Ich unterrichte seit fünfzehn Jahren - nachdem mein erstes Buch Tierisch gute Gespräche: Lerne, mit Tieren zu sprechen - sie antworten dir veröffentlicht wurde - auf der ganzen Welt Tierkommunikations-Workshops. Meine Schüler in neunundzwanzig Ländern - und noch vielen weiteren Ländern, wenn man meine E-Mail-Fans dazuzählt - haben mir ihre heiligsten Geheimnisse anvertraut, und die gleichen Geschichten höre ich sogar von den entferntesten Ecken der Erde: Und zwar dass das Lebewesen, das ihnen Trost, Zuneigung, Gelächter, Weisheit, Kraft und beständige Liebe geschenkt hat, nicht in einem geliehenen Smoking oder einem überteuerten Hochzeitskleid daherkam. Die Träger der Freude, der Hoffnung und des Lichts schlichen oder galoppierten, tänzelten oder flogen selbst in das mutloseste Herz und brachten das größte Geschenk mit, das ein Seelengefährte je machen kann: bedingungslose Liebe.
Sie brauchen nicht über Liebe zu reden. Sie verkörpern sie. Sie brauchen keine leeren Versprechen zu machen, dass sie uns in guten wie in schlechten Zeiten lieben werden. Sie tun es schon. Sie müssen nicht sagen, dass sie uns in Krankheit und im Tod beistehen werden. Sie tun es längst. Sie sind die Gefährten unserer Seele: die, die uns auch dann lieben, wenn wir verkatert, übergewichtig und deprimiert sind, die, die uns verzweifelt, pleite und geschlagen erleben und uns trotzdem aufheitern, die, die uns die Tränen ablecken, selbst wenn uns alle Menschen, die wir kennen, verlassen haben, die, die unser Wecker, unsere Fitnesstrainer, Zen-Meditationslehrmeister, Clowns, spirituellen Berater, Krankenschwestern, Tanzpartner, Kopfkissen, Fußschemel, Psychiater und Vertrauten sind - die mit den Pfoten, Hufen oder Flügeln.
Manche meiner Seelengefährten haben Streifen und große Fangzähne; andere haben Rüssel, Flossen und ein breites Lächeln. Und wiederum andere haben keine Beine und spucken sogar tödliches Gift. Aber jedem das Seine, würde ich mal sagen.
Vielleicht haben Sie nicht Zugang zu wilden Tieren wie ich, aber ich wette, Sie haben zu Hause ein kleines wildes Wesen, und auch wenn Ihr Hund oder Ihre Katze nicht unbedingt ein Gorilla oder ein großer weißer Hai ist (obwohl ich ein paar Chihuahuas begegnet bin, die sich so aufführten, als wären sie wilde Bestien!), ist dieses Haustier trotzdem Ihre Verbindung zur realen Natur. Die Essenz der Wildnis steckt in jedem Gramm Ihrer Katze, Ihres Hundes, Frettchens oder Papageien, und mit Sicherheit in Ihrem Pferd. Wenn es jemanden in Ihrem Leben gibt, der mit glänzenden Augen zu Ihnen aufsieht, der darauf wartet, Sie mit pelzigen Küssen zu überhäufen, der immer zu einer Knuddelpause auf dem Sofa oder einem Spaziergang im Park bereit ist, der Sie mit einem glücklichen Schwanzwedeln begrüßt und der Ihnen beibringt, wie man völlig in der Gegenwart lebt und sich wieder ins Hier und Jetzt einklinkt - in den Augenblick, in dem wir wieder herausfinden, wie man vom Herzen und nicht vom Kopf her lebt -, dann wurde dieses Buch für dieses Tier geschrieben. Und für Sie. Wir sind da, um die Wildheit der Tiere zu erforschen und die wilde Seite in Ihnen wieder zum Leben zu erwecken.
Der Tempel der Lügen
Ich nehme Sie jetzt auf eine wilde Fahrt mit - also schnallen Sie sich gut an. Meine Einführung ins Innere der Korruption der Dritten Welt erfolgte durch eine Animal-Planet-Doku, die ich auf dem Flug von London nach Los Angeles sah. Es handelte sich um den ersten Teil von Tiger Temple aus dem Jahr 2004. Im Film wurde ein buddhistischer Mönch gezeigt, der einen riesigen Tiger streichelte, während nur wenige Meter vom Gesicht des Tigers entfernt kleine Beutetiere umherhuschten. Der Berichterstatter fragte den Mönch, der der höchste Abt war, wie er die Tiger davon abhielt, die Beutetiere anzugreifen. Dieser antwortete: „Ich bringe ihnen die Grundsätze der liebevollen Güte bei. Ich sage: ‚Ihr Tiger wärt ohne liebevolle Güte auch nicht hier!‘“
Das musste ich mir unbedingt näher ansehen. In der Doku wurden fast dreißig prächtige Tiger gezeigt, die von den Mönchen gerettet oder auf ihrer Türschwelle in Thailand abgesetzt worden waren. Sagte jedenfalls der Mönch. Wer würde so etwas schon hinterfragen? Schließlich kam es direkt aus dem Mund des obersten Abts eines buddhistischen Klosters. In der westlichen Welt, in der ich aufgewachsen bin, habe ich Hochachtung vor solchen Titeln gelernt. Ich war sofort von ihm verzaubert.
Wie in Trance sparte ich Geld zusammen, heuerte ein Kamerateam an und überredete einen Mann, den ich schon immer angehimmelt hatte, mich einen Monat lang im „Tigertempel“ zu begleiten. Dort wollte ich den Mönchen beim Spendensammeln helfen, damit sie ihre „Tigerinsel“ verwirklichen konnten - ein riesiges traumhaftes Naturschutzgehege, in dem die Tiger ihre eigenen paradiesischen Inseln hätten und in dem sich jeweils zwei Tiger eine private Insel teilen würden. Doch noch während meiner Vorfreude auf die Reise - die, wie ich hoffte, die Reise meines Lebens werden würde - wachte ich immer wieder von lauten SOS-Rufen der Tempeltiger in meiner Wohnung in Hollywood auf. Während ich mit der flehenden Bitte der gefangenen Tiger, „so schnell wie möglich herzukommen“, überhäuft wurde, konnte ich es noch weniger erwarten, den Mönchen zu helfen, größere Gehege für die Tiger zu bauen. Während die Tiger - erschöpft, unter Schmerzen leidend, verwirrt, wütend und ungeduldig - zu mir durchdrangen, wurde mir klar, dass diese Touristenattraktion eine tickende Bombe war. Wenn einer der Tiger durchdrehte und einen Mönch oder Touristen angriff, wäre das das Ende des Tigertempels und würde womöglich allen Buddhisten in Thailand Schande bringen.
Mittlerweile waren einige der Tiger schon so erzürnt, dass ich es für dringend hielt, mir die Tiere näher anzusehen. Also fingen die Tiger an, morgens, mittags und abends mit mir Kontakt aufzunehmen. Sie weckten mich mit Albträumen über ihre engen Käfige auf. Ich war wie besessen. Ich hatte keine Ahnung, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Eine romantische Vorstellung erfüllte mich, die von den unwiderstehlichsten Bildern, die ich jemals im Internet gesehen hatte, angetrieben wurde - Bilder von seligen Touristen, die sich bücken, um erstaunlich zahme Tiger zu streicheln und sich mit ihnen fotografieren zu lassen. Schon bald würde ich dasselbe tun.
Per E-Mails teilten die Mönche mir noch vor meinem Abflug mit, dass der Tempel einen neuen Tierarzt für die Tiger bräuchte. Auf der Suche nach einem Tierarzt, der exotische Tiere und insbesondere große Wildkatzen versorgen könnte, schickte ich einen Hilferuf an meine Schüler in aller Welt. Es war zwar wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen, doch schließlich fand ich tatsächlich einen Tierarzt. Und nicht nur einen: Fünf meiner Schüler waren qualifiziert und bereit, nach Thailand zu fliegen, um die Mönche und ihre Tiger zu unterstützen. Selbst als der Tempel anfing, noch höhere Ansprüche zu stellen und zu fordern, dass der Tierarzt nicht nur Erfahrung mit wilden Tigern haben müsse, sondern auch sechs Monate seines Lebens ohne Honorar opfern sollte (Sie haben richtig gelesen: Er sollte seine Tierarztpraxis schließen, auf eigene Kosten nach Thailand fliegen und umsonst arbeiten!), fand ich den Richtigen für den Job. Und der Richtige war eine Frau. Eine meiner Schülerinnen entsprach allen Forderungen und war bereit, aus Hongkong hinzufliegen. Das war ein Wunder und eine göttliche Fügung. Ich war selig. Doch dann wurde ihre Bewerbung grundlos von den Mönchen abgelehnt.
Als ich voller Tatendrang mit meinem Kameramann das Gelände am Rand von Chang Mai erreicht hatte und ungeduldig den Abt interviewen wollte, eröffnete man mir, er sei im Krankenhaus in Bangkok und stünde für ein Interview nicht zur Verfügung. Seine Mitarbeiter sagten mir, er sei am Abend vor meiner Ankunft wegen eines Notfalls ins Krankenhaus eingeliefert worden. Ich begann, für die Mönche zu beten, ohne zu ahnen, dass ich in Wirklichkeit jemanden brauchte, der für mich betete.
In den Tagen darauf fand ich mich in einem chaotischen Strudel widersprüchlicher Berichte wieder. Die Mitarbeiter des Klosters und ihre ehrenamtlichen Helfer waren bemüht, mir Interviews zu geben, doch sie verstrickten sich in Lügen. Ich war gekommen, um ihnen zu helfen, ein neues Schutzgehege für Tiger aufzubauen, in dem jeder der Tiger sein eigenes privates Paradies haben würde und trotzdem von den Touristen bestaunt werden könnte. Das würde die Spenden für den Unterhalt der Tiere generieren. In meinen Ohren klang es wie der Tigerhimmel auf Erden, und ich konnte es kaum erwarten, ihnen dabei zu helfen. Unglücklicherweise erfuhr ich in den Interviews mit den Mitarbeitern, dass die Einnahmen durch die vielen Touristen, die zum Tor hereinströmten, um die angeblich so „zahmen und friedfertigen“ Tiger zu streicheln, in dunklen Kanälen und mysteriösen Randprojekten verschwanden und nicht in die Projekte floss, für die das Geld gedacht war, wie zum Beispiel die Errichtung der Inseln.
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