Zum Auftakt skizziert Uwe Becker die Grundlinien des alttestamentlichen Freiheitsverständnisses. Auch wenn das Alte Testament den Begriff ›Freiheit‹ nicht kennt, ist die mit ihm bezeichnete Sache sehr wohl präsent. Gemeinhin wird dabei der Exodustradition (Ex 1–14) eine zentrale Stellung zugewiesen: Die Erinnerung an die von Jahwe bewirkte Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens bildet das Urbekenntnis Israels. Allerdings ist hier gegenüber historischen Rückschlüssen Vorsicht geboten; auch liegt der Akzent nicht auf der politischen Befreiung von äußerer Fremdherrschaft. Stattdessen gilt ›Ägypten‹ – vor allem in der deuteronomistischen Tradition – als Chiffre für Not, Elend und Unterdrückung überhaupt. Mithin geht es nicht um ein zurückliegendes Auszugsgeschehen; vielmehr bekennt die jüdische Gemeinde im Medium erinnernder Vergegenwärtigung des Exodus ihren Glauben an das zu neuem Leben befreiende Heilshandeln Gottes. Ein besonderes Charakteristikum bildet dabei die enge Verschränkung von erfahrener Befreiung und ethischer Verpflichtung. So stellt die Einleitung des Dekalogs (Dtn 5,6; Ex 20,2) das gebotene Handeln programmatisch unter das Vorzeichen der grundlegenden Befreiungstat Jahwes. Auch dem profanen Sklavenrecht wird durch den Verweis auf den Exodus zunehmend ein theologisches Bruderethos unterlegt: »Du sollst daran denken, dass auch du Knecht in Ägyptenland warst« (Dtn 5,15). Mit dem jahwistischen Schöpfungsbericht (Gen 2,4b–3,24) rückt sodann eine zweite Linie des alttestamentlichen Freiheitsverständnisses ins Blickfeld. Die Aufmerksamkeit gilt hier dem zu verantwortlichem|10| Handeln aufgerufenen Menschen. Seine Freiheit ist zwar endlich und begrenzt, zudem liegt über ihr der Schatten der Verfehlung. Dennoch kann er ihr nicht entrinnen: Zu seiner Grundsituation gehört es, Entscheidungen treffen zu müssen – und mit dieser Aufgabe zugleich überfordert zu sein. In den späteren Texten des Alten Testaments machen sich schließlich vermehrt hellenistische Einflüsse bemerkbar. Während etwa die beiden Makkabäerbücher die griechische Tradition des politischen Freiheitsverständnisses aufnehmen, verhandelt Jesus Sirach das Problem des Verhältnisses von göttlicher Allmacht und menschlicher Freiheit. In deutlicher Abgrenzung zur Stoa werden beide Seiten hier nicht gegeneinander ausgespielt; vielmehr befähigt der von Gott verliehene Wille den Menschen zur Einhaltung der Tora (Sir 15,11–17).
Der neutestamentliche Beitrag von Friedrich Wilhelm Horn nimmt seinen Ausgang von dem auffälligen Befund, dass sich das Wort ›Freiheit‹ – von wenigen Ausnahmen abgesehen – allein in den paulinischen Briefen findet, dort jedoch eine zentrale Stellung einnimmt. Paulus hat insofern maßgeblich als Theologe der Freiheit zu gelten; ihm verdankt sich die Einführung des Freiheitsbegriffs in das christliche Denken. Dennoch ist umstritten, ob Paulus ein kohärentes eigenes Freiheitsverständnis entwirft und in welchem Maße er dabei auf Motive der stoisch-hellenistischen Tradition zurückgreift. Ihr gilt Freiheit vornehmlich als innere Unabhängigkeit von Begierden und Zwängen, die es im Gegenzug erlaubt, sich in die unabänderlichen Gegebenheiten der göttlichen Weltordnung einzufügen. Demgegenüber verankert Paulus die Freiheit nicht in der Natur des Menschen. Stattdessen gründet sie für ihn im Heilsereignis von Tod und Auferstehung Christi, kraft dessen der Mensch aus der Knechtschaft unter Sünde, Gesetz und Tod befreit worden ist. Allerdings darf diese Freiheit nicht mit blinder Willkür verwechselt werden, sondern realisiert sich gerade in der Bindung an Christus. Paulus kann sie daher sogar als Übergang in eine neue Knechtschaft beschreiben: Der von Christus Befreite ist zugleich der Sklave Christi (vgl. 1Kor 7,22). Dieser Grundgedanke wird in den einzelnen Briefen sodann unterschiedlich akzentuiert. In den Korintherbriefen steht die innere Unabhängigkeit im Vordergrund. Sie erlaubt es, die gegebenen sozialen Verhältnisse als solche zu |11|akzeptieren, da sie durch die Bindung an Christus zugleich ihre beherrschende Macht verloren haben (vgl. 1Kor 7,21–23). Hingegen betont der Galaterbrief den passiven Geschenkcharakter der Freiheit und verknüpft damit die Mahnung, sie nicht wieder zu verlieren: »Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!« (Gal 5,1). Der Römerbrief schließlich rückt die durch Christi Befreiungstat erwirkte neue Lebensausrichtung in den Vordergrund. Im Vollzug der Taufe der Sünde abgestorben, verwirklicht sich die Freiheit des Christenmenschen im praktischen Dienst an der Gerechtigkeit. Damit wird erneut die paradoxe Grundstruktur des paulinischen Freiheitsverständnisses sichtbar: Freiheit und Bindung schließen einander nicht aus, sondern gehören zusammen. Die Befreiung von der Sünde bewährt sich in der Bindung an Christus: »Indem ihr nun frei geworden seid von der Sünde, seid ihr Knechte geworden der Gerechtigkeit« (Röm 6,18).
In seinem umfangreichen kirchengeschichtlichen Beitrag gibt Martin Ohst einen detaillierten Überblick über die weitverzweigten Entwicklungslinien und Debattenstränge des Freiheitsbegriffs vom frühen Christentum bis zum Ausgang der Reformationszeit. Die Darstellung Augustins markiert dabei einen ersten Schwerpunkt. Denn dieser hat mit seiner Entdeckung des unhintergehbar eigenen und zugleich faktisch immer schon missbrauchten Willens das Nachdenken über die Freiheit auf eine neue Ebene gehoben. Angetrieben durch die Frage nach der Herkunft des Bösen ringt Augustin um das Verhältnis von menschlicher Willensfreiheit und göttlicher Allwirksamkeit. Während er dem Menschen anfänglich ein durch die Sünde nur geschwächtes Vermögen freier Willensentscheidung zuschreibt, behauptet er später – unter dem Eindruck einer intensiven Beschäftigung mit Paulus – die völlige Unfähigkeit des Willens zum Guten. Allein die souveräne Gnade Gottes erwecke im Menschen den Glauben und schenke ihm die Freiheit, sich am Willen Gottes auszurichten. Auf der Kehrseite folgt daraus die harte Konsequenz einer doppelten Prädestination. Entlastung bietet hier allein die Kirche: In ihr wirkt nicht nur Gottes Heilswille; vielmehr leitet sie kraft ihres erzieherischen Wirkens den Einzelnen auf den rechten Weg und eröffnet ihm die Möglichkeit, seine Freiheit in innerer|12| Selbstgestaltung zu verwirklichen. Augustin führt so die drei klassischen Bezugsfelder des Freiheitsbegriffs – Freiheit als äußere Unabhängigkeit, inneres Selbstverhältnis und willentliche Selbstbestimmung – auf neue Weise zusammen. Seine Weichenstellungen wirken über das Mittelalter bis in die Reformationszeit nach: Die von ihm der sichtbaren Kirche zugemessene zentrale Stellung mündet erstens in eine zunehmende Betonung ihrer politisch-sozialen Selbständigkeit. Freiheit wird als äußere Freiheit der römischen Papstkirche begriffen und bis zum Anspruch einer Überordnung der geistlichen über die weltliche Gewalt zugespitzt. Der zweite Strang findet seine Aufnahme in der mönchisch-asketischen Lebensform. Verzicht und Gehorsam konstituieren hier einen Freiheitsraum, in welchem der Einzelne allen selbstischen Affekten und sozialen Zwängen enthoben und mithin frei ist, sein ganzes Leben am Willen Gottes auszurichten. Die mittelalterlichen Streitigkeiten über Prädestination, Gnade und Willensfreiheit knüpfen schließlich an das dritte Moment des augustinischen Freiheitsverständnisses an. Die radikale Diastase von göttlicher Gnade und menschlicher Freiheit wird dabei auf unterschiedliche Weise zu vermitteln versucht. Die Reformation steht nun zwar in der Tradition dieser Freiheitsdiskurse, unterzieht sie aber zugleich einer tiefgreifenden Umbildung. Den Auftakt markiert Luthers Einsicht, dass die Freiheit keine konstatierbare Zuständlichkeit darstellt, sondern allein als geschenkhafte Befreiung aus vorgegebener Unfreiheit Ereignis wird. Im Glauben vollzieht sich für Luther jene Umwandlung des Gottesverhältnisses, welches den Menschen in die Gemeinschaft mit dem Willen Gottes versetzt und so zum selbstlosen Dienst am Nächsten befreit. Damit wird zum einen die Gehorsam fordernde Freiheit der Kirche abgelöst durch die innere Freiheit des Christenmenschen, an der alle weltlichen und nicht zuletzt klerikalen Ansprüche ihre Grenze finden. Zum anderen bedarf diese Freiheit nicht mehr des Rückzugs auf eine mönchisch-asketische Lebensweise, sondern verwirklicht sich in der nüchtern-vernünftigen Mitwirkung an den Gestaltungsaufgaben des politisch-sozialen Lebens.
Der systematisch-theologische Beitrag von Martin Laube nimmt die neuzeitlichen Entwicklungslinien der Freiheitsthematik in den Blick und sucht die überbordende Vielfalt von Positionen, Debatten |13|und Perspektiven in einen systematischen Zusammenhang zu bringen. Ausgehend von der These, dass der neuzeitlichen Theologie vor allem an der Wahrung der begrifflichen Uneinholbarkeit von Freiheit einerseits, der Wahrnehmung ihrer elementarer Dialektik und Widersprüchlichkeit andererseits gelegen ist, skizziert er drei Stränge des theologischen Zugangs zur Freiheitsthematik. Der erste, christentumsgeschichtliche Strang bearbeitet das umstrittene Verhältnis zwischen christlich-protestantischem und neuzeitlichem Freiheitsverständnis. Hier steht zugleich die Selbstverortung des Christentums im Horizont der neuzeitlich-modernen Welt