In pluralistischen demokratischen Systemen wie der Bundesrepublik Deutschland werden den Massenmedien aus einer idealistischen normativen Sicht wichtige Funktionen zugewiesen: Sie sollen eine demokratiepolitisch wichtige Aufgabe erfüllen, indem sie nicht nur Öffentlichkeit über gesellschaftlich relevante Vorgänge in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur herstellen, sondern v. a. auch Kritik- und Kontrollaufgaben wahrnehmen, indem sie auf die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien bei Gesetzgebung (Legislative), Gesetzesvollzug (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) sorgfältig achten. Sie sind idealiter in das Prinzip der Gewaltenteilung eingebunden. Gleichwohl stellen Medien und Journalismus keine »Vierte Gewalt« (Publikative) dar: Weder sieht dies das Grundgesetz vor, noch verfügt die Mehrheit der Journalisten über die dazu erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen. Nicht zu übersehen ist in diesem Kontext zudem, dass große Medienbetriebe selbst mächtige Institutionen darstellen und Interessen verfolgen, sich damit also die Frage nach der »Kontrolle der Kontrolleure« stellt.
[117]In den meisten pluralistischen Demokratien westlichen Typs ist in der Ausübung des journalistischen Berufs ein Jedermannsrecht zu sehen. Dies ist auch in Deutschland der Fall. Daher ist hier die Berufsbezeichnung Journalist auch nicht geschützt. Begründet wird dies mit Art. 5 des Grundgesetzes, wonach »jeder […] das Recht (hat), seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]«. Folgerichtig ist der Zugang zum Beruf im Prinzip auch nicht an spezielle Voraussetzungen oder Ausbildungsgänge gebunden. (Dies schließt freilich nicht aus, dass sich Journalisten angesichts zunehmender Komplexität von Vorgängen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur mehr denn je eine besonders qualifizierte Ausbildung angedeihen lassen sollten – vgl. Kap. 4.1.1.3). In Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes ist auch die wichtigste Rechtsgrundlage der journalistischen Arbeit zu sehen. Er verbürgt einerseits die Pressefreiheit als individuelles (Abwehr-)Recht für jeden einzelnen Bürger und garantiert andererseits die Freiheit der Medien von jeglicher staatlichen Einflussnahme. Weitere relevante Rechtsgrundlagen für den Journalismus sind (nicht zuletzt auf Grund der föderativen Struktur Deutschlands) u. a. in den Landesverfassungen und Landespressegesetzen, in medienrelevanten zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen sowie in zahlreichen anderen Rechtsmaterien zu sehen (vgl. Pürer/Raabe 2007, S. 331ff).
Zu erwähnen ist in diesem Kontext, dass die Journalisten zur Erfüllung ihrer öffentlichen und dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe einerseits mit Sonderrechten ausgestattet sind, ihnen andererseits aber auch besondere Pflichten auferlegt werden. Zu den Sonderrechten (vgl. Pürer/Raabe 2007, S. 354ff) gehören z. B. der besondere Auskunftsanspruch gegenüber Behörden, das Zeugnisverweigerungsrecht (Informantenschutz) sowie die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses (Beschlagnahmeverbot von eigenbeschafften Unterlagen, Durchsuchungsverbot). Zu den besonderen Pflichten zählen die Verpflichtung zur Berichtigung falscher Nachrichten sowie v. a. die Sorgfaltspflicht: Sie hält Journalisten an, alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung genau auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.
4.1.1.3 Ausbildung und Sozialisation im Journalismus
Da, wie erwähnt, Pressefreiheit ein Jedermannsrecht ist, ist der Berufszugang in den Journalismus prinzipiell offen und nach wie vor nicht an eine formalisierte Ausbildung gebunden. (»Eine staatliche Ausbildung wäre […] nur für den Fall zulässig, in dem Journalisten unzureichend ihre öffentliche Aufgabe erfüllen würden und damit die Pressefreiheit selbst gefährdet wäre« – Donsbach 2009, S. 98) In die Qualifikation von Journalisten wurde seitens der Medienbetriebe für lange Zeit (unverständlicherweise) nur wenig Aufwand und Mühe investiert, dem klassischen, einer Lehre vergleichbaren Volontariat nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Für lange Zeit galt der Journalismus v. a. unter Medienpraktikern gar als »Begabungsberuf«, der nicht erlernbar sei. Diese befremdende und überholte Auffassung (um nicht zu sagen: Ideologie) ist heute nur noch selten vorzufinden. Im Gegenteil: Da 1) zunehmend viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens einer wissenschaftlichen Durchdringung unterliegen, 2) zahlreiche Vorgänge in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur infolge ihrer hohen Komplexität nur noch schwer zu durchschauen sind und 3) immer größer werdende Informationsmengen zu bewältigen sind, hat sich weithin die Einsicht durchgesetzt, dass (nicht nur – aber v. a.) im Informationsjournalismus tätige Personen über eine gute Ausbildung verfügen sollten.
Die Forderung nach qualifiziert ausgebildeten Journalisten kam Anfang der 1970er-Jahre auf. Damals konnte in einer bundesweit unter Zeitungsvolontären durchgeführten Umfrage empirisch nachgewiesen werden, dass die redaktionelle Ausbildung den Anforderungen an einen modernen Journalismus weitgehend nicht entsprach (vgl. Kieslich 1971, 1974). In einem vom Deutschen Presserat initiierten und (zunächst 1971 und dann 1973) von Verlegern, Journalisten und Wissenschaftlern erarbeiteten [118]»Memorandum zur Journalistenausbildung« (siehe Aufermann/Elitz 1975, S. 286ff) wurden Empfehlungen zur Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten von Journalisten festgehalten. Es entfaltete sich daraufhin in weiten Bereichen des Medienwesens eine heftige Ausbildungsdebatte, die in der Kommunikationswissenschaft in eine Diskussion über die Professionalisierung des Journalismus mündete (vgl. Publizistik 19:1974 Heft 3–4 sowie Publizistik 20:1975, Heft 1–2; vgl. Aufermann/Elitz 1975). Ihr ursprünglich aus den USA stammender Grundgedanke war, angesichts gestiegener Berufsanforderungen für den Journalismus u. a. ähnliche Ausbildungs- und Zugangsregeln zu schaffen wie sie etwa für klassische Professionen (Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte etc.) gelten und die Journalisten auf verantwortungsethisches Handeln zu verpflichten. Zu einer solchen – allgemein verbindlichen – Professionalisierung des journalistischen Berufs kam es aber aus mehreren Gründen nicht: So wurde sie mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht für vereinbar gehalten. Außerdem wurde eingewendet, eine vereinheitlichte Journalistenausbildung könnte zu einer Homogenisierung der Weltsicht der Journalisten führen, was die Vielfalt der Meinungen beeinträchtigen könnte. Auch wurde befürchtet, dass die Professionalisierung des Journalismus zu einer Abschirmung der Journalisten vom Publikum führt. Last but not least wurde argumentiert, dass der Journalist der Wahrheit verpflichtet sei und somit auch gesinnungsethisch handeln müsse; ihm könne und dürfe – nicht zuletzt infolge unzureichender Kenntnisse der Medienwirkungsforschung – (ausschließlich) verantwortungsethisches, also an den vermeintlichen oder wirklichen Folgen orientiertes Handeln, nicht abverlangt werden (vgl. Kepplinger/Vohl 1976).
Gleichwohl gingen von dieser Ausbildungsdebatte zahlreiche Impulse und Initiativen für die Verbesserung der Ausbildung von Journalisten aus. So wurden in der Folge an mehreren Universitäten Diplomstudiengänge für Journalistik errichtet, universitäre und außeruniversitäre studien- und berufsbegleitende Ausbildungseinrichtungen geschaffen, neue Journalistenschulen etabliert und auch dem Volontariat mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Ausbildungsvertrag zwischen Verlegerund Journalistenverbänden, der das zweijährige Volontariat in Zeitungsverlagshäusern inhaltlich regelt, kam allerdings erst viele Jahre später, nämlich 1990 zu Stande.
Mindestvoraussetzung, um heute im Journalismus tätig zu sein, ist der Nachweis des Abiturs. In zahlreichen Zeitungs- und Rundfunkredaktionen ist für den Einstieg in den Journalismus ein abgeschlossenes (Fach-)Studium unabdingbar. Es gibt auch mehrere Wege, die in den Journalismus (Print-, Funk-, Onlinemedien) führen. Zu erwähnen sind insbesondere folgende:
• Das klassische Volontariat: Es dauert in den Zeitungsverlagshäusern zwei Jahre, führt den Volontär durch mehrere Ressorts und vermittelt in aller Regel eine gute praktisch-handwerkliche Ausbildung.
• Freie Journalistenschulen: Die Ausbildung findet in Kompaktkursen statt, die 18 bis 24 Monate dauern und neben einer soliden, teils mehrmedialen praktisch-handwerklichen Ausbildung (Print, Funk, Online) auch medien- und berufskundliche Inhalte vermitteln.
• Universitäre Ausbildungsgänge in Form von Bachelor- und Masterstudiengängen Journalismus: Sie integrieren eine crossmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung mit einer theoretisch-kommunikationswissenschaftlichen. Es gibt darunter Masterstudiengänge, deren Studierende ein Bachelor- oder Masterstudium in einem anderen Fach (Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Literaturwissenschaft etc.) abgeschlossen haben, sodass viele von ihnen über inhaltliche Voraussetzungen für die Tätigkeit in einem Ressort verfügen.