Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinz Pürer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783846385333
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mit herausragenden journalistischen Persönlichkeiten sowie mit dem Wesen des Journalismus befasst. Im Mittelpunkt standen in aller Regel Einzelpersonen und deren Biografie (vgl. etwa Spael 1928) oder auf das praktische Handwerk bezogene Überlegungen (vgl. Dovifat 1931; Groth 1928). Daneben gab es bereits auch (meist kleinere) empirische Studien, die sich mit der sozialen und ökonomischen Lage oder etwa auch der Ausbildung der Journalisten befassten. »Sämtliche empirische Studien zielen auf die Verbesserung der Existenzbedingungen und des Ansehens des journalistischen Berufsstandes bzw. suchen zu erklären, warum Lage und Ansehen so schlecht sind, wie sie sind. Unter ihnen befinden sich einige Studien von Berufsverbänden, einige volkswirtschaftliche Lageberichte und einige Pressedissertationen« (Böckelmann 1993, S. 33). Die Titel dieser Studien und zusätzliche Angaben über ihre Inhalte sind der Synopse von Frank Böckelmann zu entnehmen (Böckelmann 1993, S. 33ff). Nach 1945 setzten allmählich Studien ein, die sich traditionellen Fragen des journalistischen Berufes widmeten und ihren Gegenstand von den Print- auf die Funkmedien ausweiteten. Ermittelt wurden demographische Daten und Tätigkeitsmerkmale, ansatzweise auch die soziale Lage der Journalisten. Es entstanden im Weiteren berufsstatistische Erhebungen, und Fragen der Einstellung der Journalisten zu ihrem Beruf und Berufsverständnis (Selbstbild) gewannen an Bedeutung. Ab etwa 1965 entfaltet sich eine empirische Berufsforschung, in der Fragestellungen im Vordergrund stehen, aus denen berufsstrukturelle Merkmale über Journalisten ermittelt, Berufsauffassungen festgestellt sowie ein allfälliger Wandel des Berufs-»Bildes« erschlossen werden können. Es sind dies Fragen nach

      • demographischen und anderen berufsrelevanten Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen, soziale Herkunft;

      • Berufserwartungen und -vorstellungen sowie Motiven der Berufswahl;

      • Berufsausbildung und Berufsanforderungen;

      • Berufsweg und Karriereverlauf;

      • Berufs- und Berufsrollenverständnis, Selbstbild und Fremdbild;

      • Selbsteinschätzung von sozialem Status und gesellschaftlichem Ansehen;

      • Berufsweg, Berufszufriedenheit, Karriereverlauf;

      • Berufsmobilität;

      • Einstellungen zu berufspolitischen, parteipolitischen und anderen gesellschaftlich relevanten Fragen sowie zur Parteizugehörigkeit;

      • Berufsethik.

      Die meisten Kommunikator-Studien sind folglich auch Versuche, die Wirklichkeit journalistischer Berufe empirisch zu fassen und daraus Merkmale für ein Berufsbild abzuleiten. Mit neuen empirischen Forschungskonzepten, die in den ausgehenden 1960er-Jahren entstehen, setzt auch ein Paradigmenwechsel in der Journalismusforschung ein. Nicht unerwähnt bleiben soll jedoch, dass es aus den 1950er-Jahren vergleichsweise umfassende empirische Sozialenqueten gibt: nämlich jene von Walter Haseloff 1954 in Berlin (Haseloff 1954) sowie die von Walter Hagemann 1956 in Nordrhein-Westfalen durchgeführten Journalistenstudien (Hagemann 1956; Wirth 1956). »Die Sozialenqueten in der Mitte der 1950er-Jahre werden wie ihre Vorläufer zu Beginn des [20.] Jahrhunderts und nach dem Ersten Weltkrieg von der akuten Notlage eines großen Teils der Journalisten veranlasst. Im selben [113]Maß, in dem sich die ökonomische Lage der Journalisten bessert, treten in den Berufsverbänden die Fragen der beruflichen Ausbildung und der (Mitsprache-)Rechte im Medienbetrieb in den Vordergrund« (Böckelmann 1993, S. 41).

      Vorformen dessen, was wir heute als Journalismus bezeichnen, gehen im deutschen Sprachraum bis ins 14. Jahrhundert zurück. Die Berufsgeschichte des Journalismus umfasst somit eine Zeitspanne von mehr als 600 Jahren. Dementsprechend vielfältig sind wissenschaftliche Bemühungen, sie zu erforschen. Es ist hier daher nicht möglich, die Berufsgeschichte des Journalismus von ihren Anfängen bis zur unmittelbaren Gegenwart im Detail nachzuzeichnen. Vielmehr soll in groben Konturen auf einige wichtige Etappen der Entstehung und Entwicklung dieses Berufes verwiesen und damit wenigstens ein grober Überblick geboten werden. Dabei ist vorab festzuhalten, dass die Berufsgeschichte des Journalismus untrennbar mit der Geschichte des Nachrichtenwesens (Zulieferung von Informationen an die Korrespondentennetze der großen Handelshäuser, Errichtung von Postlinien), der gedruckten Medien (Zeitung, Zeitschrift), später der elektrischen bzw. der elektronischen Medien (Hörfunk, Fernsehen) sowie schließlich der digitalen Medien (Onlinemedien) verbunden ist. Zur Geschichte des Journalismus liegen Periodisierungsversuche vor, von denen jene von Dieter Paul Baumert (1928, 2013) sowie Thomas Birkner (2011, 2012) nachfolgend kurz dargestellt werden.

      In dem von Dieter Paul Baumert 1928 vorgelegten Werk »Die Entstehung des deutschen Journalismus« ist die erste, im eigentlichen Sinn des Wortes zu verstehende Journalismusgeschichte des deutschen Sprachraumes zu sehen. Ihrer kohärenten Systematik, die naturgemäß um seither eingetretene Entwicklungen zu ergänzen ist, kann man auch heute noch folgen. Im Hinblick auf die Zeitspanne von den ersten Anfängen bis zur Vollendung des journalistischen Berufsbildungsprozesses unterscheidet Baumert zwischen vier Phasen bzw. Perioden (vgl. Baumert 1928):

      • In der präjournalistischen Periode (bis zum Ausgang des Mittelalters) sind Nachrichtenüberbringer in Sendboten, wandernden Spielleuten und berufsmäßigen Dichtern und Sängern zu sehen, die (in Reim und Lied gefasste) Neuigkeiten in die Öffentlichkeit trugen – aber auch in Historiographen, fürstlichen Sekretären und Chronisten, die von Amts wegen ihnen zugängliche Quellen als (Nachrichten-)Material benutzten.

      • In der Periode des korrespondierenden Journalismus (frühe Neuzeit) belieferten Handelsleute, Konsulats- und Stadtschreiber, Beamte und Diplomaten, aber auch Angehörige gebildeter Schichten und politisch Interessierte Informationen an die im 16. Jahrhundert entstehenden (unperiodisch erscheinenden) »Avisenblätter« sowie – ab dem 17. Jahrhundert – an Postmeister und Drucker. Die »Zeitungs- bzw. Nachrichtensammler« (das Wort »Zeitung« hatte damals die Bedeutung von »Nachricht«) waren auf zuverlässige Korrespondenten angewiesen. Innerhalb der Zeitungen selbst allerdings übten sie keine »journalistische« Tätigkeit aus.

      • Ab Mitte des 18. Jahrhunderts entstand nicht zuletzt im Gefolge der Aufklärung der schriftstellerische (und politische) Journalismus; daher spricht man von der Periode des schriftstellerischen Journalismus. Er fand seine Ausdrucksform zuerst in der Zeitschriftenliteratur, floss im Weiteren aber in die Zeitungen ein und trug zur literarischen Veredelung der Zeitung bei. Protagonisten des politisch-literarischen Journalismus waren u. a. Joseph Görres (Rheinischer Merkur) sowie der junge Karl Marx (Rheinische Zeitung).

      • Der redaktionelle Journalismus, wie wir ihn auch heute noch kennen, entstand um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Aufhebung der Zensur, die eine rapide Ausdifferenzierung des Zeitungswesens zur Folge hatte. Die Aufgaben des Redakteurs bestanden (und bestehen) aus dem selbstständigen [114]Referieren über Tagesereignisse (korrespondierende Leistung), aus dem Selektieren, Prüfen, Sichten, Kürzen etc. eintreffender Nachrichten (redigierende Leistung) sowie aus tagesliterarischem Schaffen z. B. im Feuilleton (schriftstellerische Funktion). Redakteure arbeiten seither in stets komplexer werdenden Medienorganisationen.

      Von Walter Hömberg wurde die Leistung Dieter Paul Baumerts jüngst neu gewürdigt (Hömberg 2012) und dessen 1928 erschienene Sozialgeschichte des Journalismus in einer Neuauflage herausgebracht (Baumert 2013).

      Die Vollendung des journalistischen Berufsbildungsprozesses im 19. Jahrhundert wurde von Jörg Requate detailreich und international vergleichend aufgearbeitet (vgl. Requate 1995). ln der Periode des redaktionellen Journalismus entfaltete sich die journalistische Tätigkeit zum Ganztagesberuf, der nun hauptberuflich ausgeübt wurde. Er ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gekennzeichnet von der Herausbildung der Zeitungsressorts (Politik, Lokales, Wirtschaft, Feuilleton, Sport), vom Aufkommen der Korrespondenz- bzw. Nachrichtenbüros, von der Nutzbarmachung der Telegrafie für den Zeitungsnachrichtendienst sowie vom organisierten Pressestellenjournalismus. 1904 gab es im Deutschen Reich rund 4.600 Journalisten. Bemühungen, sich gleichsam im Sinne einer Profession in Berufsverbänden zu organisieren, gab es gegen Ende des 19. Jahrhunderts. 1895 wurde der »Verband deutscher Journalisten- und Schriftstellervereine« gegründet, 1909 folgte der »Bund deutscher Redakteure« und 1910 der »Reichsverband der Deutschen