Art. 14 GG nicht die in der Zukunft liegenden (Umsatz- und Gewinn-)Chancen[440], erst recht nicht, wenn sie sich nur als mittelbare Folge einer bestehenden gesetzlichen Regelung ergeben[441]. Art. 14 GG gewährt auch keinen Konkurrenzschutz, also auch nicht im Verhältnis zum Staat. Auch bei der Netzregulierung wird vor allem die Gemeinwohlbindung des Eigentums relevant[442].
139
Staatliche Genehmigungen fallen nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG. Sie sind nicht mit den sonstigen öffentlichrechtlichen Rechtspositionen vergleichbar, die von Art. 14 GG geschützt werden, da sie gerade nicht auf eigener Leistung beruhen[443]. Selbst wenn man die aus der Genehmigung resultierenden Nutzungsmöglichkeiten dem Eigentumsrecht zurechnet, bietet Art. 14 GG hinsichtlich der beruflichen Nutzung des Eigentums jedenfalls keinen weitergehenden Schutz als die Berufsfreiheit[444]. Lediglich bei der Zuteilung von Frequenznutzungsrechten (s. dazu Rn 556 ff) sind die Versteigerungserlöse nicht nur „Preis