Jesus Christus. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Издательство: Bookwire
Серия: Themen der Theologie
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846342138
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5–8 und 1Makk 14,41 vor dem Hintergrund von Dtn 18,15.18 und Jes 61,1, s.o. 4.4.1.). Wie in der neutestamentlichen Zeichnung Jesu als Messias sind in den qumranischen und anderen frühjüdischen Texten die Übergänge zwischen den Vorstellungen eines königlichen, priesterlichen und prophetischen Messias fließend (Zimmermann 1998: 470–480; Fabry/Scholtissek 2002: 36–52; Frey 2011: 281–290). Dabei können die frühjüdischen und die neutestamentlichen Messiasfigurationen die Aspekte weiterer zu Erlöserfiguren stilisierter Gestalten der Ur- und Frühgeschichte Israels (Noah, Henoch, Mose, Elia) oder des »Menschensohns« (s.o. 2.3.; 1Henoch 48,2) aufnehmen, auch wenn diese nicht den Titel »Messias« tragen.

      Theologisch entscheidend für die israelitischen und frühjüdischen Geschichtstheologien, in denen Gott mittels eines gegenwärtigen, künftigen oder endzeitlichen Königs handelt, ist ihre durchgehend theozentrische Struktur: Gott ist es, der unbedingt und unabhängig erwählt. Selbst dort, wo der endzeitliche Messias gottähnliche Züge annimmt, bleibt er ein Werkzeug Gottes und der Königsherrschaft Gottes untergeordnet.

      4.6.2. Neben den Königen sind es die Propheten, die in den großen theopolitischen Entwürfen des Alten Testaments als die Gottesgeschichte prägende und deutende Einzelfiguren auftreten. In den deuteronomistisch bearbeiteten Königsbüchern und davon abhängig in den chronistischen Geschichtswerken (1Chr – Esr/Neh) erscheinen sie vor allem als unerschrockene Anwälte Jhwhs, die jeweils an geschichtlichen Wendepunkten den sich nicht an die Tora haltenden Königen Israels und Judas gegenübertreten, die Einhaltung der Alleinverehrung Jhwhs sowie der kultischen und sozialen Gebote fordern und gelegentlich Wunder vollbringen (vgl. 1Kön 17,11–24; 2Kön 5,1–14). Hingegen spiegelt sich in den literarischen Biographien der Prophetenbücher, die erst aufgrund einer zum Teil mehrere Jahrhunderte umfassenden Fortschreibung die prophetischen Gestalten eines Jesaja, Jeremia oder Ezechiel hervorgebracht|60| haben, das Bild eines Israel, den Völkern und schließlich der gesamten Welt das von Jhwh gewirkte Gericht und Heil ansagenden, seine Verkündigung mit symbolischen Handlungen (vgl. Jes 20,1–6; Jer 13,1–11; Ez 4,1–6,14) unterstreichenden und geschichtliche Prozesse aus der Perspektive Jhwhs interpretierenden Empfängers göttlicher Visionen und Auditionen.

      Wo sich die fortlaufend aktualisierten, kommentierten und redigierten Sammlungen prophetischen Spruchguts zu Bildern prophetischer Gestalten ausgewachsen haben, erscheint als ein Merkmal prophetischer Existenz das Leiden des Propheten, das ihm seitens seiner Zeitgenossen, bei denen seine Botschaft auf Widerstand stößt, zugefügt wird. In den dem Jeremiabuch redaktionsgeschichtlich erst nachjeremianisch eingelegten »Konfessionen« (Jer 11–20*) und in den damit verwandten »Gottesknechtsliedern« in der deuterojesajanischen Schicht des Jesajabuchs (Jes 42,1–4; 49;1–6; 50,4–9; 52,13–53,12) wird das Leiden zum Signum prophetischen Lebens schlechthin (vgl. Jak 5,10f.): In seinem Leiden wird der von Gott erwählte Prophet zum Abbild des selbst an Israel und der Welt leidenden Gottes, das seine letzte Begründung und sein Ziel in der Stellvertretung findet. Theologisch bedeutsam und im Blick auf die neutestamentliche Rezeption zentral ist die Verknüpfung der Verkündigung der universalen Herrschaft und Gerechtigkeit Gottes, die sich als roter Faden durch alle Prophetenbücher zieht, mit der Vorstellung des leidenden Gerechten, der als solcher die Herrschaft und Gerechtigkeit Gottes verkörpert (s.u. 4.6.3.).

      Es können hier nicht die vielfältigen Theologien der Prophetenbücher in ihrer komplexen religions- und literaturgeschichtlichen Entwicklung dargestellt werden. Im Blick auf die Frage nach Jesus Christus als Thema der alttestamentlichen Theologie ist die Erkenntnis wesentlich, dass sich Jesus Christus mit seiner Botschaft von der βασιλεία τοῦ θεοῦ/basileia tou theou/Königsherrschaft Gottes und mit seinem Leiden nahtlos in die Linie der alttestamentlichen Propheten einschreiben lässt, wie sie von und in ihren Büchern geschaffen wurden (vgl. Lk 13,31–34; Joh 9,17). Dabei fließen in die Motivik des leidenden Gerechten, zumal in der Ausgestaltung der Passionsgeschichte Jesu, auch Elemente aus der frühjüdischen Märtyrertheologie ein, die im Tod der leidenden Gerechten eine |61|stellvertretende Funktion sieht (4Makkbäer 6,29; 17,22) und die ihrerseits eine spezifische Form von Geschichtstheologie darstellt.

      4.6.3. Als Lenker individueller und kollektiver Lebensgeschichte ist Jhwh der Herr von Zeit und Ewigkeit, was sich letztlich auch in der wunderbaren Verwandlung des Lebens (vgl. Jes 35,5–6; 42,7; 61,1–3) und in der Herrschaft über den Tod ausdrückt (Jes 25,8). Dabei geht das in der Endgestalt des Alten Testaments vorliegende bunte Tableau von Interpretamenten und Metaphern der Erfahrung und der Hoffnung Jhwhs als Gott des Lebens religionsgeschichtlich auf einen vielschichtigen Prozess der sukzessiven Kompetenzerweiterung Jhwhs zurück (Janowski 2009: 112–125), in welchem die Herausbildung des Monotheismus, eine konsequente Schöpfungstheologie sowie die radikalisierte Frage nach der Gerechtigkeit Gottes angesichts des Leidens des Gerechten wesentliche Faktoren sind. So stehen die traditionsgeschichtlich aus unterschiedlichen Hintergründen und Reflexionskontexten stammenden Bilder von der Neuschöpfung aus dem Tod (Ez 37,1–14), der Auferstehung und der Auferweckung (Jes 26,19; Dan 12,1–3; HiLXX 42,17; 2Makk 7,8), der Entrückung als der unmittelbaren Aufnahme bei Gott unter Umgehung der Todesgrenze (Ps 73,24 im Schatten von Gen 5,22–24 und 2Kön 2,3.5), der Unsterblichkeit der Seele (Ps 49,16; SapSal 3,1) oder der endgültigen Entmachtung des Todes (Jes 25,8; vgl. 1Kor 15,26) nebeneinander und konvergieren in der Vorstellung, dass sich das Wesen Gottes in seiner Stiftung von Leben zeigt (Röm 4,17). Die neutestamentlichen Beschreibungen des postmortalen Geschicks Jesu Christi, der nach einem frühchristlichen Überlieferungszweig gerade mit der von Gott bewirkten Überwindung der Todesgrenze in die Sohnschaft Gottes eingesetzt wird (vgl. Röm 1,3–4 versus SapSal 2,18; 5,5), greifen auf diese Bilder zurück und fokussieren sie, erneut unter Fortschreibung von Jes 52,13–53,12, auf die Vorstellung der Ermöglichung des Lebens nach dem Tod mittels einer im Glauben ergriffenen Partizipation an der Auferstehung Jesu Christi (Joh 3,15; vgl. Röm 8,17).

      Damit sind die alttestamentlichen Formen, intensive Gottesnähe zu erfahren – der Sabbat (vgl. Ex 31,13–17; Ps 92), der Tempel (vgl. Ps 36,9–10), die Tora (vgl. Dtn 30,16; Sir 24,23) und die Weisheit |62|(vgl. Prov 3,18; Sir 24) – christologisch modifiziert. Jesus Christus erscheint so, mythisch gesprochen, als neuer Zugang zum Baum des Lebens (Gen 3,24), ja, als das Leben selbst (Joh 11,25).

      4.7. Gott als Herr der Weisheit oder Jesus Christus im Spiegel alttestamentlicher Weisheitsvorstellungen

      In gewisser Weise quer zu den alttestamentlichen Geschichtstheologien stehen die in ihren älteren Formen stark gegenwartsorientierten Weisheitskonzeptionen des Alten Testaments. Unter der gedanklichen Voraussetzung, dass Gott als der Schöpfer in diese Welt eine gerechte kosmische Ordnung eingesenkt hat, der sich der Weise mittels genauer Beobachtung gesellschaftlicher und natürlicher Vorgänge und mittels der Weitergabe empirisch gewonnener Erkenntnisse annähern kann, entwickeln die alttestamentlichen Weisheitsbücher ihr ethisches Programm von einem glücklich gestalteten Leben. Flankiert von der Vorstellung, dass das Handeln eines Menschen immer überindividuelle Dimensionen hat und nie folgenlos ist, vielmehr Tun und Ergehen in einem Zusammenhang stehen, führt dies nicht nur zu einem alle Lebensbereiche umfassenden Programm der Orientierung, sondern auch zu einer gesellschaftlichen und religiösen Klassifikation in Weise und Toren, Gerechte und Frevler. Mittels einzelner Sentenzen, Gleichnisse, Lehrreden und »Seligpreisungen« (Makarismen) versucht der weise Lehrer seine Schüler zu einem gelingenden Leben und zur Gottesfurcht anzuleiten. Das Wissen um von Gott gesetzte Grenzen und um Gottes Undurchschaubarkeit kennzeichnet ihn ebenso wie die Fähigkeit zur genauen Differenzierung der Phänomene und zur gleichnishaften Beschreibung der Wirklichkeit, die stets implizit oder explizit auch einen ethischen Appell enthält.

      Wo die Theorie, dass es dem Weisen aufgrund seiner Weisheit gut gehen und der Gerechte aufgrund seiner Frömmigkeit vom Leid verschont bleiben müsse, angesichts gegenteiliger Erfahrungen widerlegt wird, wie im Fall Hiobs, gerät das Denken im Rahmen des Tun-Ergehen-Zusammenhangs in die Krise. Hier wird die Frage nach der Leistungsfähigkeit der Weisheit laut (vgl. Koh 7); die grundlegende theologische Vorstellung von Gott als dem gerechten |63|Schöpfer gerät ins Wanken (vgl. Hi 3). Es ertönt nicht mehr nur die klagende Frage nach dem Grund und dem Ziel der Verborgenheit Gottes (vgl. Ps 13,2; 22,2), sondern Gott selbst rückt