Afrika - Leben, Lachen, frei sein. Silas Jäkel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Silas Jäkel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783962298029
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      Ich legte das Handy auf den Nachttisch und stöpselte es, verbunden mit dem Aufladekabel, in die Steckdose dahinter. Die Batterie am Bildschirm leuchtete grün auf. Ich schnappte meine Wasserflasche, zog meine Flip-Flops an und die Zimmertür hinter mir zu. Mit Sonnenmilch und Brille bewaffnet ging ich nach draußen zur Treppe und setzte mich auf die oberste Stufe. Dort beobachte ich in aller Ruhe, wie die Sonne mit ihren warmen Strahlen hinter den Hügeln Windhoeks verschwand und den Abend einläutete.

      EXPECT THE UNEXPECTED

      (CHAPTER FIVE)

      „Ich meine schon“, antwortete mir Marlene auf meine Frage, ob der Shuttlebus zur Farm nicht schon um 9 Uhr kommen sollte. „Bissl spät, der Gute.“ Sie lachte und richtete ihre Brille. Ihr Wiener Dialekt war unüberhörbar. Georg hatte mir am Vortag auf der Autofahrt vom Flughafen schon von ihr erzählt. Sie sollte wie ich die nächsten vier Wochen am „Go Wildlife“-Projekt teilnehmen und mitten im Busch auf einer Farm leben. Sie war einige Stunden vor mir in Windhoek gelandet und in der Unterkunft eingecheckt. Unsere erste Begegnung war am Vorabend ein wenig holprig verlaufen. Nach dem Sonnenuntergang war ich an ihrem Zimmer vorbeigegangen und hatte an ihre Tür geklopft. Mit verschlafenen Augen öffnete sie mir und wusste erst gar nicht, was los war. Erst als ich meinen „Hello Roomservice“-Spruch beim Klopfen als Joke enttarnte, verstand sie, dass ich kein Mitarbeiter der Unterkunft war. Gemeinsam mit ihr und unseren Koffern saß ich jetzt auf der Veranda auf einer Bank und beobachtete den Papagei, wie er immer wieder einen Fuß durch den Käfig streckte und „Hallo“ sagte. Langsam bekam ich ernste Zweifel, dass wir heute noch abgeholt würden. Es war mittlerweile elf Uhr, und immer noch war vor dem grünen elektronischen Tor weit und breit kein Bus in Sicht.

      „Where is the bus?“ Georg streckte seinen Kopf aus der Tür und wunderte sich, dass wir immer noch dasaßen. Wir hatten uns eigentlich schon vor zwei Stunden von ihm verabschiedet. Wir beide zuckten mit den Schultern.

      „We do not know …“, sagte Marlene in seine Richtung.

      Georg erzählte, dass zwei Stunden Warten auf den Shuttle keine Seltenheit sei. Oft musste der Fahrer mehrere Unterkünfte abklappern, um alle Volontäre einsammeln zu können. Da muss er ja dieses Mal viele einsammeln, dachte ich mir.

      „Ich bin schon richtig gespannt auf die anderen Volontäre“, sagte Marlene. „Vor allem, woher die alle so kommen.“

      „Ich bin auch gespannt, mit wem man so aufs Zimmer kommt.“ In der Vorbereitungsmail hatte ich bereits gelesen, dass maximal vier Personen in einer Unterkunft zusammenleben würden. Getrennt nach Jungen und Mädchen natürlich. „Und auf das Essen bin ich vielleicht gespannt. Ich hoffe, dass wir rechtzeitig zum Mittagessen auf der Farm ankommen. Ich könnte schon wieder was essen.“

      „Ernsthaft?“ Marlene schaute ungläubig durch ihre großen Brillengläser. „Wir haben doch vorhin erst gefrühstückt. Hattest du nicht vier Toasts mit Spiegelei und Schinken gegessen?“ Sie lachte.

      „Erstens waren es sechs und zweitens: Was verstehst du bitte unter vorhin? Vorhin ist drei Stunden her haha.“ Ich durchwühlte meine Tasche und holte einen Schokoriegel hervor. Mit diesem und mehreren Wasserflaschen hatte ich mich gestern Abend noch eingedeckt, als ich mit Georg zu einem Supermarkt fuhr. Er hatte mir angeboten, mich zu einer Pizzeria zu bringen, da es in der Unterkunft nur Frühstück gab. Zum Dank spendierte ich ihm zwei Dosen Bier, über die er sich sehr freute. Während sich die abendliche Fahrt für ihn mehr als gelohnt hatte - eine Dose trank er noch auf der Rückfahrt vom Supermarkt zur Unterkunft leer -, war meine Freude über die Pizza eher relativ. Ich hatte noch nie so viele Oliven auf einer Pizza gesehen. Ich hasste Oliven und war dementsprechend zurück auf meinem Zimmer mehr mit Olivenrauspicken als mit Essen beschäftigt. Satt wurde ich trotzdem.

      Ein Hupen ertönte, gefolgt von einem weißen Bus, der vor dem Einfahrtstor hielt. Mehr enttäuscht als glücklich steckte ich den Riegel wieder in meine Tasche. Ich hatte mich schon auf ihn gefreut. Marlene und ich verabschiedeten uns von Georg und liefen mit unserem Gepäck dem Bus entgegen. Hinter dem Bus war ein kleiner Anhänger eingespannt, auf dem der Fahrer schon wartete. Er begrüßte uns und nahm uns die Koffer ab.

      „What about this?“, fragte ich ihn und zeigte auf meinen Rucksack am Rücken. Ich war mir nicht sicher, ob im Bus für ihn Platz war. „You can put the bag under your seat.“ Zufrieden mit der Antwort folgte ich Marlene mit dem Rucksack in der Hand und kletterte die schmale Treppe ins Businnere hoch. Zu unserer Überraschung war der Bus komplett leer. Keine zwanzig Volontäre, die zwei Stunden Verspätung hätte begründen können. Komisch.

      „Komm, wir gehen nach hinten. Da ist noch alles frei.“ Wir zwängten uns mit unserem Handgepäck durch den schmalen Gang in den hinteren Teil des Busses.

      „Whaaats up, guys?“ Erschrocken schaute ich in die letzte Reihe. Der Bus war doch nicht leer. Ganz hinten links saß ein Junge, der neugierig seinen Kopf über die Kopflehne des vorderen Sitzplatzes streckte. Das glaub ich nicht. Das kann nicht wahr sein. Sofort schoss mir ein Name durch den Kopf: Harry Potter. Bis auf die fehlende Narbe auf der Stirn sah er aus wie Harry. Kurzes schwarzes Haar, Nerdbrille und englischsprachig. Er grinste uns schief an. Marlene und ich reichten ihm die Hand zur Begrüßung. „Hi, I am Marlene.“ „Nice to meet you.“ „Nice to meet you, too. My name is Silas. What is your name?“ Gespannt schaute ich ihn an. Wenn sein Name jetzt mit „H“ beginnen sollte …

      „I äääääm McKäääänzie“, sagte er langsam. Er hörte sich stark nach einem Amerikaner an. Zumindest deutete sein Englisch darauf hin. Jedes „a“ hörte sich wie ein lang gezogenes „ä“ an. „Nice to meet you McHänsi. Right?“ „No, McKääääänzie …“

      Ich schaute fragend zu Marlene. „Hast du seinen Namen verstanden?“ Sie schüttelte den Kopf. „Mmh. Where do you come from McK äh …“ „McKäääänzie. I am McKääääänzie.“ „Äh yes.“ Ich grinste und tat so, als ob ich seinen Namen jetzt verstanden hatte. „Where are you from?“

      „I ääääm McKääääänzie from the United States of Ääääämerica. I live in Määäässääächusetts.“

      „Ah nice“ Ich streckte ihm den Daumen entgegen. Während Marlene in der letzten Reihe zwei Plätze neben McKenzie Platz nahm, setzte ich mich eine Reihe davor auf einen Einzelplatz. McKenzie war jetzt richtig in Redelaune. Er erzählte uns, dass er bereits zum fünften Mal in Namibia war. Er hatte sich in die Farm und die Tiere verliebt und genoss jeden seiner Aufenthalte. Diesmal wollte er insgesamt für zweieinhalb Monate bleiben. Der Bus setzte sich in Bewegung. Neugierig schaute ich mich im leeren Bus um. Die Sitze waren völlig verstaubt. Man musste nur seine Hand sanft auf den Stoff legen, um den feinen Staub zum Tanzen zu bringen. Schnell öffnete ich das Fenster, um ein wenig Fahrtwind ins Innere zu lassen. Ich vermutete, dass der Bus über keine intakte Klimaanlage verfügte. Egal. Zumindest hatte meine Hose heute die richtige Länge. Wir entfernten uns von dem gelben Gebäude und fuhren durch kleinere Nebenstraßen. Zur Hauptstraße hin wurde es immer lauter. Autos und Taxis hupten regelrecht um die Wette, während Kinder auf den Schulhöfen miteinander spielten und wild durcheinanderschrien. Sie trugen beige Uniformen und winkten uns beim Vorbeifahren neugierig zu. Unser Fahrer erzählte uns, dass wir gleich noch eine weitere Teilnehmerin am Flughafen abholen würden. Davor müsse er aber am Bahnhof noch zwei Mitarbeiter der Farm einsammeln. Eine Sache von wenigen Minuten - nicht zeitaufwendig. Sechzig wenige Minuten später fuhren wir vom Bahnhofsgelände wieder ab. Meine Uhr zeigte 12:25 an und ich freundete mich langsam mit dem Gedanken ab, dass wir es nicht mehr rechtzeitig bis zum Mittagessen schaffen würden. Vom Flughafen brauchte man in der Regel drei Stunden bis zur Farm, und der war noch lange nicht in Sicht. Es musste 1 Uhr gewesen sein, als unser Fahrer aus seiner Fahrerkabine stieg und sich mit Pappschild Richtung Ankunftshalle auf den Weg machte. Sein Schlendern verriet, dass er es nicht sonderlich eilig hatte. Zehn Minuten später tauchte er mit einem schwarz gekleideten Mädchen wieder auf. Gespannt beobachteten wir vom Bus aus, wie sich die beiden uns näherten.

      „Richtiger Gentleman“, stellte Marlene fest und rückte ihre Brille zurecht.

      „Wie