Totenstille am See. Heribert Weishaupt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heribert Weishaupt
Издательство: Bookwire
Серия: Troisdorf-Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783939829997
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vertrauten Kollegen eingehen? Sie würde ihn Montag anrufen. Die Zusage zu einem Bier mit ihm war ihr ernst. Sie freute sich darauf.

      „Man wird sehen, wie sich das mit Frank weiterentwickelt“, sagte sie sich zuversichtlich.

      Eisenstein betrat wieder den Pfad, der am See entlangführte. Inzwischen hatte er sich wieder einigermaßen im Griff und vom unerwarteten Zusammentreffen mit Susanne erholt. Sein Kollege Manfred Schmitz kam ihm entgegen. So einfach wie sein Name, war auch sein Wesen. Er war zwar sehr willig, aber Kombinationsgabe oder gar eine Spürnase besaß er nicht. Außerdem konnte er den oft unregelmäßigen Dienst nicht mit seinem Familienleben vereinbaren. Immerhin war er mit Leib und Seele Vater von drei Töchtern im Alter von zwei, drei und fünf Jahren, denen er gerne seine freie Zeit widmen wollte. Nach einem ausführlichen Gespräch mit seinem Vorgesetzten, hatte er daher bereits vor längerer Zeit ein Versetzungsersuchen für den Innendienst gestellt. Seine Stelle als Kommissar war bereits ausgeschrieben, und sobald ein geeigneter Bewerber gefunden war, würde seinem Versetzungswunsch stattgegeben werden.

      Wie fast immer trug er eine fleckige Jeans und eine zerknitterte Schimanski-Jacke.

      „Guten Morgen“, begrüßte er Eisenstein.

      „Dort drüben steht der Jogger, der den Toten gefunden hat. Möchten Sie mit ihm sprechen?“ Schmitz zeigte mit dem Arm weiter den Pfad entlang, auf dem sie standen.

      „Haben Sie bereits mit ihm gesprochen?“

      „Natürlich. Aber der kann nichts Wesentliches sagen. Während seiner Joggingrunde um den See hat er die Angelstelle von der gegenüberliegenden Seite gesehen. Da er den Verdacht hatte, eine Person liege im Wasser, ist er zur Angelstelle gerannt und hat dort den Toten gefunden. Von zu Hause hat er die Polizei verständigt. Meiner Meinung nach kommt er sich sehr wichtig vor, kann aber zur Aufklärung nichts beitragen. Wir haben Abdrücke seiner Laufschuhe genommen, um sie von den übrigen Abdrücken am Fundort zu unterscheiden“, berichtete Schmitz eifrig.

      „Er hat von zu Hause aus angerufen?“, fragte Eisenstein nach.

      „Ja, ja. Sie wissen doch. Jogger tragen kein Handy bei sich – zu viel Gewicht“, Manfred Schmitz grinste über seine eigene witzige Bemerkung.

      „Da ihm niemand mit einem Handy begegnet war, ist er nach Hause gelaufen und hat von dort sofort angerufen“, berichtete Schmitz jetzt wieder mit ernster Miene. „Dann will ich mir auch einmal den Jogger ansehen. Kommen Sie bitte mit“, bat Eisenstein und machte sich bereits auf den Weg in die gezeigte Richtung.

      Schmitz beeilte sich, mit dem Kommissar Schritt zu halten.

      „Das ist der Zeuge, der den Toten gefunden hat“, stellte Schmitz den Mann vor, der durch seine Kleidung unverwechselbar als Jogger erkennbar war.

      Enge schwarze Leggings, ein verschwitztes, langärmeliges T-Shirt in greller, gelber Farbe. Seine Füße steckten in weißen Laufschuhen, die offensichtlich bereits oft getragen worden waren, denn an der Stelle, wo sich der große Zeh befand, war das Obermaterial der Schuhe durchgescheuert.

      Er war groß. Eisenstein schätzte ihn auf fast zwei Meter, was für einen Jogger eher ungewöhnlich war. Ansonsten wirkte er sympathisch und lächelte Eisenstein und Schmitz freundlich zu.

      „Ich bin Kommissar Eisenstein und leite die Ermittlungen in diesem Fall.“

      Der Mann gab Eisenstein höflich die Hand, die er vorher kurz an seiner Hose abwischte. Wahrscheinlich war sie noch von der Anstrengung des Laufes, eher jedoch vor Aufregung, verschwitzt.

      „Dann berichten Sie bitte, wie Sie den Toten gefunden haben. Laufen Sie hier regelmäßig, und kennen Sie vielleicht den Toten?“

      Der Jogger berichtete ausführlich, dass er hier um den See regelmäßig laufe, und dass er die Angelstelle von der gegenüberliegenden Seite des Sees gesehen hatte. Schließlich berichtete er, wie er den toten Angler gefunden hatte. Nein, kennen würde er den Toten nicht, beendete er seinen Bericht.

      Ohne die Schilderung des Zeugen zu unterbrechen, hatte Eisenstein aufmerksam zugehört und sich einige Notizen in einem kleinen Buch gemacht, das die Größe eines Taschenkalenders hatte.

      „Vielen Dank. Nun laufen Sie mal nach Hause. Sie holen sich sonst noch eine Erkältung in Ihrer verschwitzten Kleidung. Wenn ich noch Fragen habe, rufe sich Sie an. Mein Kollege hat ja Ihre Telefonnummer notiert“, sagte Eisenstein mit einem fragenden Blick zu Schmitz, der kurz nickte.

      „Ja, danke. Aber ich bin jetzt mit meinem PKW hier. Auf Wiedersehen.“

      Der Jogger drehte sich um und verschwand hinter der nächsten Biegung des Pfades.

      „Ich bin dann auch mal weg. Bleiben Sie bitte hier, bis die Kollegen fertig sind. Danke. Wir sehen uns morgen“, sagte Eisenstein zu Manfred Schmitz gewandt.

      „Einen Augenblick noch. Auf dem Parkplatz, auf dem wir alle geparkt haben, Sie wahrscheinlich auch, steht der Wagen des Toten. Ein alter Mercedes. Nehmen Sie die Schlüssel an sich?“

      Manfred Schmitz reichte Eisenstein ein Schlüsselbund.

      „In Ordnung. Ich werde ihn der Familie geben, wenn der Wagen von uns abgeschleppt und untersucht wurde“, sagte Eisenstein und steckte den Schlüsselbund in seine Hosentasche.

      Er hatte es mit einem Male eilig. Inka wartete sicher bereits ungeduldig auf ihn, und vorher musste er noch die Ehefrau oder die Angehörigen des Toten aufsuchen und informieren. Er hasste diese Aufgabe. In manchen Fällen reagierten die Angehörigen fassungslos und verzweifelt. Andere wiederum erlitten einen Schock und waren völlig teilnahmslos. Manche bemühten sich Fassung zu bewahren, andere waren überraschend gelassen. Er fühlte sich in den meisten Fällen völlig hilflos, auch wenn es sich um eine traurige Routinetätigkeit handelte. Geschult für solch eine Aufgabe wurde er nicht, zumindest nicht ausreichend. Anderseits war die erste Begegnung mit den Angehörigen in vielen Fällen recht aufschlussreich, insbesondere wenn die Angehörigen natürlich reagierten. Diese Reaktion wollte er unbedingt sehen und hatte es sich daher zur Aufgabe gemacht, immer selbst den Angehörigen die traurige Nachricht zu überbringen.

      „Wahrscheinlich handelt es sich hier nur um einen dummen Unfall“, dachte er.

      Damit drehte er sich um und verschwand in Richtung Parkplatz.

      Bevor er in seinen Wagen einstieg, verbrauchte er ein vollständiges Päckchen Papiertaschentücher, um seine Lackschuhe einigermaßen zu säubern. Das würde ihm nicht noch einmal passieren, schwor er sich.

      Mit seinen Gedanken war er wieder bei der neuen Wohnung. Vielleicht sollten sie doch eine Wohnung direkt in Bonn suchen. Da wäre sicherlich mehr Leben und Abwechslung als in diesem kleinen Vorort Troisdorf-Bergheim. Nur sie sollten schnell eine Wohnung finden, denn lange mochte er den jetzigen Zustand nicht mehr ertragen. Sein gesamtes Mobiliar befand sich noch in seiner alten Wohnung. Lediglich den größten Teil seiner Kleidung und einige Classic-CDs hatte er mitgenommen.

      Immer wieder kam es vor, dass er zur alten Wohnung fahren musste, um irgendetwas zu holen. Dieser Zustand missfiel ihm in höchstem Maße. Im Grunde war er ein Mensch, der seine Ordnung und sein gemütliches Heim benötigte, damit er vom Arbeitsstress abschalten konnte. Der jetzige Zustand war da in höchstem Maße kontraproduktiv.

      „Warum nur musste sich die Wohnung in dieser Einöde befinden?“, dachte er immer wieder.

      Und dann beschäftigten ihn noch einige andere Fragen.

      „Wie verhalte ich mich Susanne gegenüber?“

      Und: „Wieso war ich ihr gegenüber so verlegen. Kribbelte es sogar bei mir im Bauch?“

      „Nein“, entschied er, „für solche Gefühle bin ich schon zu alt und habe zu viel erlebt.“

      Er wunderte sich über sich selbst, dass seine Gedanken immer wieder zu seiner Freundin und zu einer möglichen Wohnung abdrifteten. Und jetzt beschäftigten sich seine Gedanken auch noch mit Susanne.

      Nein, er lehnte es ab, als sich ein Chaos in seinem Gehirn breitmachen wollte. Er musste