DIE SNUFF-KILLER. Robert Blake Whitehill. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Blake Whitehill
Издательство: Bookwire
Серия: Blackshaw
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958356191
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dem Weg räumte und die zerbrochene Tür so gut wie möglich wiederherstellte, trat Chalk ans Ufer hinunter. Wie er die Chesapeake Bay hasste. Der Fischfang, das Krabbenfischen, all diese Freizeitaktivitäten kaschierten eine einzige, hässliche Wahrheit. Er hatte hier schon einmal versagt. Auf spektakuläre Art und in einer Weise, die ihn seines Status beraubt hatten, seines Selbstwerts und unsäglichen Reichtums, und die ihn in Demut kriechen und um Gnade flehend zurückgelassen hatte.

      Ja, er war nach der großen Tat augenblicklich zum Helden des Tages gemacht worden. Anhand der Lügen, die er erzählte, hatten die Medien ihn in den Heldenstatus erhoben. Er hatte Washington, D.C. vor der schmutzigen Bombe der Terroristen gerettet.

      Aber die Menschen aus seinem Umfeld erinnerten sich noch. Es war kein sauberer Sieg gewesen. Die Bombe war schadlos auf einer Sandbank in der Mitte der Chesapeake hochgegangen, ohne Verluste von Menschenleben; zumindest gab es keine Opfer, von denen die Sensationsmacher wussten. Dann hatte jemand angefangen rumzuschnüffeln, wie viel Chalk von dem Komplott gewusst und wann genau er davon erfahren hatte. Diese Fragen hatten weitere Ermittlungen nach sich gezogen. Warum hatte Chalk versucht, es allein mit den Terroristen aufzunehmen? Für wen genau arbeitete er eigentlich? Innerhalb eines Nachrichtenzyklus hatte der faule Gestank einer Laufbahn im Geheimdienst angefangen, sich um Chalk herum zu sammeln und seine glanzvollen Zukunftsaussichten zu verderben. Nach einem glorreichen Leben in den Schatten war Ruhm letztendlich sein Verderben gewesen.

      Sein Boss, Senatorin Lily Morgan, aus dem großartigen Staate Wisconsin verleugnete ihn. Während sie zur Ministerin der Abteilung für Innere Sicherheit aufstieg, hatte er in den Untergrund kriechen müssen, als er über Mittelsleute erfuhr, dass er einer Anhörung vor dem Senat nur entgehen konnte, wenn er augenblicklich verschwand.

      Eine Zeit lang hatte er geglaubt, seinen größten Patzer in seinen umwerfendsten Erfolg verwandeln zu können. Am Ende hatte keinerlei Form von Meinungsmache, wofür Chalk Millionen Dollar an Schmiergeldern und für vergebliche PR-Kampagnen ausgegeben hatte, etwas an der Tatsache ändern können, dass die Detonation einer schmutzigen Bombe auf amerikanischem Boden derart schrecklich war, dass es die Angriffe vom 11. September 2001 überschattete. Irgendjemand musste dafür geradestehen. Chalk war nicht länger der Mann, der die Hauptstadt der Nation bewahrt hatte. Er war zum Unhold abgestiegen, der Amerika verraten hatte.

      Und da war er nun wieder, an den Ufern dieser riesigen Jauchegrube, der Chesapeake Bay, auf der Jagd nach einer wertlosen kleinen Schlampe, nur damit er seinen widerlichen Job als Kerkermeister im Todestrakt behalten konnte. Seine Hände ballten sich unfreiwillig zusammen, betätigten eingebildete Abzugszüngel, die aus seinen Feinden Matsch und Knochensplitter machten.

      »Oma?« Chalk drehte sich um und erblickte ein blondes Mädchen, etwa fünf Jahre alt, und einen Jungen, der ihr Zwillingsbruder sein musste, wie sie verschlafen und verdutzt an der Hintertür des Hauses standen. Clyster und Harrower waren gerade dabei, den schlaffen Leib der alten Frau an Händen und Füßen in den Schuppen zu tragen. Byrd und Gläans Bellendre zogen Pistolen.

      Herrgottnochmal! Enkelkinder? Mir ist aber auch gar nichts gegönnt, dachte Chalk.

      Er warf Byrd und Bellendre einen scharfen Blick zu und sagte: »Muss ich denn alles selber machen?«

      Das kleine Mädchen begann zu weinen, als die zwei Söldner auf das Haus zu pirschten.

      Chalk rief ihnen hinterher: »Hey, wenn ich so drüber nachdenke, schnappt sie euch lieber lebendig

      Byrd und Bellendre holsterten ihre Waffen und beschleunigten ihren Gang.

      

       Kapitel 15

       Während Ellis seine wenigen Habseligkeiten herauslegte, manche davon tödlich, wählte Ben eine Nummer auf seinem verschlüsselten Satellitentelefon. Er hörte zwei verhaltene Summtöne; der ausgehende Anruf.

      »Was?«, antwortete die müde Stimme von Michael Craig.

      Der einsiedlerische Riese betrieb ein verschwiegenes, internationales Beratungsunternehmen namens Pemstar aus einer alten Jagdhütte in der Wildnis im Norden Vermonts heraus. Wetteranalyse war für die meisten ein hexerisches, bestenfalls impressionistisches Handwerk, aber Craigs detaillierte Modelle konnten auch da punkten, wo andere versagten: beim Thema Langfristigkeit. Seine prophetischen Einschätzungen von Wind, Niederschlag, Temperatur, Taupunkt, Luftfeuchtigkeit und jeglicher Art von Anomalien galten nicht nur für Stunden, sondern für Wochen. Seine Treffsicherheit und Präzision waren gottgleich. Von wechselhaften Brisen bis zu Staubteufeln, von Sonnenregen bis zu Hurrikanes, Generäle und Admirale der ganzen Welt ließen sich seine Ausarbeitungen gern etwas kosten, wenn irgendwas geplant wurde, ob nun kleine Nacht-und-Nebel-Aktionen oder groß angelegte Offensiven. Je weitreichender die Vorhersage, desto höher war Craigs Honorar. Der größte Teil des Pemstar-Anwesens sowie die Räumlichkeiten am dahinterliegenden Hang dienten zur Aufbewahrung von Servern, auf denen die aufwendigste Modellierungssoftware des ganzen Planeten lief. Craigs eigens entwickelte Software. Doch auch die war nutzlos ohne den Mann selbst, der die finale, erstaunliche Auswertung der Daten vornahm, die er sich aus Sensoren und Satelliten der ganzen Welt zusammenhackte.

      Ben hatte mit Craig im ersten Golfkrieg im Irak gedient. Craigs unheimliches Verständnis der Wüstenwinde, die dicke Schwaden schwarzen Rauches von brennenden Ölbohrplattformen mit sich brachten, hatte Ben geholfen, wie ein Phantom von seiner Schussposition in Fallujah abzuziehen, wo es von Feinden nur so wimmelte.

      »Du weißt, wer dran ist?«, fragte Ben.

      Craigs Seufzer drang bis ans andere Ende der Leitung. »Wir hatten das Thema schon, Eure Königliche Hoheit. Ich bin mir sicher, dass Eure Tochter eines Tages eine wunderbare Braut abgeben wird, aber wie ich heute Morgen erwähnte, hab ich was gegen helles Sonnenlicht und es gibt einfach zu viel Sand in Eurem Land. Sand, Sand und noch mehr Sand. Einfach überall. Eure Dankbarkeit, die Bezahlung, der großzügige Bonus und die Gelegenheit, Euch in der Zukunft wieder dienen zu können, wird mir immer mehr als genu…«

      »Nein«, unterbrach Ben. »Aber herzlichen Glückwunsch.«

      »Oh.« Michael hielt inne und sammelte sich für einen Moment. »Ich rede nicht gern mit dir. Wenn wir reden, explodiert immer irgendwas.« Craig und Pemstar hatten bei der delikaten Mission, die Ben im letzten Herbst auf sich genommen hatte, eine entscheidende Rolle gespielt.

      »Die Sonne wird irgendwann explodieren«, argumentierte Ben.

      »Relativismus ist argumentativ unter der Gürtellinie, und das weißt du«, murrte Craig.

      »War den Versuch wert. Du gibst jetzt schon Prinzessinnen 'nen Korb?«

      »Ist ein Wein-des-Monats-Abo denn zu viel verlangt? Aber nein, wenn dieser Typ dankbar ist, dann ist er wirklich, wirklich dankbar. Du, auf der anderen Seite, bist arm. Warum spreche ich mit dir?«

      »Weil ich deine Hilfe brauche. Ich muss dich anheuern.«

      »Das Geld, das du nicht hast, ist bei mir nichts wert.«

      »Und das Geld, das ich habe?«

      Craig zog Bens Worte für einen Augenblick in Betracht. »Auch nichts wert. Was brauchst du denn? Und die Leitung ist verschlüsselt, also drück dich dieses Mal um Himmels willen klar aus.«

      Ben konnte nicht anders, als trotzdem seine Antwort zu verschleiern, nur für den Fall. »Du weißt, wo ich in den letzten Wochen gewesen bin?«

      »Klar. Du hast dieses Satellitentelefon benutzt, lass mal sehen …« Ben hörte Craig im Hintergrund tippen. »Mindestens einmal pro Woche, um gewisse Leute anzurufen. Übrigens, wie sind die neuen Magazine für die Bersa, gut?«

      Ben war von Craigs Verletzung seiner Privatsphäre zutiefst verstört. »Ich dachte, du wärst der Wettermann.«

      Craig war schon fast am Kichern. »Klar. Aber ob du nun über Kupfer, Funk oder Glasfaser kommunizierst, ich weiß alles.«

      »Unmöglich. Sogar die NSA hat immer noch Schwierigkeiten damit,