Europäische Urbanisierung (1000-2000). Dieter Schott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dieter Schott
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846340257
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auch in der Holzverarbeitung, wo ländliche Schreiner Holzräder, Fassdauben oder Bettgestelle produzierten, die Endverarbeitung und das Beschlagen mit Eisenteilen dann aber in der Stadt ausgeführt wurde. Köln profilierte sich als Zentrum der Metallverarbeitung, wo die im Umland (u. a. Bergisches Land, Siegerland) produzierten halb fertigen Metallwaren in Köln dann poliert, geschliffen und vermarktet wurden.60 Dieses Verlagssystem, eine europaweite Erscheinung der stärker gewerblich konzentrierten Regionen, wurde von Wirtschaftshistorikern auch als „Protoindustrialisierung“ bezeichnet.61 Damit war nicht die Einführung arbeitssparender Maschinen gemeint, sondern vielmehr der sozialgeschichtliche Prozess einer Herauslösung der unterbäuerlichen Schichten aus den traditionellen Begrenzungen vormoderner Landwirtschaft. Zugleich entstand durch die ländliche gewerbliche Arbeit ein erheblicher Druck auf die zünftische Organisation von Gewerbe in den Städten.

      Städte waren folglich in unterschiedlichem Maße abhängig von der Verfügbarkeit wichtiger Ressourcen. Essenzielle Ressourcen, wie zum Beispiel der Wald, liefen Gefahr, [<<86] aufgrund übermäßiger Beanspruchung zu stark ausgebeutet zu werden, was die Städte je nach ihrer politischen und verkehrswirtschaftlichen Lage zu unterschiedlichen Strategien zwang: Intensive machtpolitische Dominanz und erhaltungsorientierte Bewirtschaftung etwa im Fall Nürnberg ohne größeren schiffbaren Fluss, Nutzung weiter entfernter Waldbestände durch Flößerei und Triften in Städten mit besserem Zugang zu Wasserwegen. Nahrungsmittel wurden je nach Transportierbarkeit bzw. Verderblichkeit vorzugsweise aus dem näheren Umland bezogen, teilweise, wo hohe Bevölkerungskonzentrationen einerseits (Flandern), aber auch günstige Verkehrslage dies ermöglichten, auch aus weiter entfernten Regionen (Getreide Ostsee, Baltikum). Die Ressourcenbedürfnisse der Städte spielten auch eine wichtige Rolle in der Motivation für die Etablierung städtischer Territorien. Insgesamt können wir für das Spätmittelalter und die frühe Neuzeit eine – allerdings nicht durchgehend lineare –Tendenz zu weiträumigerer Versorgung und zur Entfaltung großräumiger Arbeitsteilung zwischen urbanisierten und gewerblich verdichteten Kernzonen Europas im Nordwesten und in Norditalien einerseits und deutlich dünner besiedelten peripheren Regionen im Osten und Südosten Europas (Viehzucht – große Viehtriebe) andererseits beobachten. [<<87]

      1 Franz Irsigler: Bündelung von Energie in der mittelalterlichen Stadt. Einige Modellannahmen, in: Saeculum 42 (1991), S. 308–318, hier 309.

      2 Vgl. etwa James A. Galloway/Derek Keene/Margaret Murphy: Fuelling the City: Production and Distribution of Firewood and Fuel in London’s Region, 1290–1400, in: Economic History Review, XLIX (1996), S. 447–472.

      3 Ernst Schubert: Der Wald. Wirtschaftliche Grundlage der spätmittelalterlichen Stadt, in: Bernd Herrmann (Hrsg.), Mensch und Umwelt im Mittelalter, Stuttgart 1986, S. 252–269.

      4 Karl Kroeschell: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1: Bis 1250, Köln/Weimar/Wien 2008, S. 330.

      5 Nils Freytag/Wolfgang Piereth: Städtische Holzversorgung im 18. und 19. Jahrhundert. Dimensionen und Perspektiven eines Forschungsfeldes, in: Dies./Wolfram Siemann (Hg.): Städtische Holzversorgung. Machtpolitik, Armenfürsorge und Umweltkonflikte in Bayern und Österreich (1750–1850), München 2002, S. 1.

      6 Vgl. John Perlin: History of Wood Energy, in: Encyclopedia of Energy, Vol. 6, 2004, S. 499–507, hier S. 499: “Wood was the primary fuel for the entire world from the discovery of fire to the age of fossil fuels.”

      7 Schubert, Wald, S. 257; vgl. auch Joachim Radkau: Holz. Wie ein Naturstoff Geschichte schreibt, München 2007, S. 21 f., 81–87. Ernst Schubert: Alltag im Mittelalter, Natürliches Lebensumfeld und menschliches Miteinander, 2. Aufl. Darmstadt 2012, bes. S. 36–64.

      8 Vgl. Schubert, Wald, S. 254–257.

      9 Vgl. Sönke Lorenz: Wald und Stadt im Mittelalter. Aspekte einer historischen Ökologie, in: Bernhard Kirchgässner/Joachim B. Schultis (Hrsg.):, Wald, Garten und Park. Vom Funktionswandel der Natur für die Stadt, Sigmaringen 1993, S. 25–34, hier S. 29. u. 33; Schubert, Alltag, S. 43–45: „Auf deutschem Boden wurde ein Gebiet von der Größe Englands dem Wald und der Wildnis abgerungen.“

      10 Vgl. Schubert, Alltag, S. 43.

      11 Vgl. Joachim Radkau: Das Rätsel der städtischen Brennholzversorgung, in: Dieter Schott (Hrsg.): Energie und Stadt in Europa. Von der vorindustriellen „Holznot“ bis zur Ölkrise der 1970er Jahre, Stuttgart 1997, S. 43–75, hier 71.

      12 Vgl. Schubert, Wald, S. 252; Antje Sander-Berke: Spätmittelalterliche Holznutzung für den Baustoffbedarf. Dargestellt am Beispiel norddeutscher Städte, in: Albrecht Jockenhövel (Hrsg.): Bergbau, Verhüttung, Waldnutzung im Mittelalter. Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, Stuttgart 1996, S. 189–203, hier S. 189 f.

      13 Lore Sporhan/Wolfgang v. Stromer: Die Nadelholzsaat in den Nürnberger Reichswäldern zwischen 1469 und 1600, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie, 17 (1969), S. 79–99, hier S. 80.

      14 Vgl. Sporhan/v. Stromer, Nadelholzsaat, S. 80–81; Ursula Dötzer: Der Reichswald – seine Bedeutung für die Stadt und seine Entwicklung vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit, in: Birgit Friedel/Claudia Frieser (Hrsg.): Nürnberg. Archäologie und Kulturgeschichte, Büchenbach 1999, S. 345–348; Radkau, Holz, S. 101–104.

      15 Vgl. Lorenz: Wald, S. 28/29.

      16 Vgl. Lorenz, Wald, S. 28.

      17 Vgl. Sporhan/v. Stromer, Nadelholzsaat, S. 95; Dötzer, Reichswald, S. 346–47.

      18 Vgl. Schubert, Wald, S. 258.

      19 Vgl. Nicole C. Karafylis: „Nur soviel Holz einschlagen wie nachwächst”. Die Nachhaltigkeitsidee und das Gesicht des deutschen Waldes im Wechselspiel zwischen Forstwirtschaft und Nationalökonomie, in: Technikgeschichte 69 (2002), S. 247–273, bes. S. 257 ff.

      20 Vgl. Karte mit Holzversorgungsgebiet von London in Galloway u. a., Fuelling, S. 459.

      21 Galloway u. a., Fuelling, S. 456.

      22 Vgl. Harald Witthöft: Die Lüneburger Saline. Salz in Nordeuropa und der Hanse vom 12.-19. Jahrhundert. Eine Wirtschafts- und Kulturgeschichte langer Dauer, Rahden/Leidorf, 2010, S. 134–137; Hansjörg Küster: Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart, München 1998, S. 152.

      23 Vgl. Antje Sander-Berke: Spätmittelalterliche Holznutzung für den Baustoffbedarf. Dargestellt am Beispiel norddeutscher Städte, in: Albrecht Jockenhövel (Hrsg.): Bergbau, Verhüttung und