Freiheit . Martin Laube. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin Laube
Издательство: Bookwire
Серия: Themen der Theologie
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846337714
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die Prämisse zugrunde, dass Paulus in den Korintherbriefen das Verhältnis der Freiheit zur Vergangenheit aufarbeitet und in diesem Text das theologische Problem des Gesetzes thematisiert (vgl. Vollenweider 1989: 269). Zumindest aber erhebe sich die akute Frage nach dem christlichen Umgang mit dem Gesetz (vgl. ebd. 284). Darauf deuten die mosaischen steinernen Gesetzestafeln (vgl. 2Kor 3,7), der Buchstabe (vgl. 2Kor 3,6) und die Nähe zu Röm 7f. hin, insofern auch in diesem Text die verurteilende und tötende Funktion des Gesetzes angesprochen ist. Demgegenüber lehnt Jones (vgl. Jones 1987: 61–67; ihm folgend Schnelle 2003: 273) jeglichen Bezug auf das Gesetz ab. Es gehe ausschließlich darum, die Freiheit als παρρησία (»Offenheit«) (vgl. 2Kor 3,12) zu qualifizieren. Hierbei legt Jones Wert auf den Nachweis, dass ἐλευθερία (»Freiheit«) und παρρησία (»Offenheit«) im hellenistischen Sprachgebrauch in großer Nähe zueinander stehen, ja oftmals auch synonym gebraucht werden (vgl. Jones 1987: 61–67). Eine Eingrenzung dieser Freiheit als Freiheit gegenüber dem Gesetz wäre eine unangemessene Einengung. Die Gesetzesfrage wird in der Tat in 2Kor 3 nicht explizit angesprochen. Es scheint Paulus eher um die Verstockung Israels zu gehen, die mit Mose und der Lektüre der Tora gegeben ist, auch wenn Mose innerhalb der jüdischen Tradition – von Paulus partiell zugestanden (vgl. 2Kor 3,9–11) – als Mystagoge des himmlischen Aufstiegs galt. Die Bindung an Mose führt, so die radikale These des Textes, nicht zur Freiheit, sondern zur Verurteilung und zum Tod.

      3.2. Der Galaterbrief: Die Freiheit in Christus und die Sklaverei unter dem Gesetz

      Die Freiheitsthematik wird im Galaterbrief in der narratio (»im erzählenden Teil«) des Schreibens eingeführt, indem Paulus seinen Bericht über den zurückliegenden Apostelkonvent unter einen fundamentalen Gegensatz stellt: Er nimmt für sich und sein Auftreten auf dem Konvent eine Freiheit in Anspruch, die er in Christus Jesus hat, und grenzt sie scharf von dem Versuch einer namentlich nicht genannten Partei ab, deren Ansinnen er als Versklavung bewertet (vgl. Gal 2,4). Konkret geht es in seinem Bericht um die Frage, |50|die zunächst auf dem Konvent (vgl. Apg 15,1; Gal 2,3) und jetzt auch in Galatien aufkam, ob Heidenchristen beschnitten werden (vgl. Gal 5,1–6; 6,12f.) und ob sie weitere kultische Gebote (vgl. Gal 4,10) halten müssen. Paulus, der Apostel der Heiden, hatte in seiner Mission und in Übereinstimmung mit Grundsätzen der Gemeinde Antiochias Heidenchristen von den Identitätsmerkmalen jüdischer Existenz, zumal im paganen Raum, entbunden. Er hatte damit zur Durchsetzung und Legitimität eines Heidenchristentums neben einem Judenchristentum beigetragen. Mag es auch nach den Berichten über den Apostelkonvent so scheinen (vgl. Gal 2,1–10; Apg 15,1–35), als habe man hier eine Anerkenntnis, zumindest aber einen Kompromiss oder Ausgleich zwischen beiden Varianten gefunden, so zeigt die Entwicklung in den heidenchristlichen Gemeinden, dass Anfragen, Maßnahmen, ja scharfer Antipaulinismus seitens des Judenchristentums ab jetzt die Mission des Paulus begleiten. Das in der narratio erwähnte Selbstverständnis, nämlich die Freiheit, die Paulus in Christus hat, wird im argumentativen Abschnitt des Briefes aufgenommen und ab Gal 4,21 kämpferisch, bisweilen polemisch entfaltet.

      Natürlich richtet sich der Blick schnell auf die beiden Thesen in Gal 5,1 und 13, die wie bereits vor Abfassung des Briefes formulierte Lehraussagen erscheinen. Einerseits: »Zur Freiheit hat uns Christus befreit« (Gal 5,1). Das Substantiv Freiheit und das Verb befreien rahmen das Objekt »uns« und das Subjekt »Christus«. Wie aber und wo und wann hat Christus uns – Paulus denkt hierbei an die christlichen Gemeinden – befreit? Wovon hat er sie befreit? Ist der Gegenbegriff der Freiheit notwendig derjenige der Gefangenschaft? Andererseits: »Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen« (Gal 5,13). In beiden Worten erscheint die Freiheit als ein absolutes Gut, erwirkt von Christus, übereignet in der Berufung, aber auch als die Folge eines Befreiungsgeschehens. Die Freiheit, die Paulus in Christus hat (vgl. Gal 2,4), zu der Christus befreit hat (vgl. Gal 5,1), zu der Gott berufen hat (vgl. Gal 5,13), erscheint weiter und fundamentaler, als dass sie ausschließlich auf die Freiheit vom Gesetz einzuengen wäre (vgl. Dautzenberg 2001: 75). Diese Freiheit kann wieder verloren werden, wenn Versklavung diese Freiheit einengt (vgl. Gal 2,4) oder wenn die heidenchristlichen Gemeinden in Galatien|51| erneut (!) unter ein Joch der Sklaverei gepresst werden (vgl. Gal 5,1b).

      Da die galatischen Gemeinden zuvor nicht unter dem Joch des mosaischen Gesetzes standen, empfiehlt es sich aus dieser Einsicht, aber auch aus anderen Gründen heraus nicht, den Freiheitsbegriff und die Freiheitspredigt des Galaterbriefs ausschließlich als Freiheit vom Gesetz zu verstehen (vgl. Jones 1992: 858). Natürlich appliziert Paulus Freiheit auf die Forderung, den Heidenchristen ein Leben unter der Tora aufzuerlegen (vgl. Gal 5,2–4). Aber er warnt gleichfalls vor einem entgrenzten Freiheitsverständnis, das sich in seiner Lebensausrichtung jeglicher Normen entledigt und die Freiheit als Deckmantel für die σάρξ (»das Fleisch«) (vgl. Gal 5,13) oder das Böse gebraucht (so 1Petr 2,16 in großer Nähe zur Position des Paulus). Als Freie oder als Befreite sollen die Christen Sklaven sein, nämlich in Liebe einander dienen (vgl. Gal 5,14 und in ähnlichem Kontext auch 1Petr 2,17; vgl. bereits zuvor 1Kor 10,29). Damit hält Paulus auch für die Heidenchristen eine schmale Bindung an die Tora aufrecht, da das Liebesgebot explizit als Teil der Tora zitiert wird (vgl. Gal 5,14). Er folgt damit einem differenzierten Modell. Frei sind die Heidenchristen von dem Fluch des Gesetzes (vgl. Gal 3,13), der in der verurteilenden Funktion des Gesetzes bestand. Frei sind die galatischen Christen von der Tora, sofern sie mittels der Beschneidung in den Abrahambund als den Beschneidungsbund eingegliedert werden sollen. Die neue Schöpfung in Christus hat die Differenz von beschnitten und unbeschnitten aufgehoben (vgl. Gal 6,15). In einer allegorisierend-typologischen Interpretation werden in Gal 4,21–31 die galatischen Christen als die wahren, die eigentlichen Abrahamskinder angesprochen. Allerdings sind sie Kinder der Freien und Kinder der Verheißung, während Israel und die judenchristlichen Missionare demgegenüber im Sinaibund Kinder der Sklavin und Kinder der Knechtschaft bleiben.

      3.3. Der Römerbrief: Die Freiheit der Kinder Gottes

      Im Römerbrief entfaltet Paulus das Evangelium umfangreicher, grundsätzlicher und mit Neuakzentuierungen gegenüber dem Galaterbrief. Auch wenn er sich im Brief an die ihm unbekannte |52|christliche Gemeinde in Rom weiter zurückreichenden Vorwürfen ausgesetzt sieht (vgl. Röm 3,8.31; 6,1.15; 7,7a), so fehlen doch die polemische Grundstruktur des Galaterbriefs und die in diesem Brief ausgearbeitete Zuspitzung der Freiheit als einer Freiheit vom Leben unter der Tora. Alle Freiheitsaussagen begegnen im Abschnitt Röm 6–8, und sie sind hier verwoben in tiefgreifende theologische Erörterungen (der Wortstamm ἐλευθερ- in Röm 6,18.20.22; 7,3; 8,2.21; vgl. daneben auch den Wortstamm δουλ- in Röm 6,6.16.17.18.19.20.22; 7,6.25 sowie αἰχμαλωτίζειν [»gefangen nehmen«] in Röm 7,23). Auffällig ist die präpositionale Zuordnung der Freiheitsaussagen vorwiegend als Freiheit oder befreien ἀπό (»von«) (vgl. Röm 6,18.22; 7,3; 8,2.21). Freiheit wird im Römerbrief überwiegend durch Bezugsgrößen angesprochen.

      Nachdem Röm 6,1–11 die Taufe als ein der Sünde Gestorbensein beschrieben hat, da in der Taufe der Täufling, der alte Mensch, mit Christus gestorben, mitgekreuzigt, begraben ist, eröffnet sich in diesem Geschehen eine neue Lebensausrichtung. Welche Folgen ergeben sich aus der Befreiung von der Sünde und der Lebensgemeinschaft mit Christus? Bietet die Gnade nicht ein gefährliches Potential zur Sünde (vgl. Röm 6,1)? Bestand in vorchristlicher Zeit eine Versklavung an Unreinheit und Gesetzlosigkeit, so tritt jetzt eine Versklavung im Blick auf Gerechtigkeit zur Heiligung an deren Stelle. Befreit von der Sünde (vgl. Röm 6,18a. 22a) – Sklaven für die Gerechtigkeit (vgl. Röm 6,16b. 18b. 19d) bzw. im Rückblick: damals frei von der Gerechtigkeit (vgl. Röm 6,20b) – Sklaven der Sünde (vgl. Röm 6,17a. 20a). Paulus beschreibt menschliches Leben in einer Ausrichtung, die immer eine Bindung impliziert: entweder an die Sünde und damit an den Tod oder an Christus und damit an Gerechtigkeit. Diese neue Lebensausrichtung vollzieht sich praktisch in der Ethik der Christen und sie realisiert die übereignete Heiligkeit.

      Die Befreiung vom Gesetz (vgl. Röm 7,3) wird in Röm 7 in einem Kontext thematisiert, der weit über missionsstrategische Überlegungen oder Ablösungsprozesse vom Judentum hinausführt, vielmehr auf einen Sachzusammenhang bezogen wird, der sich aus Gesetz – Gebot – Begehren – Sünde – Tod zusammensetzt.|53| Der einzelne Mensch ist in geradezu verhängnisvoller Weise in