Die Nachrichtenproduzenten waren jedoch so freundlich gewesen, mich zu fragen, ob ich einen Lehrmeister hätte, den sie interviewen sollten. Leider war meine Lehrmeisterin schon verstorben, doch stattdessen schlug ich ihnen Captain Edgar Mitchell vor, den legendären NASA-Professor und Astronauten, der seine Fußabdrücke auf dem Mond hinterlassen hat. Auch wenn Dr. Mitchell mir nicht beigebracht hat, wie man telepathischen Kontakt zu Tigern aufnimmt, war er möglicherweise der einzige geniale Wissenschaftler auf Erden, der den Prozess verstand und nicht das Gesicht verziehen würde. Die Liebe zu seiner äußerst intelligenten alten Schnauzerdame Miss Megs brachte uns zusammen, da selbst ihr äußerst intelligenter menschlicher Papa nicht wusste, was sie dachte, wenn sie ihn mit unwiderstehlich seelenvollen Augen um ein Stück Käse anbettelte.
Dr. Mitchell ließ die Fernsehcrew zu ihm nach Hause in West Palm Beach kommen und ihn dort interviewen. Später erzählte er mir davon.
„Hat sie sich jemals geirrt?“, hatten die Fernsehleute ihn gefragt.
„Nicht dass ich wüsste, aber jeder hat mal einen schlechten Tag. Es kann schon sein, dass es Tage gibt, an denen ihre Antennen nicht so feinfühlig sind wie sonst.“
Zum Glück war dies kein solcher Tag. Als wir im Naturschutzpark für Wildkatzen ankamen, schmorte ich schon in der Hitze Floridas, doch der nervenaufreibende Stress, mich vom prestigereichsten Nachrichtenprogramm Amerikas bei der Arbeit filmen zu lassen, ließ meine Körpertemperatur um gefühlte fünf Grad mehr steigen. Angespannt und mit ausgetrocknetem Mund ging ich an den Gehegen der großen Wildkatzen vorbei, während mir die Kameras dicht auf den Fersen blieben. Jedes Gramm meines Muts, meiner Gabe und Kraft würde gleich auf die Probe gestellt. Wir kamen an vielen der Tiere vorbei, mit denen ich schon in meiner Meditation gesprochen hatte. Ich begrüßte sie alle still und ehrfürchtig und dankte ihnen dafür, dass sie mit mir kommuniziert hatten, während sie mich in Gedanken zu ihrem kranken König führten.
Plötzlich sahen wir ihn. Es war der größte und majestätischste bengalische Tiger, den ich in meinem Leben gesehen hatte, doch er ließ den riesigen Kopf vor Schmerzen hängen. Von seiner prächtigen Oberlippe tropfte Blut. Mark McCarthy, der wundervolle Leiter dieser Tierschutzeinrichtung, war wortlos zu uns getreten. Er sah in die Kamera und erklärte:
„Das ist Rajah. Ihm wurde gerade einer seiner Zähne gezogen, um an ein Krebsgeschwür in einer seiner Nebenhöhlen heranzukommen. Wegen seines hohen Alters hatten wir starke Bedenken, ihn unter Narkose zu setzen. Er ist unser ältester Tiger.“
„Welcher Zahn wurde ihm gezogen?“, wollte Bob Faw wissen.
„Einer seiner linken oberen Backenzähne.“
Leider sind selbst Fernsehteams, die ganz offen für Hellseher sind, total verblüfft, wenn der magische Prozess vor ihren Augen eintritt. Zu diesem Zeitpunkt waren sie wohl damit beschäftigt, sich ein halbes Dutzend möglicher Erklärungen zu überlegen, wie ich an meine Informationen gelangt war.
War der Gesundheitszustand des Tigers womöglich im Internet veröffentlicht worden? War er nicht. Hatte mir der Leiter des Tierschutzparks die Information heimlich im Voraus verraten? Hatte er nicht. Ich war ihm noch nie zuvor begegnet und hatte auch noch nie mit ihm geredet. Hatte ich vielleicht einen Schüler oder Freund als Spion in den Park geschickt? Hatte ich nicht.
Ich hatte die Information von den Wildkatzen. Und sie hatten es mir sogar gesagt, ohne dass ich ein Foto vorliegen hatte. Ich hatte keine übersinnlichen Koordinaten erhalten. Ich hatte den Tierschutzpark nur gedanklich betreten und die Wildkatzen direkt gefragt. Und jetzt stand ich vor ihnen. Vor Rajahs Gehege kämpfte ich mit den Tränen. Im Gegensatz zu den Tierschutzeinrichtungen in Thailand, die mich mit den gefährlichsten wilden Tigern der Welt schmusen ließen, oder den Affenschutzeinrichtungen in Südamerika, die mir erlaubten, die großen Affen vorsichtig zu streicheln, durfte ich hier nicht Rajahs Gehege betreten und ihn umarmen. Ich durfte ihn nur durch die Käfigstangen hindurch trösten, ohne ihn streicheln oder küssen zu können. Ich konnte ihm nur heilende Gedanken schicken und ihm mit zärtlichen Worten Mut zusprechen. Er ließ vor Schmerzen den wunderschönen Kopf hängen, während ihm das Blut die Mähne heruntertropfte. Der Krebs in seiner linken Nasennebenhöhle war nicht behandelbar. Rajah lag im Sterben.
Einer seiner letzten Wünsche war, dass eine kleine Tierkommunikatorin aus Los Angeles ihrer Spezies erklären würde, dass auch Tiere Gefühle haben, dass ihre intellektuellen Fähigkeiten ein Vielfaches von dem sind, was Menschen ihnen zutrauen, dass die Bandbreite ihrer Gefühle weitaus größer ist, als wir es uns jemals hätten träumen lassen, und dass die Art, wie wir unsere Mitlebewesen behandeln, so sehr zu wünschen übrig lässt, dass sie ungehört in Käfigen an Krankheiten verenden, die wir durch unzureichende Ernährung, nicht tiergerechte Lebensumstände und emotionales Leid hervorrufen. Unser primitives medizinisches Wissen über Tiere und unsere Unfähigkeit, ihre Heilungsprozesse zu honorieren, können dazu führen, dass sie sich noch gedemütigter und verratener fühlen. Auch ist der Mensch das einzige Lebewesen, das andere Tiere nicht „hören“ kann. Das kann zu einem Desaster führen - dem Gefühl der Einsamkeit, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit, das zu Depressionen führt, sowie Verwirrung und Frustration über die einzige Spezies, die ihre Verbundenheit zur Natur verloren hat: der Mensch.
Doch Rajah hatte an jenem Tag noch einen kleinen Hoffnungsschimmer, der die Finsternis seiner hoffnungslosen Zukunft erhellte.
„Ich kann dich hören“, sagte ich in Gedanken zu ihm. „Und ich liebe dich. Wenn ich mein ganzes Leben nur für diesen Augenblick gelebt habe - für die Chance, dir zu begegnen und hier zu sein, um dich zu trösten -, dann war es das wert.“
Er sah zu mir auf und lächelte so, wie alle Katzenfreunde es von Katzen kennen, nämlich wenn sie die pelzigen Mundwinkel in einem Ausdruck seliger Zufriedenheit nach oben ziehen. Trotz seines stark schmerzenden Kiefers gähnte er sogar leicht. Dann streckte er stolz den kräftigen Rücken, streckte mir die herrlichen Vorderbeine entgegen und kreuzte die Pfoten. Mit einer unwiderstehlich süßen, flirtenden Bewegung legte er wie ein Kätzchen die Wange auf die Pfoten und schaute mit großen Augen zu mir auf. Der smaragdgrüne Laserstrahl seines Blickes traf mich mitten ins Herz.
„Ich bin durchs ganze Land gereist, nur um dir zu begegnen, Rajah“, sagte ich ihm in Gedanken. „Und für dich wäre ich auch durch die ganze Galaxie gereist.“
„Ich danke dir. Und ich hätte für dich dasselbe getan. Ich habe ein paar Botschaften an die Menschen“, sagte er. „Sag ihnen, dass Tiger immer noch die Könige des Dschungels sind, und als König dieser Spezies spreche ich nicht nur für die Tiger, sondern für alle Tiere auf der ganzen Welt. Sag deinen Leuten, dass sie mit uns liebevoll und nicht mit Gewalt umgehen sollen. Sag ihnen, dass wir ihre Lehrmeister und nicht ihre Sklaven sind. Sag ihnen, dass sie sich letztendlich selbst zerstören, wenn sie alle anderen Spezies ausrotten. Sag ihnen, dass sie lernen müssen zu teilen.“
„Gut, ich werde es versuchen ... aber du weißt ja, dass sie nicht auf mich hören werden.“
„Wenn nicht auf dich - auf wen dann?“, gab er zurück.
„Ich werde tun, was ich kann. Das verspreche ich dir“, sagte ich und wünschte ihm zärtlich Lebewohl, während ich ins Gebäude zurückgescheucht wurde, damit wir den Drehplan einhalten konnten. Während ich mir die Tränen abwischte und mich von seinem Gehege entfernte, quollen rote Blutstropfen noch immer aus seinem Mundwinkel. Ich musste mir das Gesicht abtupfen und es für das Interview vor laufender Kamera richten, das gleich beginnen würde, doch ihn zurückzulassen war die reine Qual. Ich hätte jeden Tag meines restlichen Lebens damit verbringen können, voller Dankbarkeit, dass wir Menschen an der Seite solcher Schönheit auf Erden leben dürfen, sein prächtiges Gesicht zu bestaunen.
Frisch gepudert und mit erneuerter Wimperntusche