Afrika - Leben, Lachen, frei sein. Silas Jäkel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Silas Jäkel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783962298029
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nach allen Seiten um. „Ah, you mean tip. Money. Sag das doch gleich!“ Ich setzte meinen Rucksack ab und holte den weißen Umschlag heraus, in dem ich meine bestellten namibischen Dollar aufbewahrte. Die Scheine schimmerten in allen möglichen Farben. Gelb, grün, lila, blau, rot. Auf den meisten Scheinen waren Springböcke zu sehen, auf manchen waren sogar die Körper von Büffeln und Löwen abgedruckt. Das Geld hier hatte echt seinen Charme. Kein Vergleich zu Euro-Noten, auf denen langweilige Brücken oder Frauen mit Hochsteckfrisuren zu sehen sind.

      Ich blätterte durch die Löwen und Büffelköpfe. Ich hatte keine Ahnung, wie viel ich ihm geben sollte. Zumal ich auch gar nicht mehr wusste, wie der Umrechnungskurs von Rand zu Euro war.

      „How much do you want?“(-> Fehler Nummer 1 an diesem Tag).

      „Five hundred!“ Ohne zu überlegen reichte ich ihm fünf rote Löwinnen. Ein wenig überrascht nahm er die hundert Dollarscheine schnell entgegen und steckte sie in seine Westentasche. „Ähh …“ Ich glaube, er hatte sich mental aufs Handeln und Feilschen eingestellt. „Thank you?“

      „You are welcome.“ Ich lächelte und steckte den Briefumschlag mit den restlichen Tieren zurück in die Tasche. Ich hoffte, dass ich ihn und seine aufdringliche Freundlichkeit nun endlich los war. Doch er ging nicht.

      „I can bring you to security check.“

      „No thank you. I just want to go to the store to buy some …“

      „Follow me.“ Er ließ ein Nein meinerseits nicht gelten. Zwanzig Meter hinter dem Gate-Schild blieb er stehen. Wir standen jetzt direkt vor der Sicherheitsschleuse.

      „Here we are.“

      „Yes, here we are. Thank you. Have a nice day. Bye.“

      „Hey, hey, hey. My friend.“ Er grinste. „What is with a second tip? For the way to the security check …“

      Es folgt Fehler Nummer 2 an diesem Tag, der ein wenig an Fehler Nummer 1 erinnerte:

      „How much?“

      „300.“ Er streckte seine Hand grinsend aus. Wieder holte ich den Umschlag aus meinem Rucksack hervor. Ich gab ihm zwei grüne Antilopen und einen lila Büffel.

      „Here, but that is the last tip today.“ Er nickte, verabschiedete sich und lief davon. Was ein Typ, dachte ich und setzte meinen spürbar leichter gewordenen Rucksack wieder auf. Wenige Meter später legte ich ihn bei der Sicherheitskontrolle behutsam in eine graue Kiste, mit der er dann auf dem Rollbrett durch den Tunnel zum Scannen geschoben wurde. Auf der anderen Seite des Tunnels durfte ich ihn vor dem Aufsetzen noch mal vor den Augen eines Sicherheitswachmannes ausräumen, ehe es dann mit einer voller Cola-Flasche weniger zum Ausreisestempeln ging.

      Fassungslos begutachtete ich meinen Pass. Ich saß auf einer Bank und hatte eigentlich perfekte Sicht auf die Landebahn, doch das interessierte mich jetzt nicht. Dieser eine Stempel auf der zweiten Seite im Reisepass ließ mich nicht los. Gute fünfzig Euro hatte er mich gekostet. Fünfzig Euro oder anders ausgedrückt: Fünf rote Löwen, zwei grüne Antilopen und ein lila Büffel. Achthundert Rand - gut ein Drittel meines Geldes war weg. Dreitausend hatte ich insgesamt mitgenommen. Jetzt waren es nur 2200, und das nach einem Tag. Wie sollte das nur weitergehen? Mit angesäuertem Blick wuschelte ich mit der Hand durch meine Haare in der Hoffnung, eine Erklärung zu finden. Ich war richtig sauer und angepisst. Sauer auf mich selbst, weil ich so naiv war. Wie konnte ich bitte nur so dumm und naiv gewesen sein? Wie konnte ich mich nur so abziehen lassen? Wie? Wie ich es auch drehte und wendete, es ließ sich jetzt nicht mehr rückgängig machen. Kopfschüttelnd verstaute ich den Pass mit dem teuren Stempel-Souvenir wieder in meinem Rucksack und widmete mich meinem Handy. Ich konnte den Pass nicht mehr sehen. Zumindest funktionierte jetzt das Flughafen-WLAN. Wenigstens eine Sache im Vergleich zu meinem gesunden Menschenverstand. Ich ging auf WhatsApp in die Familiengruppe und las die Nachrichten, die ich seit Zürich zugeschickt bekommen hatte.

      „Schlaf schön und melde dich morgen, wenn du gelandet bist. Gute Nacht. :*“ (Mama, um 22:30 Uhr).

      „Guten Morgen. Hast du schlafen können? Wie war der Flug? Deine neugierige Mutter, hihi. ;D“ (Mama, um 11 Uhr).

      „Hey Silas, bist du schon gelandet? Papa.“ Ich starrte auf den Chatverlauf und überlegte, was ich ihnen schreiben sollte. Sie sollten sich bloß keine Sorgen machen und nicht wissen, dass ich gerade abgezogen worden war. Ich beschloss, ihnen die Geschichte mit dem selbstständigen Flughafentypen erst zu erzählen, wenn ich zurück in Deutschland war. Wenn es dazu überhaupt kommen sollte. Wenn mich schon ein einfacher Mitarbeiter am Flughafen übers Ohr haut, was macht dann erst ein echter Löwe oder Gepard mit mir auf der Farm? Während ich leicht verunsichert war und mein Selbstbewusstsein im Keller suchte, deutete meine Nachricht auf das komplette Gegenteil hin:

      „Bin gerade gelandet. Mir geht es super. Alles läuft bisher nach Plan. Außer kurzen Turbulenzen über Tunesien keine Vorfälle. Gehe jetzt was essen und melde mich, wenn ich in Windhoek gelandet bin.“ Ein grinsender, fröhlicher Smiley fehlte in der Nachricht. Was sollte ich auch anders schreiben, um meine Eltern nicht zu beunruhigen?

      Fröhlich und mit einem breiten Grinsen schaute ich zwei Stunden später aus dem Fenster. Die vielen Wolkenberge hatten meinen Ärger über die 800 Rand vergessen lassen. Große weiße Wolken, die sich zusammengeschlossen hatten und regungslos am Himmel schwebten. Jede Wolke warf einen dunklen Schatten in die sonnige Landschaft. Ein Phänomen, das ich zum ersten Mal in meinem Leben beobachten konnte. Damals nach Hamburg war es bewölkt und dunkel gewesen. Fasziniert knipste ich von dem Wolkentreiben ein paar Bilder. Alles sah so herrlich aus. Das strahlende Weiß der Wolken, der tiefblaue Himmel und die afrikanische Savanne darunter, die von lauter Bäumen und Büschen übersät war. Nur das Geräusch der Turbinen erinnerte einen daran, dass man sich gerade in einem Flugzeug befand und kein Vogel war.

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      „Sir, do you want to eat or drink something?“ Der Essenswagen war mittlerweile in unserer Sitzreihe angekommen. Es gab irgendein Fleischgericht, dazu Kartoffeln und Gemüse. „Sir?“ Ich brauchte einen Moment, bis ich begriff, dass der Mann von South African Airlines mit mir sprach. Gedankenverloren hatte ich seit dem Start die ganze Zeit aus dem Fenster geschaut.

      „Just a water for me. Thank you.“ Dankend nahm ich die kleine Wasserflasche entgegen. Obwohl ich vor gut einer Stunde noch eine ganze Kanne Rooibostee getrunken hatte, hatte ich jetzt schon wieder einen Höllendurst. Der Geschmack vom Mittagessen lag noch immer auf der Zunge. Zusammen mit frischen Strauchtomaten, sämtlichen Kräutern und Knoblauchöl wurden mir leckere Spaghetti im Restaurant serviert. Sie schmeckten herrlich. Noch nie hatte ich in Afrika so gute Pasta gegessen. Selbstverständlich gab ich der Kellnerin Trinkgeld. Diesmal hatte der Tip eine Null weniger. Zufrieden und noch immer gut gesättigt schaute ich zu meiner Sitznachbarin, die sich gerade ein großes Stück Fleisch mit Soße auf die Gabel schob. Sie war recht stämmig und gut gebaut und trug ein großes Kleid mit verschiedenen Mustern und Symbolen drauf. Ein bisschen sah sie wie ein Pfau aus, zumindest präsentierte sie so voller Stolz ihr Gewand.

      „Enjoy your meal.“ Ich lächelte ihr zu. Freundlich lächelte sie mit vollen Hamsterbacken zurück. Sie hatte sich für den Gockel mit Reis entschieden und es schien ihr gut zu schmecken.

      „No, no thank you, I do not want.“ Sie hatte ihren Teller in meine Richtung geschoben, doch ich lehnte dankend ihr Angebot zum Probieren ab. „I am full, haha. I had pasta at the airport.“ Sie nickte und widmete sich wieder ihrem Teller. Vor dem Start hatten wir uns ein wenig über meine Reise und das Thema Religion unterhalten. Mary arbeitete für die evangelische Kirche und war auf dem Heimweg nach Windhoek. Sie hatte erzählt, dass sie für die Kirche durch die ganze Welt flog, um Gottesdiente abzuhalten und mitzugestalten. Sogar in Wuppertal sei sie schon mal gewesen und mit dem „flying train“ gefahren. Mit ihrer Frage, ob ich religiös sei, hatte sie mich sehr zum Nachdenken gebracht. Ich wusste es nicht so richtig. Ich ging zwar immer Heiligabend mit meiner Familie in die Kirche, doch als wirklich religiös würde ich mich nicht bezeichnen. Zumindest hat mein Glaube nichts mit Religion oder irgendeiner Ideologie zu tun. Meiner Meinung