Die Hand des Anubis. Tessa Jones. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Jones
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740979867
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Finger. »Tut mir leid, mein Großer. Das wollte ich nicht.«

      Mit beiden Händen kraulte sie den Kater hinter den Ohren. Er begleitete sie, seitdem ihre Eltern ihr das orangerote Kätzchen mit den Bernsteinaugen zu ihrem zwölften Geburtstag in den Arm gelegt hatten. Mittlerweile war aus dem tapsigen Baby ein stattlicher Maine-Coon-Kater geworden. Er verteidigte sie und sein Revier, die Wohnung, gnadenlos. Wen er nicht mochte, bekam das sofort zu spüren. Es hatte fünf Anläufe gebraucht, bis er zugelassen hatte, dass sich zweimal die Woche eine Putzfrau um Haushalt und Wäsche kümmern durfte. »Computer, Uhrzeit.«

      Die künstliche Intelligenz reagierte mit einem leisen Piepsen und gab dann gehorsam Antwort. Ihr Star Trek verrückter Vater hatte den Namen des Gerätes geändert und Vidya hatte sich daran gewöhnt. Es war seine Art, ein Auge auf seine Tochter zu haben.

      Sie stand auf und ging, gefolgt von Zorro, in die Küche. Zielsicher griff sie in den Kühlschrank und gab eine Portion Frischfleisch-Katzenfutter in den Napf. Während der Kater frühstückte, bereitete sie sich einen Kaffee zu. Mit der Tasse in der Hand trat sie auf ihre kleine Dachterrasse und drehte das Gesicht in Richtung der aufgehenden Sonne. Die warmen Strahlen streichelten ihre Haut und halfen, den Schrecken der Nacht zu verdrängen. Oft hatte sie ihre Hellsichtigkeit schon zum Teufel gewünscht. Grade am Anfang, als ihr noch niemand glauben wollte. Als jeder ihre Visionen auf die Nachwehen des Unfalls und die Hirnschwellung zurückführte. Selbst ihre Eltern versuchten, ihr einzureden, sie würde sich alles nur einbilden. Bis ihre „Träume“ anfingen, sich zu bewahrheiten. Dadurch wurde es aber eher schlimmer als besser. Ihr Freundeskreis schwand. Die eine Hälfte wandte sich von ihr ab, weil sie beunruhigt und verunsichert waren, was sie von der Sache halten sollten. Die andere bedrängte sie regelrecht, wollte gezielt dies und das erfahren. Und als sie ihnen nicht geben konnte, wonach sie verlangten, ließen sie sie fallen.

      So wie der Detective es jetzt scheinbar tat. Fast eine Woche hatte die Polizei nun schon sämtliche Kühlhäuser der Stadt und des näheren Umlands ge- und durchsucht. Mit jedem neuen Fehlschlag war Scott wortkarger und verschlossener geworden. Sie spürte, dass er begann, an ihren Worten zu zweifeln. Das schmerzte, hatte sie doch das Gefühl gehabt, dass die Chemie zwischen ihnen stimmte. Nun hatte sie seit zwei Tagen nichts mehr von ihm gehört.

      »Wäre ja auch zu schön gewesen«, murmelte sie in ihre Tasse – die ihr in der nächsten Sekunde fast vor Schreck aus der Hand gefallen wäre, als es an der Haustür klingelte. Zorro strich ihr um die Beine, als sie zur Tür ging und die Gegensprechanlage betätigte. »Ja, bitte?«

      »Hier ist Detective Scott. Ich … ähm, darf ich reinkommen? Es gibt neue Erkenntnisse in unserem Fall.«

      Vidya ließ den Knopf los, als hätte sie sich daran verbrannt. Er war hier. Sie hatte an ihn gedacht und nun stand er vor ihrer Tür. Mit bebenden Fingern drückte sie den Türöffner, lauschte seinen Schritten im Flur. Im selben Moment, in dem sie die Wohnungstür aufzog und er scharf einatmete, wurde ihr bewusst, dass sie immer noch nur ihr kurzes, verschwitztes Nachthemd trug. Eine Entschuldigung stammelnd ließ sie ihn in der Tür stehen und eilte ins Schlafzimmer, um sich etwas überzuziehen.

      Als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte, war Taylor grade dabei, den dumpf knurrenden Kater zu beruhigen.

      »Gutes Kätzchen. Braves Kätzchen. Ich tu dir nichts, wenn du mir nichts tust.«

      Vidya lachte auf. »Keine Sorge, Detective, Zorro ist harmlos. Er ist Fremden gegenüber nur ein wenig … voreingenommen. Beachten Sie ihn einfach nicht weiter. Kaffee?«

      Mit dem Fuß schob sie ihren felligen Mitbewohner zur Seite und lud ihren Besucher mit einer Geste ein, ihr in die Küche zu folgen.

      »Ehm, ja, gern. Was geben Sie dem Vieh zu fressen, das es so riesig geworden ist? Der könnte problemlos den Westhighland Terrier meiner Nachbarin erlegen.«

      Stoff raschelte, als er seinen Mantel über die Stuhllehne hing und sich setzte. Vidya grinste, nahm eine weitere Tasse aus dem Schrank und schenkte ihm Kaffee ein.

      »Er frisst nur Chihuahuas«, lachte sie und nahm ihm gegenüber Platz. »Was führt Sie zu mir, Detective?«

      Vorwürfe, dass er sich nicht mehr gemeldet hatte, wollte sie ihm keine machen. Sie hörte, wie er einen Schluck trank und die Tasse wieder abstellte.

      »Die Kühlhäuser haben sich als Sackgasse erwiesen. Keines war auch nur im Geringsten so ausgestattet, wie Sie es gesehen haben. Aber wir haben eine neue Spur. Unsere Forensiker haben Fotos der Waage und der Schmucksteine gemacht. Und bei der Ursprungsermittlung kam nun heraus, dass die Vorlagen der Steine in Boston im Museum liegen. In der ägyptischen Abteilung – in der auch eine Darstellung des Totengerichts inklusive Waage aufgebaut ist.«

      Seine Stimme bebte vor Begeisterung, vor Jagdfieber. Sie konnte sich gut vorstellen, wie sehr seine Augen in diesem Moment leuchteten und auch wie triumphal er vermutlich gerade grinste.

      »Das sind ja wunderbare Neuigkeiten. Ich freue mich, dass Sie vorankommen.«

      Impulsiv legte sie ihre Hand auf seine. Wie er es umgekehrt im Diner getan hatte. Seine rauen Finger auf ihrer Haut waren angenehm gewesen. Viel zu lange war sie nicht mehr berührt worden. Weder flüchtig noch intensiver. Für einen Herzschlag wünschte sie, sie hätte doch das Nachthemd angelassen. Wer weiß, ob nicht vielleicht … Sei keine Närrin, schalt sie sich in Gedanken. Sicher brauchte und würde sich ein Mann wie Taylor nicht mit einem blinden Mauerblümchen wie ihr abgeben.

      »In der Tat«, erwiderte er nun, ohne seine Hand zurückzuziehen. »Ich wollte fragen, ob Sie mich zum Museum begleiten möchten. Eigentlich müsste ich die Kollegen in Boston informieren. Da wir uns allerdings nur mal umsehen wollen, halte ich es nicht für notwendig. Es ist ja keine offizielle Ermittlung. Also, ich weiß, dass Sie die Sachen nicht so wahrnehmen können wie ich, aber vielleicht spüren Sie ja etwas. Und … ich hätte Sie gern dabei.«

      Vidya spürte, wie sie rot wurde, deshalb strich sie sich schnell eine Strähne hinter das Ohr, um ihre Nervosität zu überspielen. Sein Eingeständnis erzeugte ein Kribbeln in ihrem Innersten.

      »Natürlich komme ich mit, Taylor. Wir sind schließlich Partner.«

      Er stutzte leicht unter der vertrauten Ansprache, schien sich dann aber daran zu erinnern, dass sie ihm das Du ja bereits beim ersten Treffen in seinem Büro angeboten hatte. Er hatte es nur gekonnt ignoriert, vermutlich aus Skepsis ihr gegenüber. Doch damit war nun Schluss, das spürte sie.

      Synchron und zeitgleich leerten sie ihre Tassen, grinsten darüber beide albern und machten sich auf den Weg.

      *****

      Die Stille war ohrenbetäubend. Sie waren vor der offiziellen Öffnungszeit im Museum angekommen, und wann immer sie in den riesigen Räumen stehenblieben, war außer ihrem Atem nichts zu hören. Es war wunderbar! Fast unwillig folgte sie dem Wachmann, der sie am Eingang im Empfang genommen hatte und sie nun zum Büro des Kurators führte. Dabei sog sie die vielen unterschiedlichen Gerüche der Ausstellungsstücke ein. Altes Pergament, Kupfer und unzählige weitere Metalle sowie verschiedene Gesteinsarten. Öl- und Salbenreste mit verschiedensten Inhaltsstoffen. Ein sehender Mensch würde diese Palette nur zum Teil, nur die wirklich dominanten Duftnoten, wahrnehmen, sich für den Rest aber zu sehr von seinen Augen ablenken lassen. Wo andere das Gefäß aus Alabaster bestaunen würden, erfreute sie sich an dem Hauch Lotusparfüm, der darin konserviert war.

      »Guten Morgen, Herrschaften. Ich bin Prof. Archibald Darrington, Kurator dieses schönen Museums. Meine Sekretärin hat Sie angekündigt. Wie kann ich weiterhelfen?«

      Der Händedruck des Mannes war fest, seine Stimme warm und herzlich, mit einem sympathischen britischen Akzent. Er freute sich ehrlich über ihren Besuch. Noch, dachte Vidya und überließ Taylor das Reden.

      »Danke für Ihre Zeit, Professor. Ich bin Detective Taylor Scott vom Londonderry P.D., dies ist Vidya McMurran, polizeiliche Beraterin. Wir ermitteln in einer Mordsache und hatten gehofft, dass Sie uns als Fachmann mit den am Tatort aufgefundenen Beweisen weiterhelfen können.«

      »Mord? Oh my goodness! Wie fürchterlich. Natürlich helfe ich, wo ich kann.