Totenstille am See. Heribert Weishaupt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heribert Weishaupt
Издательство: Bookwire
Серия: Troisdorf-Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783939829997
Скачать книгу
in seiner Freizeit meldeten, denn das hieß meistens, dass er seine privaten Aktivitäten unterbrechen und unverzüglich seinen Dienst aufnehmen musste. Und so war es wahrscheinlich auch heute.

      „Eisenstein“, meldete er sich unfreundlich wegen der Störung. Er ging in das leere Schlafzimmer nebenan, damit er unbehelligt telefonieren konnte.

      „Entschuldigen Sie bitte die Störung, Herr Hauptkommissar. Aber es wurde eine Leiche gefunden“, druckste die Kollegin, denn sie wusste, wie ungern ihr Chef an einem Sonntagmorgen gestört werden wollte. Besonders, seitdem er diese Freundin hatte. Es schien ihr, als ob Eisenstein mit den Gedanken nicht immer bei seiner Arbeit war, sondern sich ausschließlich alles um seine Freundin drehte.

      „Na, toll. Eine Leiche. Und das an einem Sonntagmorgen. Wo?“

      Eisensteins gute Laune war mit einem Male dahin.

      „Am Sieglarer See“, erhielt er einsilbig die geforderte Information.

      „Wo ist denn das nun wieder? Können Sie mir sagen, wie ich dahin komme?“, fragte er unfreundlich. „Geben Sie einfach die Hüttenstraße in Troisdorf in Ihr Navigationsgerät ein. Dort finden sie einen Wanderparkplatz, wo ein Kollege Sie erwartet“, kam sofort die konkrete Antwort.

      „Danke. Ich mache mich auf den Weg.“

      Eisenstein beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder in seine Jackentasche.

      „Wer hat angerufen? Doch hoffentlich nicht deine Dienststelle?“, erkundigte sich Inka mit traurigem Gesichtsausdruck. Sie hatte trotz des angeregten Gespräches mit dem Makler mitbekommen, dass Eisenstein ein Telefonat geführt hatte.

      „Es wurde eine Leiche gefunden. Ich muss leider los“, entgegnete Eisenstein.

      „Klärst du alles Weitere mit dem Makler? Wir sprechen dann heute Abend darüber“, bat er seine Freundin.

      „Okay, mache ich. Hoffentlich dauert es nicht zu lange.“

      Zum Makler gewandt meinte er kurz: „Es tut mir leid. Ich muss leider weg. Mein Dienst. Sie verstehen sicher.“

      Eilig umarmte er seine Freundin. Noch ein flüchtiger Kuss, denn er war mit den Gedanken bereits im Dienst, und schon schlug die Wohnungstüre hinter ihm zu.

      Er setzte sich in seinen BMW, den er sich im vergangenen Jahr angeschafft hatte, und programmierte sein Handy mit den Angaben, die er von seiner Kollegin im Kommissariat in Bonn erhalten hatte.

      Noch immer war das Navigationsgerät in seinem Wagen sein wichtigster Begleiter. Vor circa zwei Monaten hatte er die Stelle als leitender Kriminalhauptkommissar der Abteilung für Kapitalverbrechen übernommen. Bis dahin kannte er sich überhaupt nicht, weder in Bonn, noch in der Umgebung aus. Obschon er fast täglich Außentermine wahrnehmen musste, hatte er sich noch keinen fundierten Überblick über die Verkehrsinfrastruktur der Stadt Bonn und des Rhein-Sieg-Kreises verschafft. Ohne Navi wäre er aufgeschmissen.

      Nachdem das Gerät einen Satelliten gefunden und die Route berechnet hatte, trat er das Gaspedal viel zu hart durch, so dass die 184 PS seines BMWs einen schwarzen Reifenabdruck auf dem Asphalt hinterließen, und machte sich auf den Weg zum Sieglarer See.

      Die zu dieser Jahreszeit noch tief stehende Morgensonne blendete Kommissar Frank Eisenstein, als er durch die schmale Zufahrt auf den Wanderparkplatz am Hochwasserdamm der Sieg einbog. Mehrere PKW und zwei der üblichen, blauen Streifenwagen, sowie ein VW-Bus standen auf dem Parkplatz.

      „Na toll, die gesamte Mannschaft der Spurensicherung und der Rechtsmedizin ist bereits eingetroffen“, stellte er leicht säuerlich fest, indem seine Mundwinkel nach unten fielen.

      Er mochte es nicht, wenn er am Tatort ankam und dort bereits eine Menge Menschen umherwuselten. Er erhielt dann keinen uneingeschränkten, objektiven Eindruck mehr vom Tatort. Es war nun eben heute nicht mehr zu ändern. Der Unfall am Ortseingang von Bergheim an der Einbiegung zur L 269 hatte ihn erhebliche Zeit gekostet.

      Der Parkplatz war holprig und Eisenstein lenkte seinen Wagen bis zum Ende der Fahrzeugreihe seiner Kollegen. Er hatte gerade den Motor abgestellt und die Tür zum Aussteigen geöffnet, als eine freundliche und bestimmte Stimme an sein Ohr drang:

      „Sie sind sicher Kriminalhauptkommissar Eisenstein? Mein Name ist Grunert, Polizeiwache Troisdorf.“

      Ein Mann, etwa Mitte dreißig, beugte sich zu ihm hinunter und reicht ihm seine Hand. Eisenstein fand es noch immer recht befremdend, wenn ihn jemand mit seiner neuen, vollständigen Berufsbezeichnung ansprach. Die Anrede mit Kriminalhauptkommissar durch den freundlichen Polizisten war für Eisenstein noch ungewohnt.

      „Ja, richtig. Sie begleiten mich zum See“, entgegnete Eisenstein mehr als Aufforderung denn als Frage.

      „Ja, ja. Folgen Sie mir bitte. Es sind nur wenige Hundert Meter bis zu der Stelle am See.“

      Und schon schritt der freundliche Polizist vorweg. Eisenstein schwang sich aus dem Wagen und folgte mit einigen Metern Abstand.

      Sie überquerten den Damm und kamen in ein Waldgebiet. Der Weg wurde feuchter, und an manchen schattigen Stellen standen noch Wasserlachen der vergangenen Tage. Eisenstein schaute missmutig auf seine dunkelblaue Anzugshose und seine schwarzen Lackschuhe. Wie sollte er heute Morgen ahnen, dass ein Einsatz an einem matschigen Seeufer bevorstand? Noch heute würde er ein Paar derbe Schuhe oder Stiefel für Einsätze wie diesen im Wagen platzieren. Sein Dienstbereich umfasste schließlich jetzt auch ländliche Gegenden. Und dem musste er Tribut zollen.

      Kurz vor dem Seeufer wollten sie in einen schmalen Pfad einbiegen, der mit einigen Metern Abstand zum Wasser am Seeufer entlangführte. Ein Absperrband der Polizei sollte dafür sorgen, dass kein Unbefugter den Weg betrat. Zusätzlich achtete ein Polizist darauf, dass diese Maßnahme auch beachtet wurde.

      „Guten Morgen, ich bin Kommissar Eisenstein“, grüßte Eisenstein freundlich, und Grunert nickte bestätigend dem Polizisten zu.

      „Waren noch keine Schaulustigen hier?“, fragte er.

      „Es waren einige Spaziergänger hier und ein, zwei Jogger. Aber kein Problem“, antwortete der Polizist.

      Eisenstein und Grunert bückten sich unter das Absperrband und folgten dem Pfad. Inzwischen stand die Sonne direkt über den Wipfeln der Bäume am gegenüberliegenden Ufer. Ihre Strahlen ließen das Wasser glitzern und drangen auch auf den schmalen Weg. Der Morgennebel hatte sich vollständig aufgelöst, und um die rosafarbenen Blüten des Springkrautes surrten die ersten Wespen. Obschon Eisenstein seine Kollegen noch nicht sehen konnte, hörte er bereits aus einiger Entfernung deren leises Gemurmel und geschäftiges Treiben. Hinter der nächsten Wegbiegung hatten sie ihr Ziel erreicht. Der Pfad war vollständig zugestellt mit irgendwelchen Koffern, Stangen, Stativen und sonstigem Gerät.

      „Da wären wir“, bemerkte Polizist Grunert unnötiger Weise, als ob Eisenstein dies nicht selbst bemerkt hätte.

      Grunert ließ Eisenstein den Vortritt, indem er sich mit dem Rücken in das Springkraut drängte und Eisenstein mit der Hand auffordert, vorbeizugehen. Eisenstein zog die Beine hoch und in einem fast anmutig wirkenden stelzenden Gang über niedergetretene Stängel des Springkrautes suchte er sich den Weg bis zur Angelstelle.

      Der Polizeifotograf hatte seine Arbeit bereits erledigt und packte gerade seine Kamera und die weiteren Utensilien in mehrere, bereitstehende Koffer.

      „Hallo, Herr Kommissar. Ich bin hier fertig. Endlich mal wieder eine Leiche in unserem Bereich und dann noch in so einem schönen Ambiente hier am See. Viel Erfolg“, meinte er scherzend zu Eisenstein.

      Eisenstein kannte den Mann nicht. Der Mann trug eine helle Cordhose und ein dunkleres Cord-Sakko und entsprach mit dieser Kombination überhaupt nicht Eisensteins Stil. Insgesamt machte er jedoch auf ihn einen gepflegten Eindruck. Woher dieser Fotograf wusste, dass er der zuständige Kommissar war, konnte Eisenstein nicht nachvollziehen.

      „Schön, dass Sie sich über