Autonome – heteronome Verbesserungen
Eine weitere elementare Unterscheidung ist die zwischen einem „autonomen, dezentralen, individuellen“ und einem „heteronomen“ und in den meisten Fällen „zentralen, staatlichen“ Enhancement (vgl. GesangGesang, Bernward, 38f./BrockBrock, Dan 1998, 52ff.). In aktuellen Diskussionen über Selbstoptimierung und Enhancement wird ohne weitere Angaben stets von einem autonomen, freiwilligen EnhancementEnhancementautonomes, freiwilliges ausgegangen, bei dem ein freies, autonomes Wesen Urheber der Optimierungsmaßnahmen ist. Es ist also das Individuum selbst, das sich freiwillig für Veränderungen entscheidet, die es persönlich für Verbesserungen hält. Diese Form der Selbstoptimierung wird auch als „liberales Enhancement“ bezeichnet, weil im Liberalismus die individuelle Freiheit großgeschrieben wird (vgl. AgarAgar, Nicolas 2004, 5/GesangGesang, Bernward, 38). Beim heteronomen, staatlichen EnhancementEnhancementheteronomes, staatliches legen im Gegensatz dazu der Staat oder andere Menschen fest, was eine Verbesserung sein soll. Die Optimierungsziele werden den Einzelnen also von außen vorgegeben und eventuell sogar mit einem geeigneten Sanktionensystem durchgesetzt. Formen eines repressiven „heteronomen, staatlichen Enhancements“ finden sich real nur in totalitären Staaten, wo ein diktatorisches Regime auf der Grundlage demokratiefeindlicher politischer Programme fragwürdige „Verbesserungen“ durchzusetzen versucht wie in der Vergangenheit im nationalsozialistischen Deutschland mit seinem Eugenik-Programm oder in der Gegenwart im kommunistischen China mit einem noch im Aufbau befindlichen Social-Credit-System. Da ein solches diktatorisches heteronomes Enhancement mit den in liberalen Demokratien garantierten Freiheitsrechten unvereinbar ist, geht es in aktuellen Debatten fast ausschließlich um ein autonomes, freiwilliges Enhancement. Als gangbares Zwischenmodell zwischen einem radikalen marktliberalen und einem diktatorischen heteronomen Enhancement-Modell werden am Rande aber auch die demokratisch legitimierte Form eines Enhancementsozialdemokratischessozialdemokratischen Enhancements diskutiert, bei dem zentral gesteuerte Maßnahmen zur Förderung von menschlichen Grundgütern und -fähigkeiten oder zur Vermeidung großer Nachteile für Individuum oder Gesellschaft auf demokratische Weise beschlossen werden (vgl. BrockBrock, Dan 1998, 53/GloverGlover, Jonathan, 51). Letztlich kommt ein bürgerliberaler Staat mit einer sozialen Marktwirtschaft zumindest um eine gesellschaftliche Rahmenordnung mit Restriktionen für ein marktliberales Enhancement nicht herum, um eine weitere Verschärfung gesellschaftlicher Ungleichheit zu vermeiden (vgl. GesangGesang, Bernward, 52f./BuchananBuchanan, Alan u.a., 339f.). Die Bürger könnten dann aber unter den staatlich erlaubten oder sogar finanziell unterstützten Hilfsmitteln immer noch frei auswählen oder darauf verzichten.
Moderate – radikale Verbesserungen
Als wichtig erachtet wird oft auch der Gegensatz von „moderatenEnhancementmoderates“ und „radikalenEnhancementradikales“ Verbesserungen (vgl. AgarAgar, Nicolas 2014, 2f./GesangGesang, Bernward, 39f.): Bei moderaten Verbesserungen werden die beim Menschen bereits vorhandenen Eigenschaften und Fähigkeiten in moderaten, d.h. bescheidenen oder gemäßigten Schritten gesteigert, sodass sie innerhalb oder nahe an den bereits menschenmöglichen bleiben. Die etwa von Trans- oder Posthumanisten anvisierten radikalen Verbesserungen sind demgegenüber extreme Steigerungen auf Spitzenwerte, die bisher von Menschen noch nicht erreicht wurden. So könnte beispielsweise eine Steigerung der Intelligenz bis etwa 10 Punkte im IQ-Test als moderat, die um 100 Punkte hingegen als radikal bezeichnet werden. Die Verteidiger dieser begrifflichen Abgrenzung geben zwar zu, dass die Trennlinie zwischen moderatem und radikalem Enhancement nur vage und grob angegeben werden kann (vgl. Agar 2014, 3/GesangGesang, Bernward, 41). Sie sei aber aus ethischen Gründen außerordentlich wichtig, weil nur moderate Verbesserungen ethisch erlaubt werden könnten. Dafür werden zum einen moralische Gründe geltend gemacht, die auf negative Folgen eines radikalen Enhancements für andere Menschen oder die Gesellschaft aufmerksam machen: Da solche radikale Verbesserungen durch traditionelle Methoden wie Training und Bildung nicht mehr kompensiert werden können, wären Naturbelassene stark benachteiligt und es könnte schlimmstenfalls zu einer Spaltung der Gesellschaft kommen (vgl. Agar 2014, Kap. 8/GesangGesang, Bernward, 52f.). Zum anderen werden individualethische, das Glück der Einzelnen betreffende Gründe angeführt (vgl. AgarAgar, Nicolas, Kap. 2–5): Obwohl objektiv betrachtet jede Steigerung wünschenswerter Fähigkeiten eine Verbesserung darstelle, nehme die Bedeutung von neuen, sich von bisherigen Standards weit entfernenden Erfahrungen für die Menschen selbst von einem bestimmten Punkt an notwendig wieder ab (vgl. 3f.; 17). Allerdings erfolgen selbst die von Posthumanisten angestrebten radikalen Verbesserungen faktisch immer schrittweise im Laufe einer längeren technischen Entwicklungsphase, während der sich menschliche Vorstellungskraft, Tätigkeitsfelder und Normen kontinuierlich anpassen können. Individualethisch fatal wären nur eher unwahrscheinliche Identitätsverluste oder Entfremdungserfahrungen infolge radikaler plötzlicher Veränderungen (vgl. ebd., Kap. 4). Gegen die angeblich ethisch zentrale Unterscheidung zwischen radikalem und moderatem Enhancement spricht außerdem, dass moderates Enhancement prinzipiell kumulierbar ist und viele moderate Verbesserungen ein radikales Enhancement ergeben. Um die erwähnte moralische Gefahr zu bannen, müsste die Grenze eines moderaten EnhancementsEnhancementmoderates daher absolut angegeben und staatlich kontrolliert werden können (vgl. GesangGesang, Bernward, 65).
Intrinsische – extrinsische Verbesserungen
Zumeist eher implizit werden „intrinsische“ und „extrinsische“ Optimierungsziele und damit „intrinsische“ und „extrinsische Verbesserungen“ voneinander abgegrenzt (vgl. Agar, 18; 26/ GesangGesang, Bernward, 47): EnhancementintrinsischesIntrinsische Verbesserungen tragen ihren Wert in sich selbst, indem sie den optimierten Individuen zu in sich wertvollen Eigenschaften und Fähigkeiten oder zu dadurch ermöglichten selbstzweckhaften Tätigkeiten verhelfen.Tätigkeitenintrinsische/praxisorientierte Intrinsische Güter sind Zustände oder Tätigkeiten, die wie z.B. Freude, Lust, Spazieren oder Musizieren ungeachtet ihrer nützlichen Folgen um ihrer selbst willen gewünscht werden und zu einem guten Leben beitragen (Kap. 2.1). EnhancementextrinsischesExtrinsische Verbesserungen jedoch haben lediglich instrumentellen Wert und werden aufgrund „externer“ äußerer Vorteile für die Betroffenen selbst oder andere Personen geschätzt. Tätigkeitenextrinsische/ergebnisorientierteTypische externe Ziele sind äußere Belohnungen, soziale Anerkennung und beruflicher Erfolg. Diese begrifflich scharfe Entgegensetzung suggeriert jedoch fälschlicherweise eine Aussließlichkeit. Denn die meisten im Rahmen der Selbstoptimierung vorgenommenen Veränderungen stellen ebenso intrinsische wie auch extrinsische Verbesserungen dar, weil die erreichten besseren Eigenschaften oder Fähigkeiten sowohl von intrinsischem als auch extrinsischem Wert sind: So können z.B. pharmakologisch optimierte kognitive Fähigkeiten nicht nur die Karriere befördern, sondern auch viel Freude und Zufriedenheit beim effizienteren Erlernen neuer Sprachen, beim verfeinerten Kunstgenuss oder wissenschaftlichem Arbeiten mit sich bringen. Infolgedessen greift der häufige Vorwurf gegen das Selbstoptimierungsstreben insgesamt oder gegen ein radikales Enhancement zu kurz, es gehe dabei statt um intrinsische lediglich um extrinsische Güter. Da individuelle Optimierungsmaßnahmen prinzipiell auch wegen intrinsischer Güter vorgenommen werden können, sind Selbstoptimierung und Enhancement nicht notwendig auf externeEnhancementextrinsisches, Enhancementmoderatesinstrumentelle Gütern eingeschränkt. Lediglich bestimmte Formen oder Mittel der Selbstoptimierung wie beispielsweise die digitale Selbstvermessung drohen die intrinsische Motivation etwa am Laufen zu schmälern, sofern