Das Entscheidende hier ist nicht nur, dass extrinsische Motivation etwas anderes ist als intrinsische oder dass sie ihr unterlegen ist, obwohl beide Aussagen wahr sind. Was ich betonen möchte, ist, dass die extrinsische Motivation dazu neigt, die intrinsische zu untergraben. In dem Maße, wie die extrinsische Motivation steigt, sinkt meist die intrinsische Motivation. Je mehr jemand dafür belohnt wird, etwas zu tun, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er das Interesse an dem, was er tun musste, um die Belohnung zu bekommen, verliert. Natürlich gibt es bei einer Zusammenfassung psychologischer Erkenntnisse in einem Satz immer Einschränkungen und Ausnahmen, doch die grundlegende Aussage ist von Dutzenden von Studien an Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und kulturellen Hintergrunds – und mit einer Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben und Belohnungen – bewiesen worden.11
Kein Wunder also, dass Kinder, die für ihre Hilfsbereitschaft belohnt werden, schließlich weniger hilfsbereit sind, wenn die Belohnungen ausbleiben. Es gibt auch noch etliche andere Beweise. Wenn man kleinen Kindern ein ihnen unbekanntes Getränk gibt, werden diejenigen, die dafür belohnt werden, es zu trinken, es nächste Woche weniger gern mögen als Kinder, die dasselbe getrunken haben, ohne eine Belohnung dafür bekommen zu haben. Oder wenn man Kinder für den Versuch, ein Puzzle zu legen, bezahlt, neigen sie dazu, mit dem Spiel aufzuhören, nachdem das Experiment vorbei ist – während diejenigen, die keine Bezahlung erhalten, danach oft von sich aus weitermachen.
Die Moral, die wir aus all dem ziehen, ist, dass es keine Rolle spielt, wie sehr Ihr Kind „motiviert“ ist, etwas zu tun (aufs Töpfchen zu gehen, Klavier zu üben, zur Schule zu gehen, was auch immer). Vielmehr sollten Sie die Frage stellen, wie Ihr Kind motiviert ist. Anders ausgedrückt, es kommt nicht auf den Grad, sondern auf die Art der Motivation an. Und die Art, die durch Belohnungen erzeugt wird, schmälert gewöhnlich die Art, die wir uns für unsere Kinder wünschen: ein echtes Interesse, das auch anhält, wenn die Belohnungen längst nicht mehr da sind.
Nicht so positive Verstärkung
Und jetzt zu der wirklich schlechten Nachricht: Was für materielle (Geld oder Lebensmittel) und für symbolische Belohnungen (Noten oder Sternchen) gilt, kann auch auf verbale Belohnungen zutreffen. In vielen Fällen kann es ebenso unheilvolle Auswirkungen haben, wenn man Kinder lobt, wie wenn man ihnen andere Arten von Belohnungen gibt.
Zunächst einmal kann die Bemerkung „Gut gemacht!“ beeinträchtigen, wie gut etwas tatsächlich gemacht wird. Forscher stellen immer wieder fest, dass Menschen, die dafür gelobt werden, eine kreative Aufgabe gut bewältigt zu haben, oft bei der nächsten Aufgabe ins Straucheln geraten. Warum? Erstens, weil das Lob Druck erzeugt, „weiter so“ zu machen, und dieser Druck wirkt als Hemmnis. Zweitens, weil das Interesse der Menschen an dem, was sie tun, nun möglicherweise gesunken ist (weil es jetzt vor allem darum geht, mehr Lob zu bekommen).12 Und drittens, weil sie lieber kein Risiko eingehen – eine Voraussetzung für Kreativität –, wenn sie darüber nachdenken, wie sie dafür sorgen können, dass die positiven Kommentare auch weiterhin kommen.
Auch wenn es nicht um Leistung geht, funktioniert positive Verstärkung nicht besser. Ebenso wie andere Belohnungen und wie Bestrafungen kann sie bestenfalls das Verhalten eines Kindes vorübergehend ändern. So mochten Kinder, die dafür gelobt wurden, jenes unbekannte Getränk zu trinken, es daraufhin viel weniger – genauso wie die Kinder, die materielle Belohnungen dafür bekommen hatten. (Die Forscherin hatte mit diesem Ergebnis übrigens nicht gerechnet: Sie hatte vermutet, Lob würde sich nicht so destruktiv wie andere extrinsische Anreize auswirken.)
Noch beunruhigender ist eine Studie, bei der festgestellt wurde, dass kleine Kinder, die von ihren Eltern oft für Zeichen von Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft gelobt wurden, dazu neigten, im Alltag ein bisschen weniger großzügig und hilfsbereit als andere Kinder zu sein – wiederum ebenso wie Kinder, die materielle Belohnungen bekamen. Jedes Mal, wenn sie „schön geteilt!“ oder „ich bin so stolz auf dich, dass du hilfst“ hörten, ließ ihr Interesse am Teilen oder Helfen ein wenig nach. Sie sahen diese Dinge dann nicht mehr als etwas in sich selbst Wertvolles an, sondern nur als etwas, was sie tun mussten, um noch einmal dieselbe Reaktion von einem Erwachsenen zu bekommen. In diesem Fall waren es die Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft, die zu Mitteln zum Zweck wurden. In anderen Fällen könnte es Malen oder Schwimmen oder Rechnen oder irgendetwas anderes sein, das wir mit positiver Verstärkung belohnen.
Lob zeugt wie andere Belohnungen gewöhnlich davon, dass der Blick auf das Verhalten gerichtet wird – das bereits erwähnte Vermächtnis des Behaviorismus. Wenn wir anfangen, über die Motive nachzudenken, die dem Handeln der Menschen zugrunde liegen, erscheint es plötzlich einleuchtend, dass positive Verstärkung fehlschlagen könnte. Denn wenn wir uns wünschen, dass sich ein Kind zu einem aufrichtig mitfühlenden Menschen entwickelt, genügt es nicht festzustellen, ob das Kind gerade jemandem geholfen hat. Uns sollte auch die Frage nach dem Warum interessieren.
Nehmen wir das Beispiel von Jack: Er teilte sein Spielzeug mit einem Freund in der Hoffnung, dass seine Mutter dies bemerken und ihn mit Lob überschütten würde („Ich finde es wirklich toll, dass du Gregory auch spielen lässt“). Zack dagegen teilte sein Spielzeug mit seinem Freund, ohne zu wissen oder sich dafür zu interessieren, ob seine Mutter das bemerkte. Er tat es einfach deshalb, weil er nicht wollte, dass sein Freund traurig war. Wenn man Kinder lobt, weil sie etwas teilen, werden diese unterschiedlichen Motive meist außer Acht gelassen. Ja, ein solches Lob kann sogar das weniger wünschenswerte Motiv stärken und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Kinder in Zukunft nur noch das Lob im Blick haben.
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Bisher ist mein Hauptargument gewesen, dass Lob oft kontraproduktiv ist, weil es eine extrinsische Motivation darstellt. Doch nun möchte ich das Konzept des Lobens von einem neuen Blickwinkel aus betrachten. Das Problem ist nicht nur, dass es eine Belohnung ist. Das Problem ist, dass positive Verstärkung ein Beispiel für eine an Bedingungen geknüpfte Erziehung ist.
Denken Sie darüber nach: Was ist das Spiegelbild des Liebesentzugs – dem Versagen von Zuneigung, wenn Kinder etwas tun, was uns nicht gefällt? Es müsste wohl das Bekunden von Zuneigung sein, wenn sie etwas tun, was uns gefällt: das selektive Bekunden bedingter Zuneigung, oft in der expliziten Hoffnung, dieses Verhalten zu verstärken. Lob ist nicht nur etwas anderes als bedingungslose Liebe; es ist ihr genau entgegengesetzt. Dadurch vermittelt man einem Kind: „Du musst nach meiner Pfeife tanzen, damit ich Unterstützung und Freude zum Ausdruck bringe.“
Fürsorgliche Eltern sind aufmerksam und oft (wenn auch nicht immer) beschreiben sie etwas, was das Kind getan hat, und fordern es auf, darüber nachzudenken, was das bedeutet. „Gut gemacht!“ jedoch ist keine Beschreibung, sondern ein Urteil. Und das hat beunruhigende Auswirkungen darauf, wie Kinder unsere Gefühle für sie wahrnehmen. Anstelle von „ich hab dich lieb“ kommt ein Lob vielleicht als „ich hab dich lieb, weil du das und das gut gemacht hast“ an. Dazu ist es gar nicht nötig, dass wir das explizit aussprechen – was natürlich auch fast niemand tut. Es genügt, dass wir es tun – das heißt, dass wir Liebe und Freude nur unter bestimmten Bedingungen äußern. (Umgekehrt findet auch Liebesentzug oft statt, ohne dass die Mutter oder der Vater sagt: „Ich hab dich nicht lieb, weil du das und das nicht gut gemacht hast.“ Doch in beiden Fällen ist die Botschaft ganz eindeutig.)
Als meine Frau und ich vor ein paar Jahren eine Babysitterin suchten, begegneten wir einer jungen Frau, die ihre Erziehungsphilosophie knapp zusammenfasste: „Durch gutes Benehmen gewinnen Kinder meine Aufmerksamkeit.“ Wahrscheinlich wollte sie ihr Konzept einem Erziehungsansatz gegenüberstellen, bei dem es vor allem darum geht, Kinder für schlechtes Verhalten zu tadeln. Doch wir wussten sofort, dass wir sie nicht in der Nähe unserer Kinder haben wollten. Wir wollten nicht, dass unsere Kinder je