[101]3.3.7 Neue Kompetenzen
Noch nicht erwähnt wurde, dass sich in der elektronisch mediatisierten Kommunikation (insbesondere auch im Web 2.0) die Anforderungen an die kommunikative Kompetenz der Teilnehmer oder, um in der neuen Terminologie zu bleiben, der Beteiligten auf Nutzerseite erhöhen. Forscher diskutieren das unter dem Begriff ›Medienkompetenz‹ (Media Literacy). Medienkompetenz setzt sich zusammen aus (vgl. Krotz 1995, S. 455f; Sutter 2010; Potter 2012):
• der Kompetenz, auf der Suche nach geeigneten Kommunikationsangeboten mit »Informationsüberflutungen autonom umgehen« zu können (Krotz 1995, S. 455), aggressiven Kommunikationsangeboten »nicht zu unterliegen« (ebd.) und sich genau das an Informationen zu holen, was man braucht (die Selektions- und Beschaffungskompetenz);
• der Kompetenz, den multimedialen Charakter vieler Netzangebote auszuschöpfen, »also die Fähigkeit der Berücksichtigung aller darstellenden Formen Bild, Ton, Wort, Schrift [und Grafik]« (ebd.) – Krotz (1995, S. 455) nennt sie »Code-Kompetenz«;
• der Kompetenz, mit Geräten der computervermittelten Kommunikation (Computer, Smartphone o. Ä.) und mit Netzangeboten souverän umzugehen (»informationstechnische Kompetenz«; Krotz 1995, S. 455). Man denke z. B. an all die Daten, die über soziale Netzwerke von Jugendlichen preisgegeben werden, weil die Einstellungen zum Schutz der Privatsphäre komplex sind oder die Anbieter diesen Schutz unter Umständen gar nicht unterstützen (Stichwort: Transparenz im Web 2.0, vgl. Kap. 3.3.3); Dazu gehört allerdings nicht nur das Wissen, welche Einstellungen man vornehmen muss, um die Privatsphäre in virtuellen Netzwerken zu schützen, sondern auch das Bewusstsein, dass dies notwendig ist (vgl. z. B. Reinecke/Trepte 2008).
• die Kompetenz, »Status und Qualität, Wichtigkeit und Konsequenz einer Information« (Krotz 1995, S. 456) richtig einschätzen zu können (»Beurteilungskompetenz«).
Hier wird deutlich, dass elektronisch mediatisierte Kommunikation möglicherweise Wissensklüfte, aber auch Informations- und Kompetenzklüfte in der Gesellschaft begünstigen kann. Es ist nachgewiesen, dass formal höher gebildete junge Menschen sowie Personen mit höherem sozioökonomischem Status die Welt der computervermittelten Kommunikation rascher erobern, ihre Angebote nutzen und sich in ihr auch besser zurechtfinden. Da inzwischen jedoch mehr als drei von vier Deutschen im Netz sind und die Dienste im Web 2.0 zunehmend habitualisiert genutzt werden, scheint für industrialisierte westliche Gesellschaften ein Ende des digitalen Grabens in Sicht (vgl. van Eimeren/Frees 2011, 2012; Busemann/Gscheidle 2012). Dazu trägt sicherlich begünstigend bei, dass die materiellen Aufwendungen zur Anschaffung der Geräte sowie die Telekommunikationskosten, die die Teilnahme und Teilhabe an computervermittelter Kommunikation erfordern, seit Beginn der 2000er-Jahre deutlich gesunken sind.
Ebenso muss man auf die Problematik der Virtualisierung von Beziehungen und Gemeinschaften durch computervermittelte Kommunikation hinweisen. »Wenn die persönliche und private Kommunikation […] künftig in nennenswertem Umfang computervermittelt erfolgt, dann stellt sich die Frage, ob und in welchem Maße sich die Qualität unserer Sozialbeziehungen verändern wird« (Beck/Glotz/Vogelsang 2000). Dieses Gebiet wird intensiv erforscht.
Mit dem Thema elektronisch mediatisierte Kommunikation eröffnet sich für die Kommunikationswissenschaft ein neues und sich gegenwärtig rapide ausweitendes Forschungsfeld. Hier wurde nur versucht, den Begriff zu erläutern und einige seiner wichtigsten Facetten aufzuzeigen. Es ist hier hingegen nicht möglich, im Detail darzulegen, wie alle gesellschaftlichen Bereiche inzwischen von computervermittelter Kommunikation durchdrungen sind und welche Folgen daraus für Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik resultieren.
[102]Literatur
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