Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. F. Morland
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783956178986
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harmloser Fahrer, dann ein Anfänger, der die Zwanzig-Sekunden-Regel nicht beachtete. Rogge hatte die Figur hinter dem Steuer scharf im Auge behalten und registrierte, dass der Unbekannte zusammenfuhr, als er sie endlich bemerkte.

      »Nicht hinschauen!«, befahl Rogge Schönborn. Wie zwei gute Nachbarn schlenderten sie an dem dunkelroten Wagen vorbei, der sichtlich einige Jahre auf dem Buckel hatte.

      Noch immer kein Fahrradfahrer zu sehen.

      »So, jetzt kehren wir um.«

      Damit hatte der Fahrer nicht gerechnet, viel zu spät und viel zu hastig bückte er sich und tauchte mit einem Buch oder einer Karte in der Hand wieder auf. Schönborn fluchte, er hatte das Manöver richtig beurteilt.

      »Keine Dummheiten, Sie schließen Ihr Tor auf.«

      Äußerst widerstrebend gehorchte Schönborn, verabschiedete sich und wandte sich dann der Schließanlage zu.

      Als er den Motor des Tores summen hörte, ging Rogge auf die Fahrertür des Wagens zu. Der Mann ließ die Karte sinken und beäugte ihn misstrauisch. Ende zwanzig, dunkle, scharfe Augen, lange dunkle Haare. Er war auf der Hut.

      Rogge blieb neben der Tür stehen und widerwillig kurbelte der Fahrer die Scheibe herunter: »Ja?«

      »Guten Tag, mein Name ist Rogge, Kriminalpolizei. Würden Sie sich bitte ausweisen?«

      »Was?« Dem Jüngling fiel der Unterkiefer herunter.

      »Ja. Würden Sie bitte aussteigen und mir Ihren Ausweis oder Führerschein zeigen?«

      »Wie komme ich denn ...« Er verstummte, als ihm Rogge seinen Dienstausweis unter die Nase hielt, doch danach reagierte er nicht richtig. Ein normaler Mensch hätte protestiert oder verwirrt gehorcht, aber in seinen Augen zuckte es, während er mit der rechten Hand zu hastig nach unten langte, Rogge ahnte eine Zehntelsekunde vorher, was der junge Mann plante, und duckte sich, sah die Pistole noch schemenhaft, während er sich über die Schulter nach hinten abrollte, um außer Reichweite zu gelangen; der Schmerz zuckte durch seinen Körper, als er mit der linken Schulter gegen die scharfe Kante des hinteren Radausschnitts stieß. Eine Sekunde flimmerte es vor seinen Augen, doch zu seinem Glück dachte der Bewaffnete mehr an Flucht als an Heldentaten, Rogge konnte sich gerade noch zur Seite wälzen, als der Motor ansprang, und den Rest der Szene verfolgte er wie ein gelähmter Zuschauer.

      Wie vom Himmel gefallen hetzte ein zweiter Mann auf den startbereiten Opel zu; aus Schönborns Ausfahrt preschte ein Schatten hervor, erreichte den Laufenden, aber der hatte im letzten Moment die Gefahr gewittert und sich einen festen Stand verschafft; Schönborn stürzte sich auf den Mann und konnte dem Tritt nicht mehr ausweichen, der ihn zu Boden schleuderte; sein Gegner verschwendete keinen weiteren Blick an ihn, die Beifahrertür wurde von innen geöffnet und der Mann warf sich in den schon losfahrenden Wagen, der mit aufheulendem Motor davonschoss.

      Ausgerechnet die linke Schulter. Während Rogge sich aufrappelte, musste er die Zähne zusammenbeißen. Auch Schönborn hatte Mühe, auf die Beine zu kommen, sie hinkten wie zwei schlachtennarbige Krieger aufeinander zu.

      »Was war das?«, presste Schönborn heraus.

      »Keine Ahnung«, krächzte Rogge. »Jedenfalls haben sie uns prima abgeschüttelt.«

      »Wenn ich den Kerl erwische ...!«

      »Haben Sie gesehen, woher der zweite kam?«

      »Nein. Leider nicht.«

      Bewegung half gegen Schmerzen, sie suchten zehn Minuten lang die Straße und alle Einfahrten ab, fanden aber kein Fahrrad. Ob so ein Klapprad in den Kofferraum passte? Oder war der Radfahrer längst abgezogen und der dritte Mann hatte einen anderen Beobachtungsposten bezogen?

      »Was machen wir jetzt?«, stöhnte Schönborn. Er hatte Schmerzen und umklammerte mit beiden Händen seinen Oberschenkel.

      »Nichts. Sie gehen ins Haus und erzählen Frau Weber am besten gar nichts. Ich lasse nach den Kerlen fahnden.«

      »Nichts erzählen? Aber die sind doch hinter Inge ...«

      »Keine unnütze Panik! Vielleicht beschatten die Ihre Freundin, okay, aber denkbar ist auch, dass sie hier etwas ausbaldowert haben ... Doch, Herr Schönborn, hier wohnen keine ganz armen Leute. Warnen Sie Ihre Nachbarn, sie sollen ein Auge auf Unbekannte haben, die sich hier herumdrücken, das hilft Ihnen und Ihrer Partnerin.«

      Einen weniger angeschlagenen Schönborn hätte er nicht wegschicken können, das war Rogge klar, aber zu seiner Erleichterung gehorchte Schönborn und humpelte in die Einfahrt.

      Das Handy lag in Stockau, sein privater Wagen hatte kein Funksprechgerät, also fuhr Rogge ins Präsidium. Allmählich breitete sich die Wut auf Simon in seinem Körper aus und vertrieb den Schmerz; die Reaktion des Fahrers hatte Rogge viel mehr erschrocken, als er Schönborn eingestanden hatte. An Einbrecher glaubte er nicht, die stellten sich selten so dämlich an, das war ihm nur auf die Schnelle eingefallen, um Schönborn abzulenken. Jetzt musste Simon endlich mit der Sprache herausrücken!

      Der Hauptmeister an der Pforte grinste: »Sind Sie unters Auto geraten, Herr Rogge?«

      »Wie kommen Sie ... Oh, verdammt.« Das war Rogge noch nicht auf gefallen, Hose und Jacke voller Flecken und beide Teile zerrissen, großartig, das hatte ihm noch gefehlt.

      »Kann ich Ihnen helfen?«

      »Danke, nein, ich hatte nur einen kleinen Zusammenstoß.« Er zwinkerte dem Hauptmeister zu und grollte heimlich, diese Geschichte würde natürlich die Runde machen. KHK Rogge prügelte sich! Am dienstfreien Wochenende! Auf der Treppe tröstete er sich mit dem schönen Spruch: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt man völlig ungeniert.

      Simon war nicht zu Hause, wie seine Frau bedauerte: »Kann ich etwas ausrichten?«

      »Nein, vielen Dank, ich lege ihm einen Bericht auf den Schreibtisch.«

      »Fein, ein schönes Wochenende noch, Herr Rogge.«

      Das erhoffte er sich kaum, nachdem er den Computer angeworfen und sich in das Kfz-Kennzeichen-Register eingeloggt hatte: GG-KL 2521. Nicht vergeben.

      Großartig. Mühsam tippte sich Rogge durch die Menüs, verirrte sich ein paar Mal und landete mehr zufällig im Bestand Groß-Gerau: KL 2521 war vor acht Monaten abgemeldet worden. Der Opel trug also keine Dublette, sondern eine Nummer, die im Moment amtlich nicht zugeteilt war.

      Zufall? An dem hinteren Kennzeichen war ihm nichts aufgefallen, TÜV-Plakette und Siegel, scheinbar alles ganz normal.

      Rogge stellte sich ans Fenster und starrte auf die Kastanie. Am Montag war ihm ein Wagen gefolgt, nachdem er Inge Weber zu ihrer Gymnastik begleitet und anschließend sein Auto geholt hatte, das nahe der Bäckerei stand. Auch nur ein Zufall? Und wenn es keine Zufälle waren - was wusste Simon? Welche Einzelheiten verheimlichte der Rat?

      Nein, nicht mit ihm! Er würde keinen Bericht für Simon schreiben! Vertrauen war immer noch eine Zweibahnstraße.

      Entschlossen schaltete Rogge seinen Computer aus und lauschte danach auf die ungewöhnliche Stille im Haus. Seit seiner Krankenhauszeit überkam ihn manchmal das Gefühl, nicht mehr dazuzugehören. Dagegen half nur, etwas zu unternehmen, bevor ihn der Trübsinn überwältigte.

      Er legte Hertha Wassmuth einen Zettel auf den Tisch: Bleibe noch eine Woche weg!, und fuhr nach Hause, um sich umzuziehen.

      Auf dem Weg zur Autobahn bog Rogge ab und hielt vor dem Friedhof. Er ging nicht oft zum Grab, weil er sich jedes Mal mit einem Vorwurf herumplagte. Ihre Ehe war zum Schluss ohne Höhen und Tiefen verlaufen, gleichförmig, für seine Frau vielleicht sogar langweilig, und er grübelte, ob er ihr nicht früher hätte gestehen sollen, was ihm erst nach ihrem Tod aufgefallen war: dass er sie brauchte. Leicht hatte sie es nie gehabt, je älter er wurde, desto weniger konnte er abends seine Fälle an der Garderobe aufhängen wie seinen Mantel. Seine Frau hatte lange mit sich gerungen, bis sie seine wachsende Verschlossenheit nicht mehr auf sich bezog, die Ursache nicht in ihrer Person, in ihrem