Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. F. Morland
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783956178986
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zu hoch. Außerdem haben wir Athrazin entdeckt.«

      Auf dem Hof hatte man sie schon bemerkt, Johann Thelen schielte Rogge beunruhigt an, offenbar kannte er das Temperament seiner Marlies, aber Rogge beruhigte ihn: »Ich habe eine Menge gelernt.«

      »Das war der Zweck der Übung.« Sie praktizierte einen beachtlichen Händedruck und ließ nicht sofort wieder los: »Wir laden Sie zum Essen ein, allerdings müssen Sie dann in der Küche aushelfen.«

      »Helfen will ich gerne, aber das Mittagessen habe ich mir abgewöhnt.«

      Ihr prüfender Blick auf seine Taille war Gold wert. »Schlank ist gesund, aber Sie sind zu mager.«

      »Das wirft mir mein Arzt auch vor.«

      »Es gibt doch noch vernünftige Mediziner.« Lachend verzog sie sich.

      Auf dem Hof herrschte Feiertagsruhe und Thelen führte Rogge in den Blumengarten: »Marlies will unbedingt Unterglaskulturen aufbauen.« Sein Ton verriet einerseits Skepsis, andererseits Resignation; Rogge begriff, dass man bei einem Disput gegen Marlies nur schwer gewinnen konnte. Blumen entdeckte er nur wenige, das meiste Grünzeug waren Küchenkräuter, die sie in wachsender Menge absetzten. »Aber die blühen auch schön!«, verteidigte Thelen halbherzig Marlies praktischen Sinn.

      Die Sitzecke wurde durch eine halbrunde Wand aus unbehauenen Stämmchen gegen den Wind geschützt, hier ließ es sich aushalten. Weil Rogge Thelens Unruhe spürte, begann er vorsichtig: »Ich brauche Ihre Hilfe.«

      »Ja? Wobei denn?«

      »Erzählen Sie mir etwas über Benno Brockes und Andrea Wirksen.«

      Bis Thelen sich warmgeredet hatte, verstrich eine ganze Weile und Rogge ließ ihm Zeit, musterte das Bauernhaus, an dem renoviert und umgebaut wurde, die Ställe und die Silos, drängte nicht und schien manchmal vor sich hin zu träumen.

      Also Benno. Ursprünglich sollte Benno den Familienhof übernehmen, aber dann verunglückte er mit dem Trecker und das Bein heilte nicht mehr richtig zusammen. Seitdem fuhr er einen Milchtransporter für die Molkerei. Trotz seiner Behinderung ein Schläger, gefürchtet wegen seiner Kräfte und seiner Brutalität. Rücksichtslos und verlogen. Wenn man ihm fünf Mark lieh, kam er nach einem Monat und drohte, gib mir sofort den Zehner zurück, den ich dir geborgt habe. Im Streit hatte er seinen Vater halb tot geprügelt und war vom Hof geflogen, seitdem hauste er in einer alten Schäferhütte. Allein, obwohl er immer wieder Mädchen aufgabelte, die es aber nicht lange mit ihm aushielten. Wer Benno kannte, schlug einen großen Bogen um ihn.

      »Bis auf diese Andrea«, warf Rogge ein.

      »Die ist doch kein Stück besser! Die Betten, durch die sie sich noch nicht gedrückt hat, kann man an einer Hand abzählen. Geil und geldgierig. Wer mit einem Hunderter wedelt, kann alles von ihr haben.«

      Rogge zweifelte nicht an den Worten, wunderte sich aber über den gehässigen Tonfall. Ob Thelen auch seine Erfahrungen mit Andrea gemacht hatte?

      Benno und Andrea schliefen manchmal miteinander, daraus machten beide kein Geheimnis, aber nach Thelens Eindruck legte sie mehr Wert auf Benno als er auf sie. Sie rannte hinter ihm her, er wehrte sie ab, ein komisches Paar, wirklich.

      »Wie der Wirt und die Wirtin im Bären«, stimmte Rogge scheinbar gelangweilt zu und Thelen ging in die Falle.

      Olli und die schöne Angi, ja, das war was. Wie die wohl zusammengefunden hatten?! Und warum Angi nicht fortlief?! Thelen lachte unsicher, weil er merkte, dass er etwas zu viel von seinen Gedanken verraten hatte. Der Bauer, der ihnen den Scherkenhof überlassen hatte, hatte Angi schon als Mädchen gekannt und schwärmte noch heute von ihr. An jedem Finger zappelten zehn Verehrer, was Angi genau wusste und genoss.

      »Und was hat Sie auf den Scherkenhof verschlagen?« Rogge musste das Thema wechseln, bevor Thelen misstrauisch wurde.

      »Mein Meister hatte sich zur Ruhe gesetzt ... und bei anderen hat’s mir nicht gefallen«, schloss Thelen lahm.

      Das war eine klassische halbe Wahrheit, dachte Rogge. Nicht gelogen und das Wichtigste verschwiegen. »Na, dann werde ich mich mal wieder auf die Beine machen.«

      Thelen schien erleichtert.

      Auf dem Rückweg traf Rogge Monika Ziegler, die ihn verlegen begrüßte, »Ich glaube, er wartet schon sehnsüchtig auf Sie«, sagte Rogge ernsthaft und sie lachte. »Bis bald mal!«

      Warum hatte sie die Vergewaltigung nicht angezeigt? Fürchtete sie das Getuschel? Oder den Prozess? Oder hatte sie den Mann erkannt und wagte nicht, etwas gegen ihn zu unternehmen?

      Rogge drehte sich nach ihr um und ärgerte sich über ihre krumme Haltung. Den Kopf eingezogen, die Schultern nach vorne hängend, als habe sie kein Recht, aufrecht zu gehen und aller Welt ins Gesicht zu sehen.

      Darüber dachte er auch nach, als er abends, mit schmerzenden Füßen und juckenden Waden, sein Abendessen bestellte. »Wo wohnt Ihre Freundin eigentlich?«

      »Monika? - Bei ihren Eltern. In der Brückenstraße.«

      »Ah ja.«

      Nun war Gertrud anders gestrickt als Monika Ziegler, neugierig beugte sie sich vor: »Warum fragen Sie?«

      »Ach, ich war heute auf dem Scherkenhof und auf dem Rückweg ist sie mir begegnet.«

      Wie ein alter Kumpel zwinkerte sie ihm zu: »So, so. Monikas Vater ist Lehrer und seine Tochter mit einem verkrachten Elektriker - o je.«

      Er lachte und bei dem Geräusch richtete sich auf der Bank rechts neben dem Eingang Benno Brockes auf. Er musste schon eine Menge getankt haben, es fiel ihm nicht ganz leicht, Rogge zu fixieren. Seinen Hass verbarg er nicht.

      Unangenehm berührt drehte Rogge seinen Stuhl zur Seite. Was hatte er dem ungehobelten Klotz getan? Eine halbe Stunde später stellte sich Brockes mühsam auf die Beine, winkte dem Wirt schwerfällig zu und taumelte aus dem Bären.

      Gertrud brachte Rogge das zweite Bier und flüsterte empört: »Gut, dass der Kerl gegangen ist. Wissen Sie, was der sich erlaubt hat? - Hat mir Vorwürfe wegen meines Ausschnitts gemacht.«

      Der wies auch bei wohlwollender Beurteilung eine gewisse Großzügigkeit auf, die sie sich leisten konnte. Sie blies viel Luft ab: »Soll er sich doch seine Andrea vornehmen.«

      »Gertrud!«, mahnte Rogge, nicht wirklich schockiert.

      »Ist doch wahr!«

      Im ruhigen Teil der Gaststube hatten der Arzt und sein Begleiter Platz genommen, sie unterhielten sich mit langen, beiden sichtlich peinlichen Pausen. Am Tresen tranken die zwei Alten wieder ihr Bier und schienen in ihre alte Diskussion vertieft; Olli schlief gleich im Stehen ein. Rogge war zu müde aufzustehen; kurz vor der Brückenstraße hatte er sich zu einem anderen Weg entschlossen und war bis nach Karlsau gewandert. Die Karte hatte nicht gelogen, Rogge hatte nur übersehen, dass der Bus am Sonntag nicht fuhr, und hatte den ganzen Weg wieder zurücklaufen müssen. Jetzt protestierte selbst sein Kreuz. Am Ende des dritten Glases entschloss er sich. Noch ein Schluck Bier und er würde die wenigen Meter zum Gästehaus nicht mehr bewältigen.

      IX.

      Draußen war es ungewohnt dunkel, Rogge atmete tief durch und stakste wie ein Storch zur Tür.

      Der Schuss krachte so laut, dass es ihm die Ohren verstopfte und das Gehirn blockierte. Welcher Idiot - Rogge wollte sich umdrehen, verlor dabei das Gleichgewicht und plumpste wie ein nasser Sack auf den Boden. Wahrscheinlich keinen Moment zu früh, ein zweiter Schuss dröhnte, der Hauptkommissar presste sich an den Boden, jetzt wieder hellwach, und rührte sich nicht. Das hatte ihm gegolten.

      Doch nun hörte er nichts mehr. Keine Schritte, kein weiterer Schuss, kein Knirschen von Sand oder Steinchen. Absolute Stille. In der Gaststube schien keiner etwas vernommen zu haben, niemand kam herausgestürzt oder rief.

      Millimeterweise hob Rogge den Kopf. Nichts. Rechts, einen Meter entfernt,