Jakes hatte allerdings etwa eine halbe Stunde vor seiner Verhaftung noch ein Gespräch von fast zehn Minuten mit einem Anschluss geführt.
Ich wählte die Nummer mit meinem Handy.
„Hier Donna McNolan“, meldete sich eine mir wohlbekannte Stimme.
„Jesse Trevellian, FBI. Ich hoffe, Sie erinnern sich noch an mich.“
„Wie könnte ich Sie vergessen? Haben Sie etwas Neues für mich?“
„Möglicherweise. Ich schlage vor, dass wir uns treffen. Wo sind Sie jetzt?“
„In der Redaktion der ‚New Beauty’, 223 Prince Street.“
„Das ist quasi auf unserem Weg. Wir sind in einer Viertelstunde bei Ihnen.“
„Es gibt im Verlagsgebäude eine Cafeteria. Ich schlage vor, dass wir uns dort treffen.“
„In Ordnung.“
Ich unterbrach die Verbindung.
„Wer hätte gedacht, dass Jakes Kontakt zu Donna McNolan hat.“
„Zumindest wird sie uns das erklären müssen. Im Übrigen ist der Kontakt von ihr ausgegangen. Sie hat bei Jakes angerufen.“
„Sie könnte dasselbe über Jakes herausgefunden haben wie wir...“
„Möglicherweise war sie seinetwegen auf der Veranstaltung von Joshua Freed. Allerdings frage ich mich, warum sie so getan hat, als würde sie mich nicht kennen.“
Milo grinste. „Vielleicht warst du ihr in diesem Augenblick einfach peinlich, Jesse!“
„Sehr witzig!“
„Aber mal was anders: Angenommen, Jakes ist nicht unser Mann – was ich inzwischen für plausibler halte als weiter anzunehmen, dass er der Barbier...“
„Was dann?“, hakte ich nach.
„Gary glaubte, dass es den Täter vielleicht in die Veranstaltung dieses Predigers ziehen könnte.“
„Das war auch Donna McNolans Grund, nehme ich an. Aber ich weiß immer noch nicht, worauf du hinaus willst, Milo?“
„Und was, wenn Donna der ‚Barbier’ ist?“
„Der Barbier ist ein Mann.“
„Welchen Beweis dafür haben wir, Jesse? Gary könnte sich irren.“
„Jetzt stocherst du aber wirklich im Nebel herum, Milo.“
„Du musst aber zugeben, dass es schon etwas seltsam ist, dass wir Donna McNolan überall dort antreffen, wo sich in diesem Fall etwas Neues tut, oder?“
43
Donna McNolan erwartete uns pünktlich in der Cafeteria des Verlagsgebäudes an der Prince Street, in dem neben ein paar anderen Zeitschriften auch die ‚New Beauty’ produziert wurde.
„Was gibt es Neues?“, fragte Donna.
„Seltsam. Heute kennen Sie mich, bei Joshua Freed haben Sie durch mich hindurchgeblickt.“
Sie hatte ihre Gesichtszüge einen Moment lang nicht unter Kontrolle und wirkte überrascht.
„Wovon reden Sie?“
„Sagen Sie bloß, Sie schreiben eine Reportage über Joshua Freed für eine Zeitschrift wie ‚New Beauty’.“
„Vielleicht unterschätzen Sie die thematische Vielfalt unseres Blattes, Agent Trevellian. Aber Sie sind sicherlich nicht hier, um mich über die Entscheidungen unserer Redaktionskonferenzen auszuquetschen, oder?“
„Wir haben Randall Jakes verhaftet. Er liebt es, Frauen die Haare zu scheren, aber ich könnte mir denken, dass das für Sie nichts Neues ist. Sie habe ihn auf seinem Hotelzimmer angerufen. Was wollten Sie von ihm?“
Donnas Gesicht veränderte sich. Sie nippte an dem Mineralwasser, das vor ihr auf dem Tisch stand. „Von meinen Recherchen wissen Sie ja“, sagte sie schließlich.
Ich fragte mich inzwischen, ob ihre Redaktion von diesen Recherchen überhaupt etwas wusste.
Dann beugte sie sich etwas vor. „Halten Sie Jakes für schuldig?“
„Nein. Und Sie?“
„Was soll ich dazu sagen, Agent Trevellian?“
„Sie wissen darüber mindestens genauso viel wie wir. Und jetzt hätte ich gerne, dass Sie anfangen, mit offenen Karten zu spielen. Sie tauchen pünktlich beim Fundort der Leichen auf, Sie beobachten das Hotel Parrinder und Sie rufen unseren derzeitigen Hauptverdächtigen an, kurz bevor er verhaftet wird. Kommen Sie mir weder mit Zufall noch mit Ihren Recherchen, denn ich wette, wenn wir jetzt Ihren Chefredakteur befragen, dann weiß der nicht einmal etwas davon – geschweige denn, dass er eine Serie über den Barbier in der ‚New Beauty’ plant!“
„Sie haben Recht“, gab sie zu. „Mit der ‚New Beauty’ haben diese Recherchen nichts zu tun. Aber ich werde Ihnen darüber auch keine weiteren Auskünfte geben...“
„Aber unsere Fragen werden Sie beantworten müssen“, warf Milo ein. „Notfalls in einem Verhörraum in unserem Field Office.“
Mein Handy klingelte. Ich nahm das Gerät ans Ohr und hatte einen Augenblick später Mr McKee am Apparat.
„Eine der Frauen aus dem Hotel Parrinder hat hier angerufen“, berichtete er uns. „Jennifer Garrison wird von einer Freundin als vermisst gemeldet.“
„Vielleicht kann man sie über ihr Handy orten!“
„Das Handy ist offenbar eingeschaltet, aber sie geht nicht dran. Am besten Sie fahren zum Hotel Parrinder und reden mit einer gewissen Brenda Smith. Ihr ist Jennifer Garrisons Verschwinden aufgefallen.“
„In Ordnung, Sir.“
„Was ist los?“, fragte Donna McNolan.
„Eine Frau aus dem Hotel Parrinder ist verschwunden. Die Kollegen versuchen gerade, ihr Handy zu orten.“ Ich wandte mich an Milo. „Wir müssen los.“
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