Königin Iput gefiel es Feste zu feiern, auf denen sie auch die Meinung der Priester und Beamten bezüglich deren Loyalität gegenüber Pharao ergründen konnte. Die große königliche Gemahlin war mit dem, was sie zu hören bekam, zufrieden. Sie ging zu ihrem Gemahl und sagte: „Ich bin sehr glücklich darüber, wie es dir gelungen ist, die Herzen unserer Untertanen zu erreichen. Deine Macht ist gefestigt. Doch ich habe auch großes Verlangen unseren Sohn Senebkay bei uns zu haben. Schicke Boten nach Itaui zu meiner Mutter. Sie möge mit unserem Kind hierherkommen.“
Neferhotep war gleicher Meinung, und da er noch einige Zeit in Theben bleiben wollte, sandte er Diener zu seiner Schwiegermutter nach Itaui.
Der besiegte Senaaib schien wie vom Erdboden verschwunden. Pharaos Häscher konnten ihn nirgendwo auffinden. Tatsächlich hielt er sich noch in Theben auf. Einer seiner Brüder war zweiter Prophet im Tempel des Mondgottes Chons. Eines Tages erschien dieser Priester zur Audienz und wurde zur Majestät vorgelassen. „Herr der beiden Länder, dem die beiden Ufer des Nil untertan sind, du bist der wahre Sohn des Sonnengottes. Auch der mächtige Gott Chons möchte dich begrüßen und nur dir seine Geheimnisse mitteilen. In zwei Tagen erscheint der Gott in voller Größe am nächtlichen Himmel. Komme dann in seinen Tempel. Ganz allein, nur dich will er in seinem Allerheiligsten empfangen“, sprach der verräterische Priester.
Pharao Neferhotep fühlte sich in Theben sehr sicher. Zur ausgemachten Zeit ging er mit seinen Wachen zum Tempel des Mondgottes. Chons dominierte die Nacht in voller Größe. Vor dem Allerheiligsten ließ die Majestät seine Leibgarde zurück und begab sich allein in den geheimen Raum. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an das Halbdunkel. Er hörte ein Geräusch und sah sich um. Aus einer Nische trat ein Mann hervor. War das etwa der Gott selbst? Doch der Fremde zückte einen Dolch und schrie: „Hier wirst du sterben, du Feind Ägyptens. Du sollst wissen, es ist Senaaib, der dir den Todesstoß bringt, um dann für immer auf dem Thron des Sonnengottes zu sitzen!“
Pharao zog ebenfalls seinen Dolch, um den Angriff abzuwehren. Ruhig wartete er ab, wie sein Gegner auf ihn losstürmte, wich aus und stieß ihm seinen Dolch in die Brust. Der tödlich getroffene sackte auf seine Knie und ritzte noch im Fallen mit seiner Waffe Pharao Neferhoteps Oberschenkel. Die Klinge durchtrennte eine Schlagader. Noch eine Weile stand der Herr der beiden Länder aufrecht und versuchte das Ausströmen des Blutes zu stoppen. Vergeblich, nicht lange, und auch er trat die Reise zu seinen Vorgängern an.
Als die Männer der Leibgarde, vom Kampflärm alarmiert, in den geheimen Raum eintraten, lag seine Majestät bereits reglos in einer Blutlache auf dem Boden. „Bringt mich in den Palast, zu meiner Frau“, röchelte er, bevor er ganz verstummte.
Königin Iput nahm gerade ein Bad, als ein Unteroffizier der Palastgarde, völlig außer Atem erschien und rief: „Herrin, Herrin, es ist ein großes Unheil geschehen! Seine Majestät, er der die beiden Länder befriedet hat, Pharao wurde ermordet!“
Gänzlich unbekleidet rannte die große königliche Gemahlin zum Thronsaal, wo man den guten Gott auf eine Liege gebettet hatte. „Nein, es darf nicht sein! Warum hat man mir das angetan? Wer konnte es wagen, den Sohn des Sonnengottes zu töten, meine Liebe!“, rief sie und brach in Tränen aus. Sie küsste noch einmal den Mund ihres Gemahls, dann sprach sie: „Ich will Rache, findet den Mörder und bringt ihn hierher. Ich will ihm jeden Fetzen seiner Haut abziehen! Er soll leiden. Für ihn darf es kein Weiterleben in der Unterwelt geben!“
„Meine Königin, neben seiner Majestät lag noch ein Mann. Er war nicht mehr bei den Lebenden. Pharaos Dolch steckte in seiner Brust“, sagte der Unteroffizier.
„Dann ist Pharao wie ein starker Stier gestorben. Er wird immer in meinem Herzen bleiben, bis wir vereint bei den Göttern sein dürfen. Geht und holt seinen Mörder. Er muss für alle Zeit ausgelöscht sein. In der Feuerschale soll er brennen, bis sein Körper und Geist vergangen sind“, befahl Königin Iput.
Die Wachen gingen, um ihren Auftrag auszuführen. Doch so sehr sie auch alle Räume im Tempel des Chons absuchten, sie konnten den Leichnam des Täters nicht finden. Auch der von Pharao Neferhotep vertriebene Vorgänger Senaaib hatte noch treue Unterstützer, die ihm ein königliches Begräbnis ermöglichten.
Die Königin schluchzte: „Auch meine Rache wollen sie mir nehmen. Es müssen Priester und Vornehme sein, die meine Feinde sind. Ich will sie sehen, will wissen, wem ich nicht trauen kann, wer mir übel gesinnt ist. Sie wissen, dass nur wenige Soldaten bei mir sind. Aber sie sollen sich in mir getäuscht haben. Geht und ruft sie alle zusammen. Morgen will ich Thebens Elite im Thronsaal sehen!“
Die Männer von Pharaos Palastgarde hatten sich neben der großen königlichen Gemahlin aufgestellt, als die Würdenträger Thebens vor ihr erschienen. An ihrer Spitze der Hohepriester des Amun. Sie alle fielen vor Königin Iput auf die Knie, und sie erlaubte es den Anwesenden erst nach einer Weile sich erheben zu dürfen.
„Große Königin, Herrin Ägyptens, wir alle trauern tief und empfinden mit dir. Pharao Neferhotep, der die beiden Länder geeint hat, er, der Sohn des Sonnengottes, hat unser aller Herzen sehr berührt. Wir alle wissen, der gute Gott wird uns immer wohl gesonnen bleiben. Wir stehen hier vor dir, du bist unsere große Königin“, sprach der Hohepriester des Amun.
„So schwört mir eure Treue, ich will als Regentin für Pharaos und meinen Sohn die Geschicke des Reiches lenken. So wie in mir, fließt auch in meinem Sohn das Blut des mächtigen Pharao Dedumose, der mein Vater war“, gab Iput den Anwesenden zu verstehen.
„Große Herrin, der du an Vollkommenheit der Isis gleich bist, du wirst immer eine Königin Ägyptens sein, und wir alle sind deine Diener. Doch sieh ein, wir müssen auch an das Wohl der beiden Länder denken. Da sind viele Gefahren für das Reich. Wir, die Vornehmen Ägyptens, müssen uns erst beraten, wie es weitergehen soll. Unsere Trauer, aber auch unsere Verantwortung ist sehr groß“, gab ihr der Hohepriester zu verstehen.
Iput konnte nur schwer einen Wutanfall unterdrücken. Aus den ausdruckslosen Minen der Anwesenden konnte sie nicht erkennen, wer auf ihrer Seite stand und wem sie nicht trauen durfte. Diese Heuchler, dachte sie, die wollen mich am liebsten loswerden. Aber ich werde kämpfen, und sie antwortete den Anwesenden: „Ich schätze eure Loyalität und sehe sehr wohl, wie sehr ihr um Ägypten besorgt seid. Nehmt euch Zeit und wägt gut ab, was das Beste für das Land ist.“ Ohne etwas erreicht zu haben, entließ sie alle Priester und die Beamtenschaft.
Die Königin eilte in ihre Privatgemächer, um ihre weiteren Schritte zu überdenken. Wirre Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Sie hatte Angst. Ihr wurde bewusst, dass sie schnell und entschlossen handeln musste, um ihren Widersachern Paroli zu bieten. Sie atmete tief durch und befahl einer Dienerin den Hauptmann der pharaonischen Leibwache zu rufen. „Pharao Neferhotep hat dich immer sehr gemocht. Deinen Mut und deine Treue hat die Majestät sehr geschätzt. Genauso vertraue ich jetzt auch dir. Bestimme ein paar zuverlässige Männer und schicke sie zum Wesir, der mit Ägyptens Soldaten Nubien befriedet. Sie sollen ihm berichten, was geschehen ist. Er möge sich sofort zu mir begeben“, trug sie ihm auf.
Wesir Sobekhotep befand sich mit seiner Armee bereits auf dem Rückmarsch, als die Boten mit der schlechten Nachricht bei ihm eintrafen. Mit dem Boot erreichte er noch zwei Tage vor seinen Soldaten Theben. Er begab sich sofort unauffällig zur Königin, denn er wusste, in so einer unüberschaubaren Situation war auch sein Leben gefährdet.
„Große Herrin Iput, dein Diener ist gekommen, wie du es befohlen hast. In dieser schwierigen Lage will ich dir Beistand und Schutz geben. Auch ich bin tief betrübt, denn Pharao Neferhotep war mein Cousin“, eröffnete er der Königin.
„Ich weiß, wie sehr ich dir vertrauen kann. Doch ich habe erfahren müssen, dass nicht alle Priester und nicht alle Beamten hier in Theben mir so wohlgesonnen sind, wie ich es mir erhofft hatte. Die edlen Herren verweigern mir und meinem Sohn die Gefolgschaft. Ihre Argumente sind fadenscheinig. Sie denken nur an ihren Vorteil.“ Hier unterbrach der Wesir den