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Diese Entwicklung von der Freihandelszone bis zum Binnenmarkt – und darüber hinaus – kann auch als Stufensystem verstanden werden:
Abbildung 9:
Stufen wirtschaftlichen Zusammenwachsens
b) Wesentliche Umsetzungsinstrumente
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Abbildung 10:
Binnenmarkt
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Von zentraler Bedeutung bei der Verwirklichung des Binnenmarkts sind einerseits die sog. „vier Grundfreiheiten“ (dazu näher unten, Rn. 234 ff.):
– | die Warenverkehrsfreiheit, |
– | die (wirtschaftliche) Personenverkehrsfreiheit in Form der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit von Selbstständigen, |
– | die Dienstleistungsfreiheit und |
– | die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit. |
Diese Grundfreiheiten stellen subjektive – also einklagbare – Rechte dar, die jeder Einzelne sowohl gegenüber den Organen der EU als auch gegenüber den einzelnen Mitgliedstaaten geltend machen kann. Durch die damit verbundene Dynamik tragen die Grundfreiheiten in Kombination mit dem Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV, auch dazu s.u., Rn. 243) in erheblichem Maß zur Verwirklichung des Binnenmarktziels bei.
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Die zweite Säule, die zur Verwirklichung des Binnenmarkts maßgeblich beiträgt, ist die weitreichende Kompetenz der EU zur Regulierung des wettbewerbsrechtlichen Rahmens. Mit diesem Instrumentarium ist die EU darum bemüht, einen unverfälschten und unverzerrten Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes zu sichern. So verbieten die Art. 101 f. AEUV den Unternehmen jegliche Formen wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Verhaltensweisen sowie die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Außerdem enthalten die Art. 107 f. AEUV weitgehende Verbote für staatliche Subventionen, die von der nationalen, regionalen oder lokalen Politik gerne „ihren“ Unternehmen zur Stärkung der jeweiligen Wirtschaftskraft gewährt werden (würden).
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Neben diesen beiden zentralen Säulen zieht sich die Umsetzung des Binnenmarktziels wie ein roter Faden durch zahlreiche primär- und sekundärrechtliche Vorschriften des EU-Rechts (zu den Begriffen Primär- und Sekundärrecht s.u., Rn. 185–204). Dies gilt beispielsweise für die Steuerpolitik (Art. 110 ff. AEUV), für die Angleichung von Rechtsvorschriften (Art. 114 ff. AEUV) und für die Wirtschafts- und Währungspolitik (Art. 119 ff. AEUV).
a) Sozialpolitische Zielsetzungen
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Quasi als „Korrektiv“ zur starken Ökonomielastigkeit des Binnenmarktziels sieht Art. 3 III UA 2 EUV seit Lissabon auch ein Bündel an sozialpolitischen Zielsetzungen vor. Damit soll – durchaus in Abgrenzung zum US-amerikanischen Modell[15] – einer zu wirtschaftsorientierten Unionspolitik entgegengewirkt werden. Zugleich wird damit der Anspruch einer „sozialen Marktwirtschaft“, wie er im Zusammenhang mit dem Binnenmarktziel in Art. 3 III UA 1 EUV formuliert ist, mit Inhalten unterfüttert.
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Diese sozialpolitischen Ziele umfassen im Einzelnen
– | die Bekämpfung sozialer Ausgrenzung und Diskriminierungen |
sowie die Förderung
– | der sozialen Gerechtigkeit[16] und des sozialen Schutzes, |
– | der Gleichstellung von Frauen und Männern, |
– | der Solidarität zwischen den Generationen und |
– | des Schutzes der Rechte des Kindes. |
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Allerdings vermitteln diese Ziele noch nicht der Union die dafür erforderlichen (Rechtssetzungs-)Zuständigkeiten. Daher sind für die Umsetzung dieser Ziele die Querschnittsnormen der Art. 8–10 AEUV von wesentlicher Bedeutung. Danach soll die Union bei allen ihren Tätigkeiten
– | Ungleichheiten beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen fördern (Art. 8 AEUV), |
– | den Erfordernissen der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzniveaus, der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung Rechnung tragen (Art. 9 AEUV) und |
– | auf eine Bekämpfung von Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder sexuellen Ausrichtung hinwirken (Art. 10 AEUV). |
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Vor allem aber räumen die Art. 151 ff. AEUV der EU „harte“ Kompetenzen ein, mit denen zumindest ein Teil der genannten Ziele des Art. 3 EUV umgesetzt werden können. Dies gilt insbesondere für
– | die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Art. 151 I, 153 I lit. a, b AEUV), |
– | die Erhöhung der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes von Arbeitnehmern (Art. 153 I lit. c, d, k AEUV), |
– | die Gleichstellung von Frauen und Männern (Art. 153 I lit. i, 157 AEUV) und |
– | die Bekämpfung sozialer Ausgrenzung (Art. 153 I lit. j AEUV). |
b) Wirtschaftlicher, sozialer