Im Malstrom. Jürgen Petry. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Petry
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783960081487
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mir freundlich zu und sagte:

      „Etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht.“ Und dann legte er los. „Etwa 14 Tage später ist sie plötzlich wieder ausgezogen. Unserem Jungen, dem Blödian, hat sie lediglich einen unverschämten Zettel hinterlassen, das verdammte Luder. Sozusagen eine Quittung für seine Gutmütigkeit. Auf dem stand, Heinrich, ich will es dir nicht verschweigen, da ihr ja ebenfalls Betroffene seid. Obgleich ich mich als Vater für meinen Sohn schäme. Sie sei weg, stand auf dem Zettel, als hätten wir es nicht bemerkt. Er solle nicht traurig sein und sie vor allem nicht suchen. Das sei sinnlos! Es ginge nun mal nicht mit ihnen beiden. Sie hätte es mit ihm noch einmal versuchen wollen, aber er habe in der Zeit, in der sie weg war, nichts dazugelernt, gar nichts. Ihm fehle eben jegliche Bettbegabung. Es wäre besser für ihn, er würde sich keine neue Freundin suchen, sondern erst mal in einem Puff gewisse Erfahrungen sammeln, bevor er auch noch andere Mädchen langweile.

      Genau so, Wort für Wort, hat sie es geschrieben, das verdammte Aas, das verdammte! Kannst du dir das vorstellen, Heinrich? Was sind das nur für Weiber heutzutage?“ Franz spuckte voller Verachtung aus. „Pfui Teufel auch!“ Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Ich schwieg lieber. Peinlich berührt wollte ich so schnell wie möglich verschwinden, bevor mich der redselige Franz noch zum Mitwisser von weiteren Intimitäten meiner „eventuell einmal Schwiegertochter“ machte. Wer konnte wissen, ob sie nicht auch noch eine Bettbeurteilung über Waldemar Henry zu Papier gebracht hatte? Ich nickte Franz schnell zu und verabschiedete mich von ihm, ohne den üblichen Handschlag. Er machte zwar eine Handbewegung, als wollte er mich noch einmal aufhalten, sagte aber nichts mehr.

      Das nächste, was wir von Ilona erfuhren, erzählte sie uns, nur ein paar Wochen später, selbst. Das heißt, sie erzählte es Jana. Völlig überraschend hielt eines Abends ein silbergrauer Porsche vor unserem Neubaublock. Das war nicht gerade ein häufig gefahrenes Model in Wolfen Nord, deshalb erregte er viel Aufsehen. Aus ihm kletterte Waldemar Henrys frühere Gespielin, die Ische Ilona, aufgemotzt wie zum Leipziger Opernball, und klingelte an unserer Wohnung. Jana war allein zu Hause. Als sie öffnete und Ilona erkannte, war sie zunächst so verblüfft, dass sie sie sofort hereinließ. Schon damit die Nachbarn nicht mehr als unvermeidbar von dem unerwarteten Besuch mitbekamen, erzählte sie mir später. Ilona wollte eigentlich nur ihre restlichen Sachen holen, sagte sie Jana bei einer Tasse Kaffee und plauderte dann munter über ihr blendend schönes Leben im Westen. Als Waldemar Henry sie damals mehr oder weniger vor die Türe gesetzt habe, sei sie zunächst in ihrer Verzweiflung zu den Eltern ihres früheren Verlobten gegangen. Wo hätte sie denn sonst auch hinsollen mitten in der Nacht? Die hätten sie zwar aufgenommen, aber zu ihrem grünen Jungen ins Bett gesteckt. Jana könne sich ja denken, was sie da jede Nacht erwartet hätte, noch dazu mit so einem Stümper. Das alles sei ihr schwer zuwider gewesen, aber sie hätte nicht gewusst, wohin sonst.

      Schließlich habe sie es nicht mehr ausgehalten und sich entschlossen, unserem Waldemar Henry nach Freudenbach im Siegerland zu folgen und ihn um Verzeihung wegen der ganzen Sache bei der Familie Krause zu bitten. Da sie Henry natürlich nicht gleich fand, hätte sie sich erst einmal in eine Pension eingemietet und wäre auf Arbeitssuche gegangen. Nach mehreren Versuchen hätte sie einen Job am Tresen eines Autohauses in der Nähe von Freudenbach angeboten bekommen und den Vertrag auch unterschrieben. „Bei denen boomt es gerade himmlisch“, plauderte sie munter weiter. „Die aus dem Osten kaufen ja alles an Gebrauchtwagen, was noch vier Räder hat. Natürlich zu stark überhöhten Preisen. Deshalb brauchen alle Autohändler zusätzliche Kräfte und gerne nehmen sie auch welche aus dem Osten. Mich, weil ich doch so schön sächsisch spreche, sagte der Juniorchef. Da fühlen sich seine Ostkunden gleich zu Hause, meinte er. Ich verstand schon, was er wirklich meinte, denn er stierte in meinen Ausschnitt, dass ich Angst bekam, seine Glubschaugen würden rausspringen. Meine Bewerbungsunterlagen interessierten ihn nicht weiter. Sofort hatte ich den Job. Entsprechend generös war dann auch mein Anfangsgehalt.“

      Ja und dort sei sie schnell die rechte Hand des Juniorchefs geworden. Dessen Frau war ihm gerade mit einem Kunden durchgegangen. Der braucht Trost, habe sie gedacht, fügte sie noch hinzu, weil er ihr sofort deutliche Avancen gemacht und sich auf den ersten Blick regelrecht in sie verknallt habe. „Warum auch nicht, dachte ich damals. Die Westweiber sind doch alle verklemmt, besonders die katholischen. Deswegen sind die Kerle dort so scharf auf Ostbräute.“ Na schön, ein Adonis sei er nicht gerade, der Juniorchef, aber irgendwie wäre sie auch froh gewesen, in jener fremden Gegend Anschluss gefunden zu haben. Deshalb habe sie schließlich nachgegeben und sei zu ihm in seine Strohwitwerbude gezogen. Der hatte eben ziemlichen Notstand, wenn Jana verstehe, was sie meine. Außerdem habe sie sich gesagt, man kann auch viel schlechtere Partien machen als armes alleinstehendes Mädchen aus dem Osten. Überdies habe er versprochen, sie zu heiraten, sobald seine Scheidung durch sei. Was hätte sie denn sonst tun sollen, so alleinstehend wie sie war, im fernen Siegerland? Ja, hätte Henry sie gefunden und er wieder gewollt, hätte man vielleicht neu beginnen können. Aber der war immer noch stinkig und nachtragend. Einmal hätte sie ihn gesehen, aber er wäre, statt auf sie zuzukommen und mit ihr zu reden, auf die andere Straßenseite ausgewichen. So könne man mit ihr auch nicht umspringen. Na und dann kam das Angebot von dem Juniorchef. Sie habe zunächst, vor allem wegen der Erinnerung an Henry, gezögert. Schließlich war man doch ziemlich lange zusammen gewesen. Außerdem will ja alles reiflich überlegt sein. Immerhin habe man einen Ruf zu verlieren in einer so kleinen Stadt.

      Bald habe sie gemerkt, dass er, der Juniorchef, es richtig ernst mit ihr meine. Als sie dennoch zögerte, habe er sein Angebot mit einem Heiratsantrag nach der Scheidung, wie sie schon erwähnte, und dem fast neuen Porsche als Brautgeschenk aufgestockt. „Der weiß wenigstens, was unsereiner wert ist, nicht wahr? Der Porsche, das ist übrigens der, der da unten vor der Türe steht. Wenn du möchtest, könnte ich mit dir eine Runde durch Wolfen Nord drehen.“ Mal ehrlich, da könne Henry wirklich nicht mithalten. Sie, Ilona, habe dann auch nicht mehr nein sagen können. „Das verstehst du doch, Jana, oder?“

      „Ja, ich verstehe dich, Ilona. Du hast deinen Preis so hoch wie möglich getrieben. Gratulation! Meinen Glückwunsch hat er übrigens, dein neuer Lebensabschnittsgefährte. Das kannst du ihm ausrichten. Er wird sicher bald merken, was er für seinen Porsche bekommen hat. Ich, liebe Ilona, erinnere mich noch recht gut an deinen Abschiedsauftritt hier in dieser Wohnung! Falls es dir nicht mehr erinnerlich ist, es war der Tag, an dem Henry arbeitslos wurde.“ Dann sei sie aufgestanden, sagte Jana, und habe, so eisig sie konnte, zu ihr gesagt: „Jetzt nimm bitte deine restlichen Sachen, steige in deinen Porsche und fahr rüber in den Westen zu deinem Juniorchef, bevor mein Mann nach Hause kommt und dir deine Klamotten aus dem Fenster nachwirft. Und, darum bitte ich dich herzlich, sehr herzlich, lass dich hier nie wieder sehen.“

      Als Jana mir abends davon erzählte, habe ich nur den Kopf geschüttelt. Warum ich mich nicht aufregte, weiß ich nicht. Vielleicht weil ich ahnte, dass Ilona angekommen war in der sozialen Marktwirtschaft. Zu Jana sagte ich nur: „Viel hat er nicht verloren, unser Waldemar Henry, nein, viel nicht. Lass uns eine Flasche Wein öffnen!“

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