3.3.1 Elektronisch mediatisierter Kommunikationsraum
Früher war (technisch) vermittelte Kommunikation – ob Telekommunikation oder Massenkommunikation – »auf recht genau umgrenzte Sinnprovinzen […] und abgegrenzte soziale Welten […] beschränkt« (Krotz 1995, S. 446): Man las die Zeitung, sah etwas Bestimmtes im Fernsehen, telefonierte mit jemandem oder arbeitete am Computer. Heute leben wir in einem allumfassenden elektronisch mediatisierten Kommunikationsraum, der zeitgleiche kommunikative Handlungen mit unterschiedlichen Medien ermöglicht: »Man kann […] zu Hause am PC sitzen, online ein Computerspiel spielen, dabei am Telefon mit einem Bekannten sprechen, der auf seinem Bildschirm beobachtet, wie sich das Spiel im Wettkampf mit anderen Beteiligten entwickelt und dies kommentiert, und gleichzeitig läuft in einem Bildschirmausschnitt noch eine Musiksendung von MTV. Ein solcher User steht [90]also gleichzeitig in einer Vielfalt elektronisch mediatisierter kommunikativer Bezüge, die bisher im Wesentlichen für sich stattfanden. Ihre Gemeinsamkeit ist, dass es sich um elektronisch mediatisierte Kommunikation handelt, mit was oder wem auch immer« (ebd.). Dabei ist man freilich nicht einmal mehr an den heimischen Telefonanschluss gebunden. Mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablet-PCs ermöglichen einen Internetzugang von (fast) jedem beliebigen Ort aus.
Aus der Sicht des Rezipienten, Konsumenten bzw. Users wuchsen mehrere einst voneinander getrennte Kommunikationsformen zusammen und entwickelten sich in direktem Bezug zueinander weiter. Dabei entstanden bzw. entstehen auch nach wie vor neue Kommunikationspotenziale und Dienste, die wiederum neue Kommunikationsformen bzw. -modalitäten erfordern (vgl. Krotz 1995, S. 447). Bereits vor knapp 20 Jahren hat Friedrich Krotz (1995) Merkmale und Konsequenzen aus dieser Entwicklung zusammengefasst – seine Argumentation ist in Grundzügen noch immer gültig, wird an dieser Stelle aber aktualisiert (bzw. erweitert):
Markantes Kennzeichen des elektronisch mediatisierten Kommunikationsraumes ist, »dass sich für das kommunizierende Individuum die Kommunikationspartner Mensch, Computer oder massenmedial ausgerichtetes Produkt […] vermischen, dass also die Differenz zwischen technisch vermittelter interpersonaler und medien- sowie computerbezogener« kommunikativer Handlung sich reduziert (Krotz 1995, S. 477; Hervorhebung i. Orig.).
• Der Kommunikationsraum hat sich zwar »zu einer eigenständigen Totalität von kommunikativem Geschehen« ausgeweitet, »mit eigenen Normen und Werten, eigener Kultur und Institutionen, mit Machtstrukturen und subversiven Elementen« (Krotz 1995, S. 448). Traditionelle Institutionen bemühen sich jedoch verstärkt, diesen Raum gleichermaßen zu kontrollieren (Stichworte: Datenschutz, Schutz der Privatsphäre, Forenhaftung etc.).
• So gut wie alle Arbeitsbereiche sind in diesen Kommunikationsraum integriert. Als Beispiele seien hier Telearbeit, Telebanking, E-Learning, Industrie und Handel (E-Commerce) sowie Werbung genannt.
• Der Kommunikationsraum ermöglicht eine Erweiterung der menschlichen Kommunikation insofern, als die möglichen Kommunikationspartner z. B. via E-Mail oder Chat, in Onlineforen (auf der Suche nach Hilfe und Rat), durch ›Freundschaftsanfragen‹ in virtuellen sozialen Netzwerken sowie das Mitspielen in Onlinerollenspielen beliebig vermehrt werden können. Die kommunikativen Praktiken bleiben auch nicht ohne Auswirkungen auf Interessen, Gefühle, kommunikative Erwartungen und Weltwissen der Nutzer – insgesamt also auf Kultur und Gesellschaft, auf Alltag und Individuen (vgl. z. B. Hepp/Vogelgesang 2008; Krotz 1995, S. 448).
• Dieser universelle Kommunikationsraum wird insbesondere durch viele kleinere Kommunikationsforen, wie sie im Internet zu finden sind, konstituiert. In vielen Bereichen sind diese weitgehend entgeltfrei zugänglich, gleichwohl entwickeln sie sich dennoch unter dem »Primat der Ökonomie« (Werbung, E-Commerce, teilweise auch Gebühren). Existiert eine entsprechende Technologie (wie sie z. B. Facebook bietet), können soziale Netzwerke entstehen bzw. abgebildet werden; diese kreieren neue Formen von Öffentlichkeiten, die sich als »persönliche Öffentlichkeiten« (Schmidt 2012) beschreiben lassen.
• Im allumfassenden elektronisch mediatisierten Kommunikationsraum verschmelzen Formen technisch vermittelter Individual- (z. B. E-Mail), Gruppen- (Teilnahme an Foren, sozialen Netzwerken) und Massenkommunikation (z. B. Lektüre des Onlineangebots einer Zeitung). Massenkommunikation ist folglich ein Element computervermittelter Kommunikation. Massenkommunikation im traditionellen Sinne wird aber sicher nicht verschwinden: »Sie wird als Spezialfall erhalten bleiben, auf den auch in absehbarer Zukunft ein großer Teil der Kommunikation in diesem Kommunikationsraum entfallen wird« (Krotz 1995, S. 450).
[91]Sofern nicht interpersonal bzw. teilöffentlich, also zu zweit oder auch in Gruppen, kommuniziert wird (z. B. Chat, Foren, soziale Netzwerke, Onlinerollenspiele), bleibt die meiste elektronisch mediatisierte Kommunikation eine Kommunikation mit vorgefertigten Produkten und bleibt Handeln im elektronischen Kommunikationsraum auf ein zunehmend differenzierteres Auswählen beschränkt, auch wenn »man selbst leichter eine Mitteilung einbringen kann. […] Eine echte und aktive Gestaltung von Kommunikation wird […] auch weiterhin nur in interpersonaler Kommunikation möglich sein« (Krotz 1995, S. 455). Repräsentative Studien zeigen ohnehin, dass Internetnutzer nur in begrenztem Maße daran interessiert sind, sich aktiv an der Kommunikation in einer breiten Öffentlichkeit zu beteiligen, und das Kommunizieren zumeist auf ihre persönlichen Öffentlichkeiten beschränken (vgl. Busemann/Gscheidle 2010, 2011, 2012, S. 382f).
3.3.2 Der Computer als Kommunikationsmedium
Durch die Integration von Computer- und Telefontechnik wuchs die Bedeutung des Computers als Kommunikationsmedium. Über Plattformen und Dienste im World Wide Web ist es Nutzern mithilfe von Computern möglich, neue Formen bzw. Modi der Individual-, Gruppen- und Massenkommunikation zu realisieren. Von Joachim R. Höflich stammt der Versuch, die Anwendungs- und Nutzungsmöglichkeiten des Computers innerhalb sog. Medienrahmen zu verorten. Der (internetfähige) Computer stellt ein Kommunikationsmedium dar, das in sich distinkte, d. h. voneinander klar unterscheidbare Medienrahmen vereint, »die bislang auf separate Medien aufgeteilt waren oder aber so vorher noch nicht bestanden haben. Von einem Medienrahmen soll […] gesprochen werden, wenn ein Medium benutzt und damit eine (gemeinsame) Mediensituation hergestellt wird« (Höflich 1999, S. 45). Unter einem »Computerrahmen« versteht man folglich jene computervermittelte Mediensituation, in die die kommunikativen Handlungen der Nutzer eingebunden sind.