Er schluckte.
„Es ist noch keine Straftat, so etwas zu mögen. Vielleicht etwas sonderbar in den Augen der meisten Leute – aber auf keinen Fall strafbar“, erklärte Gary. „Genau genommen ist es auch nur strafbar, diese Frauen für den Geschlechtsverkehr zu bezahlen, aber nicht dafür, sie kahl scheren zu lassen. Selbst wenn eine der Frauen gegen Sie aussagen sollte, könnten Sie immer noch so argumentieren, dass sie nur für das Scheren und nicht für den Sex bezahlt haben. Damit fiele es nicht mehr unter Prostitution.“
Randall Jakes blickte Gary mit einem deutlich irritierten Gesicht an. „Jetzt wollen Sie mich auf den Arm nehmen, oder?“
„Nein, das ist mein Ernst. Randall – ich darf Sie dich so nennen, oder? – wann haben Sie zum ersten Mal gesehen, wie einem Menschen die Haare abgeschnitten wurden? Das würde mich interessieren.“
„Worauf wollen Sie hinaus?“
„Ihre Eltern führten einen Friseursalon in der Mott Street.“
Jakes lehnte sich zurück und sah Gary ziemlich perplex an. „Ich merke, Sie haben sich informiert.“
„Ich nehme an, Ihre Eltern hatten viel zu tun mit dem Salon. Das war ja kein Riesenunternehmen, sondern ein ganz kleiner Laden.“
„Sie haben rund um die Uhr gearbeitet.“
„Was haben Sie damals gemacht?“
„Wir sind mehr oder weniger alleine aufgewachsen.“
„Wer ist wir, Randall?“
„Meine Schwester Ann und ich.“
„Ann hat auf Sie aufgepasst?“
„Ja, sie war drei Jahre älter als ich. Einmal hatte ich Läuse, da hat sie mir einfach die Haare abrasiert, weil ich sonst nicht hätte zur Schule gehen können.“
„Ich nehme, alle anderen Schüler haben Sie deswegen ausgelacht?“
„Es war die Hölle.“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch und beugte sich vor. „Verdammt, es war die Hölle, Sie Psycho-Quacksalber! Aber deswegen bringe ich keine Frauen um! Ich bin kein Perverser, wie Sie mir unterstellen wollen! Ich wollte Sex mit diesen Frauen.“
„Sie hatten wirklich Sex mit den Frauen, die Sie angesprochen haben?“
„Natürlich! Die Begleitumstände mögen Ihnen ja bizarr vorkommen, aber ich finde das nicht bizarrer als irgendwelche Spielchen mit Fesseln und Peitschen, die andere Leute betreiben!“
In diesem Moment trat eine massige Gestalt im dunkelgrauen, maßgeschneiderten Dreiteiler ein.
„Schluss jetzt! Mein Name ist Homer G. Davidson. Ich bin Mister Jakes’ Anwalt und mein Mandant wird keinerlei Aussagen mehr machen, bevor ich mich mit ihm nicht besprochen habe.“ Homer G. Davidson stellte seine Tasche auf den Tisch und blickte in die Runde. „Gentlemen, Sie haben vorerst Pause!“
39
„Er war es nicht“, war Gary Schmitt plötzlich überzeugt, nachdem wir den Raum verlassen hatten, um Randall Jakes mit seinem Anwalt allein zu lassen.
„Wie kommen Sie darauf?“, fragte ich etwas irritiert.
„Der ‚Barbier’ hatte mit seinen Opfern keinen Sex, dieser Mann schon“, gab Gary zu bedenken.
„Aber wir wissen nicht, ob die Aussage überhaupt der Wahrheit entspricht“, stellte Dirk Baker fest.
„Das ließe sich ja gegebenenfalls feststellen, wenn eine der Frauen, die er angesprochen hat, zur Aussage bereit wäre“, erwiderte Gary. „Aber das ist nicht der Punkt, um den es mir geht!“
„Dann erklären Sie es uns, bevor Sie uns mit dem Gefühl nach Hause schicken, den falschen Mann festgenommen zu haben.“
„Es ist eigentlich mehr die Art, wie er über Sex redet. Nach unserem Täterprofil haben wir es mit einer Person zu tun, für die Sex aus irgendeinem Grund ein Problem darstellt und eher sublimiert wird. Aber für Mister Jakes gilt das ganz bestimmt nicht! Er ist ein Fetischist – doch er steht dazu.“
„Jetzt sagen Sie uns nicht, dass wir ihn freien Fuß setzen sollen!“, entfuhr es Milo.
Gary schüttelte den Kopf. „Dazu ist es noch zu früh. Es sprechen schließlich auch einige Indizien für ihn als Täter – und unfehlbar sind unsere Profile auch nicht. Aber wir sollten alle Fakten noch einmal sorgfältig überprüfen. Wir müssen etwas übersehen haben.“
40
Jennifer Garrison stieg aus dem Taxi, nachdem sie gezahlt hatte. Es war bereits nach Mitternacht. Sie fror in ihrem kurzen Rock und stellte den Kragen ihrer Jacke auf.
Das Taxi fuhr davon. Bis zum Hotel Parrinder waren es nur noch wenige Meter.
Von hinten näherte sich ein Wagen.
Jennifer drehte sich um. Der Wagen hielt. Im Schein der Straßenlaterne sah die das Ford-Emblem an der Motorhaube.
Das Seitenfenster wurde herabgelassen.
Das Licht fiel so in den Wagen, dass es auf den bis dahin im Dunkeln befindlichen Fahrer fiel.
Eine