5 Die Kosten für das Vertriebsteam können gleichzeitig reduziert werden. Ein rein virtuelles Vertriebsteam benötigt keine Firmenwagen mehr und erstellt keine Spesenrechnungen. Wenn man ein neues, junges und digitales Next‐Level‐Sales‐Team mit Talenten aufbaut, sind diese typischerweise auch »günstiger« im Vergleich zu Vertriebsmitarbeitern mit über 30 Jahren Erfahrung, da sie gerade am Anfang ihrer Karriere stehen. Deutlich möchte ich allerdings darauf hinweisen, dass es sich bei den virtuellen/Remote‐Vertriebler nicht um die zweite Garde handelt. Deren Gehaltsgefüge sollte prinzipiell genauso aussehen wie das der Außendienstler. Aufgrund der wegfallenden Kosten sowie der Vertriebserfahrung sind Kosteneinsparungen von um die 30 Prozent nicht unüblich. Der Gehaltseffekt kommt stärker zum Tragen, wenn beispielsweise europäische Hubs für den Next‐Level‐Sales‐Vertrieb aufgebaut werden.
Insgesamt bietet der drastische Zugewinn digitaler Akzeptanz Organisationen eine wegweisende Chance für Wachstum. Die Umstellung auf den virtuellen Vertrieb kann Vertriebsorganisationen dabei helfen, ihre Kosten pro unterschriebenem Vertrag zu senken (CAC = Customer acquistion costs oder Kosten der Kundenakquisition), ihre Reichweite zu vergrößern, die Vertriebseffektivität erheblich zu verbessern und die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen.
Die zukünftigen Marktführer werden sich insbesondere durch Agilität und Geschwindigkeit auszeichnen, um Kunden zu binden, Umsätze zu sichern und Vertriebsmodelle neu auszurichten. Während die Chance des virtuellen Vertriebs ein bedeutender Erfolgsfaktor ist, wächst auch der Druck, daraus Gewinne zu generieren. Führungskräfte, die sich auf die Digitalisierung ihrer Vertriebsmodelle fokussieren, sollten größere Wettbewerbsvorteile in Form von mehr und loyaleren Kunden erzielen als ihre Wettbewerber. Außerdem ergibt sich die Chance, Longtail‐Kunden (die im ersten Moment unattraktiv erscheinen) auch ein Betreuungskonzept anzubieten und diese gegebenenfalls aufzubauen. Aus Unternehmenssicht sind diese Go‐to‐market‐Modelle ebenfalls gekommen, um zu bleiben. In einer Studie der Boston Consulting Group aus dem Januar 2021 mit Vorständen und Führungskräften der Fortune‐500‐Unternehmen wurde Führungskräften folgende Frage gestellt: »Veränderungen, die nach der Wiederkehr (COVID‐19‐bezogen) zum »Normal« bleiben werden?« 75 Prozent der Führungskräfte antworteten: »Der vermehrte Einsatz von Next Level Sales« (vergleiche Abbildung 1.5).19
Abb. 1.5: Welche Veränderungen werden nach einer Rückkehr (COVID‐19‐bedingt) zum Normal erhalten bleiben?
Die Umwelt
Ein nicht zuletzt zu erwähnender Gewinner dieser Umstellung ist die Umwelt und die damit verbundene Nachhaltigkeit. Der Fokus auf virtuelle Meetings anstatt Face‐to‐Face‐Meetings bedeutet simpel gesprochen weniger gefahrene Kilometer oder weniger zurückgelegte Flugmeilen. Es wird deutlich weniger CO2 verbraucht und damit neben gespartem Geld für die Unternehmen der CO2‐Fußabdruck verbessert. Diesen Wert durfte ich bereits mehrfach mit Unternehmen berechnen und es kommen beeindruckende Ergebnisse dabei heraus. Verschiedene Betrachtungsweisen setzen den Hebel von Next Level Sales auf die Nachhaltigkeit in die richtige Perspektive:
Pro Jahr können bis zu 35 Weltumrundungen mit dem Auto gespart werden.
Es werden 50 000 000 weniger Einwegkaffeebecher verbraucht.
Eis in der Fläche von zehn Fußballfeldern wird pro Jahr geschont.
Diese Ergebnisse hängen natürlich von der Anzahl der umgestellten Vertriebler und dem Betrachtungshorizont ab. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Veränderungen im Vertrieb sind gekommen, um zu bleiben. Und deshalb sollten Unternehmen und Verbraucher sich entsprechend langfristig darauf einstellen. Simon Kucher & Partners haben es treffend zusammengefasst: »Finally the time for a new way of selling: The global consequences of COVID‐19 will continue to impact businesses in the near‐term, and the longer‐term effects have yet to be felt. By protecting revenue, adjusting and optimizing the selling model to set teams up for success, and preparing for the uptake, B2B sales organizations can help minimize underutilized selling time. Enter the sales rep 2.0.«20 Dieser Vertriebler 2.0 wird benötigt, da die Differenzierung zwischen Verkäufern in der Fläche und virtuellen Verkäufern immer mehr verschwimmen wird. Oder eben weil jener Vertriebler 2.0 in einem hybriden Modell, wie wir es später beschreiben werden, beide Funktionen abdecken kann: Die des Vor‐Ort‐Vertrieblers und die des virtuellen Verkäufers – je nachdem, welcher Modus vom Kunden oder der Situation verlangt wird. In dem Ziel‐Go‐to‐market‐Modell soll es primär um die Bedürfnisse des Käufers gehen: verstärkte Bequemlichkeit und somit eine hervorragende Kauferfahrung, schnellere Zeit zum Wert (also schnellere Vertriebszyklen), erhöhte Flexibilität und der beste Preis. Das muss der Vertriebler 2.0 abdecken und das Modell des Next Level Sales ist die Antwort darauf. Im Detail schauen wir uns die Bedürfnisse des Kunden im nächsten Kapitel an.
Viele Aspekte dieses Buches sind darauf ausgelegt, dass man ein bestehendes Vertriebsteam auf das virtuelle Verkaufen umschult, aber alle Aspekte gelten genauso für die Neu‐Einstellung eines kompletten Remote‐Vertriebsteams »auf der grünen Wiese«. Für Neueinsteiger ist es aus drei Gründen einfacher:
1 Es muss weniger Wert auf das Thema Wandel und Change Management gelegt werden (vergleiche Kapitel 8). Ein neu eingestelltes Vertriebsteam muss sich nicht komplett von dem ehemals analog geführten Vertrieb lossagen, sondern kann direkt in der neuen Struktur starten.
2 Ein neu eingestelltes, junges Team ist schon aufgrund der Geburtsjahre typischerweise etwas mehr gewohnt, täglich mit digitalen Medien umzugehen und über diese zu kommunizieren – die digital natives. Dies hilft ungemein, auch den jünger werdenden Einkäufern entgegenzutreten. Diese Jahrgänge sind es gewohnt, WhatsApp‐Sprachnachrichten zu hinterlassen oder