Europäische Urbanisierung (1000-2000). Dieter Schott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dieter Schott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846340257
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Produktivitätssteigerung und Spezialisierung, weil sie, im Unterschied zu subsistenzorientierten und risikominimierenden Bauern oder Grundherren eher profitmaximierend dachten.52 [<<82]

      Im Hinblick auf die Entfaltung einer regelrechten städtischen Territorialpolitik können wir sehr deutliche Unterschiede zwischen nord- und süddeutschen Städten feststellen. Während eine größere Anzahl süddeutscher Reichsstädte erfolgreich ihre individuellen ländlichen Besitztümer, Bündel von Rechten für außerstädtische Gebiete und Schutzbündnisse in konsolidierte abhängige Territorien verwandeln konnten, gelang dies im Norden nur wenigen größeren Städten, etwa Bremen, Hamburg, [<<83] Lübeck, Braunschweig und Lüneburg. Scott erklärt diese regionale Varianz auch mit unterschiedlichen Prioritäten: Für die norddeutschen Hansestädte war Frieden und die Sicherung der Handelsrouten wesentlich bedeutsamer als der Erwerb ländlicher Gebiete per se. Viele norddeutsche Städte verließen sich auch stärker auf Hypotheken, d. h. ihr Besitz konnte durch Rückzahlung der Darlehen seitens der Schuldner wieder verloren gehen. Ein Aspekt, warum die Hansestädte weniger Wert auf eine Territorialpolitik legten als süddeutsche Reichsstädte, dürfte auch deren geringere Abhängigkeit von den Ressourcen ihres unmittelbaren Umlandes sein. Während die süddeutschen Städte in der Hauptsache darauf angewiesen waren, ihr Getreide, ihr Holz und die Rohstoffe für ihre gewerbliche Produktion aus einem aus transportwirtschaftlichen Kostengründen relativ nahen Umland zu erhalten, standen den Hansestädten an der Küste auf dem Seeweg weiträumige Versorgungsregionen auch in größeren Entfernungen zu günstigen Transportkosten zur Verfügung. So war für eine Stadt wie Lübeck der Weichselraum, obwohl mehrere hundert Kilometer entfernt, wichtiger als das regionale Hinterland als zusätzliche Basis der Getreideversorgung. Unter den süddeutschen Städten waren Nürnberg (1200 km²) und Ulm (830 km²) am erfolgreichsten in ihrer Territorialpolitik. An dritter Stelle kam Erfurt (610 km²), aber bereits die Städte auf den Rängen 4 und 5, Rothenburg ob der Tauber und Schwäbisch Hall, zeigen, dass ein großes städtisches Territorium einer Stadt nicht zwangsläufig überregionale Bedeutung verlieh.

      Im Rahmen der Umlandpolitik und der Kontrolle der näheren Marktzone, war die Durchsetzung des Marktbanns in der Regel zentral: Die meisten Städte forderten, dass in einer Entfernung von ein bis zwei deutschen Meilen (7,4 bis 14,7 km) keine anderen Märkte stattfinden dürfen. Besonders mächtige und erfolgreiche Städte wie Augsburg konnten eine Bannmeile ihres Marktzwangs von bis zu 10 Meilen (73,6 km) durchsetzen. Leipzig verlieh die Bannmeile entscheidende Konkurrenzvorteile gegenüber Nachbarstädten in der Region.

      4.6 Das Verlagssystem: Arbeitsressourcen des Hinterlands mobilisieren