Pädagogische Beziehungen für nachhaltiges Lernen. Natalie Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natalie Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170368873
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mit Materialien und den Schutz vor Ablenkungen.

      Die genannten Strategien haben erheblichen Einfluss auf die effektive Nutzung von Lern- und Selbstregulationsstrategien, wichtig ist aber auch das emotionale Erleben im Lernprozess.

      1.3.3 Emotionen

      Emotionen besitzen für Lernprozesse und die Informationsverarbeitung insgesamt einen hohen Stellenwert. Sie steuern bereits, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken, beeinflussen die Motivation und spielen beim Speichern und Abrufen von Informationen sowie bei der Bewertung des Lernprozesses eine Rolle.

      Am deutlichsten wird der Einfluss negativer Emotionen auf das Lernen im Zusammenhang mit Angst. So kann eine stark ausgeprägte Prüfungsangst dazu führen, dass in der Prüfungssituation vorhandenes Wissen nicht mehr abgerufen werden kann. Solche Misserfolge können wiederum in höherer Prüfungsangst resultieren, die Gedächtniskapazitäten bindet und das weitere Lernen behindert. Das Erleben von Misserfolgen ist dabei oft mit einem niedrigeren Selbstkonzept verbunden und beeinträchtigt schließlich die Lernmotivation.

      Verwirrung dagegen ist eine negative Emotion, die unter Umständen das Lernen fördern kann. Kognitive Konflikte oder überraschende Einstiege in ein Thema können Interesse und Motivation steigern. Im Zusammenhang mit nachhaltigem Lernen wird auch auf Irritationen im Lernprozess, die emotional aufgeladen sind, hingewiesen (Schüßler, 2004). Dabei ist es jedoch wichtig, dass die Irritation sich auf den Lerngegenstand bezieht und nicht auf die Lernsituation oder die eigene Person. Letzteres führt dazu, dass zwar die (unangenehm empfundene) Situation, nicht aber der Lernstoff erinnert wird. Bei Irritationen in Bezug auf den Lerngegenstand hingegen entsteht zunächst der Wunsch, diese aufzulösen, was zu höherer Anstrengung und Persistenz führen kann. Dies wirkt nur dann nachhaltig, wenn die Irritation im Laufe des Lernprozesses reduziert wird, damit sich nicht etwa negative deaktivierende Emotionen, wie Hoffnungslosigkeit oder Langeweile, einstellen (Pekrun, 2018). Insgesamt ist ein positives akademisches Selbstkonzept eine Bedingung dafür, auch Emotionen wie Verwirrung und Scham positiv nutzen zu können. Daher kommt der Förderung von Selbstwirksamkeit und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten ein hoher Stellenwert zu.

      In diesem Zusammenhang sei auf die Bedeutung eines positiven Fehlerklimas im Unterricht verwiesen. Die aktive Auseinandersetzung mit Fehlern führt nicht nur zum Aufbau negativen Wissens (»wissen, was eine Sache nicht ist«; Oser & Spychiger, 2005, S. 11), sondern unterstützt auch die Wissenskonstruktion und das entdeckende Lernen (Pekrun, 2018). Gleichzeitig kann durch die Auseinandersetzung mit eigenen Fehlern wichtiges metakognitives Wissen aufgebaut werden (Chott, 2006; image Kap. 1.3.2). Emotionen spielen für die Wirksamkeit des Lernens aus Fehlern eine wichtige Rolle.

      Die Auseinandersetzung mit Fehlern in einem positiven Lernklima verlangt eine klare Trennung von Lernprozess und Bewertung (Chott, 2006). Während Fehler im Lernprozess als Lernchancen zu sehen sind, werden sie in der Klassenarbeit negativ bewertet. Um das Lernpotenzial von Fehlern im Unterricht zu nutzen, ist es notwendig, dass Lern- und Leistungssituation nicht vermischt werden. Auch ein positives Beziehungsklima in der Klasse ist eine Voraussetzung für das Lernen aus Fehlern.

      Emotionen und das Fehlerklima

      Fehler sind mit Emotionen verbunden. Dies gilt sowohl für Lernende als auch für Lehrende. Letztere sind häufig bestrebt, den Unterrichtsstoff möglichst schnell und reibungslos abzuhandeln, was dazu führen kann, dass Fehler im Unterrichtsgespräch übergangen werden oder Anlass für Bloßstellungen im Unterrichtsgeschehen sind und schwächere Lernende gar nicht erst einbezogen werden (image Kap. 5.2). Für Lernende sind Fehler häufig mit Angst und Scham besetzt, wodurch die Fehlervermeidung beim Lernen im Vordergrund steht und dieses schließlich behindert (Chott, 2006).

      In Bezug auf die Scham unterscheiden Oser und Spychiger (2005, S. 74 f.) in diesem Zusammenhang zwischen produktiven versus destruktiven »Beschämern«. Produktiv ist Scham über einen Fehler, die sich bei der Person selbst einstellt und dazu führt, dass sie durch Erinnerung an diese negative Emotion den Fehler in ähnlichen Lernsituationen nicht noch einmal machen wird. Destruktiv hingegen ist Scham, die durch einen unangemessenen Umgang mit Fehlern seitens anderer Personen hervorgerufen wird. So führen z. B. Zorn oder Zynismus einer Lehrperson und das Bloßstellen von Lernenden zu einer emotionalen Lage, die die Informationsverarbeitung erschwert bzw. verhindert und Vermeidungsverhalten in Bezug auf ähnliche (Lern-)Situationen auslöst (image Kap. 5.3.3).

      Da Emotionen im Lernprozess stark mit erlebten Erfolgen bzw. Misserfolgen zusammenhängen, empfiehlt es sich für positive Lernerlebnisse und die Förderung von Lernfreude und Motivation für lebenslanges Lernen, allen Schülerinnen und Schülern Erfolgserlebnisse zu ermöglichen (Pekrun, 2018). Dies kann z. B. durch einen Fokus auf die Erweiterung der eigenen Kompetenzen im Unterricht (Lernzielorientierung; image Kap. 1.3.1) anstelle einer Wettbewerbsorientierung mit starkem Fokus auf sozialen Bezugsnormen (Leistungszielorientierung) erfolgen.

      1.3.4 Schulisches Wohlbefinden

      Es sollte klargeworden sein: Nachhaltiges Lernen erfordert eine Atmosphäre, in der sich die Beteiligten wohlfühlen. Schulisches Wohlbefinden kann als eine »grundsätzlich positive Haltung gegenüber der Schule und den mit ihr verbundenen Themen und Tätigkeiten« (Hascher, 2004, S. 16) verstanden werden und beinhaltet sowohl kognitive als auch emotionale Anteile. Drei Funktionen des schulischen Wohlbefindens begründen, dass es nicht nur Lernvoraussetzung, sondern auch ein eigenständiges Ziel von Schule ist (Hascher & Hagenauer, 2011; image Beispiel 1.1):

      ♦ Indikationsfunktion: Es zeigt die erfolgreiche Bewältigung der schulischen Anforderungen und die Beziehungsqualität in der Schule an.

      ♦ Bildungsfunktion: Es ist die Grundlage für Lernerfolg.

      ♦ Präventionsfunktion: Es ist eine Ressource für den Umgang mit der Schule.

      Beispiel 1.1

      Jonathan fühlt sich in der Schule wohl, er ist zufrieden mit seinen Lernergebnissen, hat viele Freunde dort und kommt gut mit den Lehrpersonen aus (Indikationsfunktion). Seine grundlegend positive Haltung zur Schule nimmt er auch mit in den Unterricht, was das Lernen begünstigt (Bildungsfunktion). Als er letztens in seinem Lieblingsfach mal schlecht abgeschnitten hat, konnte er gut damit umgehen und auch Konflikte auf dem Schulhof kann er erfolgreich meistern (Präventionsfunktion).

      Schulisches Wohlbefinden wird von Merkmalen der Schülerinnen und Schüler selbst (z. B. Selbstwirksamkeit) und des Unterrichts