Das Eis leistet im übrigen auch mir bei meiner Wasserkur durch indirekte Verwendung treffliche Dienste. Es kühlt zur Sommerszeit das Wasser, wenn es anfangen will, lau zu werden. —
Wie ich über das Aderlassen, die Blutegel und all die wie immer gearteten Blutentziehungen denke?
Noch vor 50, 40, 30 Jahren war selten eine Frau, die sich nicht zwei-, drei-, viermal zur Ader gelassen hätte; die Halbfeiertage und natürlich die günstigsten Zeiten waren gleich am Jahresanfange im Kalender strenggläubig gewählt und rot oder blau angestrichen worden. Die Land- und anderen Ärzte, die Bader und Rasierer selbst nannten ihre eigene Arbeit in dieser Beziehung eine förmliche „Metzgerei“. Auch Anstalten, Klöster hatten ihre Aderlaßzeit und die vor allem andern streng eingeführte Diät (Lebensweise) genau bezeichnet. Man wünschte sich Glück vor und gratulierte sich nach den überstandenen blutigen Strapazen. Diese mögen zuweilen nicht gering gewesen sein. Ein geistlicher Herr aus jener Zeit versicherte, 32 Jahre lang habe er sich zur Ader gelassen, in jedem Jahre viermal, und bei jedem Aderlaß 8 Unzen Blut verloren. Tut in Summa 8 × 4 × 32 = 1024 Unzen Blut.
Neben dem Aderlaß gingen noch Blutegel, Schröpfköpfe u. a. um; es war gut gesorgt für jung und alt, für hoch und nieder, für Männer und Frauen.
Wie doch die Zeiten sich ändern! Dieses Treiben hielt man lange für das unum necessarium, das einzige und absolut Notwendige des Gesundseins und Gesundbleibenwollens. Und wie denkt man heutzutage darüber? Man belächelt und bespöttelt diesen Irrwahn der Alten, diese Naturwissenschaftlichkeit, zu meinen, daß irgend ein Mensch zu viel Blut habe. Vor ungefähr zwei Jahren sagte mir ein literarisch tätiger Arzt des Auslandes, der einer neueren Schulrichtung folgt, er habe sein Leben lang noch nie Blutegel gesehen. Viele Ärzte schreiben die Blutarmut unserer Zeit dem früheren Übelstand und Mißbrauch des Aderlasses zu. Sie mögen recht haben, nur ist dieses nicht die einzige Ursache.
Doch zur Sache! Meine Überzeugung ist folgende: Beim menschlichen Körper stimmt alles so wunderbar zusammen, der Teil zum Teil und jeder Teil zum Ganzen, daß man nicht ansteht, das Gebilde des Körpers ein einziges Kunstwerk zu nennen, dessen Idee nur in Gottes Schöpfergeist ruhen konnte, und dessen Inswerksetzung nur durch Gottes Schöpferkraft möglich war. Dieselbe Ordnung, dasselbe Maß, dieselbe Harmonie besteht zwischen Einnahme und Verbrauch der zum Unterhalte, zur Erhaltung des Körpers notwendigen Stoffe, wenn anders der vernünftige und freie Mensch durch rechten Gebrauch des ihm Gegebenen nach Gottes Willen mitarbeitet und nicht durch Mißbrauch desselben die Ordnung verkehrt und Mißklänge in die Harmonie bringt. Da der Sachverhalt ein derartiger ist, so kann ich mir nicht denken, wie die Blutbildung allein, dieser wichtigste aller Prozesse im menschlichen Körper, ohne Ordnung, ohne Zahl und Maß, ungeordnet und übermäßig vor sich gehen solle.
Jedes Kind, so denke ich mir die Sache, bekommt von seiner Mutter mit dem Leben als Erbteil gleich bei der Geburt ein Quantum, eine Portion Blutbildungsstoff mit, mag man letzteren nennen, wie man will, gleichsam die Essenz, ohne welche kein Blut fabriziert, bereitet werden kann. Geht diese Essenz aus, so hört auch die Blutbildung, mit ihr das eigentliche Leben auf. Absterben, hinsiechen nenne ich nicht mehr „leben“. Durch einen jeden Blutverlust nun, geschehe es durch Fall, Sturz oder durch Aderlaß, Blutegel, Schröpfköpfe, geht ein Teilchen oder Teil dieses Blutbildungsstoffes, dieser Lebensessenz verloren; um so viel hat der Mensch weniger, kürzer zu leben. Jede Blutentziehung bedeutet soviel als Verkürzung des Lebens, denn im Blute ist das Leben.
Man wendet ein: Nichts geht rascher als Blutbildung; Blut verlieren, Blut gewinnen, ist fast ein und dasselbe. —
Unglaublich wunderbar schnell geht die Blutbildung vor sich, das gestehe ich vollkommen zu. Aber man entschuldige folgendes Erfahrungsargument (Beispiel); es wird meine Leser aus dem Bauernstand interessieren und sie werden es bestätigen müssen. Wer ein Stück Vieh schnell fett machen will, zapft ihm einen großen Teil Blutes ab, läßt ihm zur Ader und füttert es dann recht gut. In ganz kurzer Zeit wird neues, schönes Blut in Menge fließen. Dabei gedeiht das Stück außerordentlich und nimmt zu an Fettigkeit. Nach 3–4 Wochen läßt man nochmals Blut ab und füttert wieder kräftig und gut, gibt auch viele und kräftige Tränke. Das Gedeihen ist prächtig, und selbst ein altes Stück Vieh wird beim Schlachten so viel und so schönes Blut zeigen wie ein junges. Sehen wir uns indessen das Blut näher an! Das künstlich gebildete Blut ist nur mehr wässeriges, fades, lebensunfähiges Blut. Das Stück Vieh hat keine Kraft, keine Leistungsfähigkeit, keine Ausdauer mehr, und wird es nicht bald geschlachtet, so wird sich binnen kurzem die Wassersucht ansetzen.
Sollte es bei dem Menschen anders sein? Wer schon mehr als 60 Jahre zählt und ein bißchen Erfahrung und Einsicht hat ins Menschenleben, weiß, wie gerade der unmäßige Aderlaß der Voreltern Einfluß hatte auf Fähigkeiten, Talente, Lebensdauer der Nachkommen. Der im Beginne dieser Abhandlung angeführte Herr, der so viele Unzen Blut lassen mußte, starb in den schönsten Mannesjahren an der Wassersucht. Und wenn eine Frau, es sind dieses Tatsachen, 300mal, eine andere 400mal sich zur Ader ließ und dabei namenlos schwach und krank wurde, mußte da die folgende Generation nicht schwächlich und gebrechlich, zu Krämpfen und anderen Leiden veranlagt sein?
Ich gestehe gerne zu, daß es Fälle geben kann, welche aber stets zu den Ausnahmen gehören, in denen, da andere rasch wirkende Mittel nicht zur Hand sind, der Aderlaß eine augenblickliche Gefahr beseitigt.
Sonst aber frage ich jeden vernünftigen Unparteiischen: Was ist besser, sich Stück für Stück vom Lebensfaden abzwacken zu lassen, oder durch richtige Wasseranwendung das Blut so zu verteilen, daß selbst der Vollblütigste kein zu großes Quantum Blut besitzt? — Wie und durch welche Anwendungen diese Verteilung zu geschehen habe, ist an passender Stelle des öfteren erörtert.
Gewöhnlich bekommt man zu hören, daß bei drohenden Schlaganfällen der Aderlaß das einzige Rettungsmittel sei. Da erinnere ich mich soeben des Falles, wo nach einem stattgehabten Schlagflusse der erste Arzt in der Tat schnell zur Ader ließ, der zweite Arzt aber bestimmt erklärte, der Kranke müsse gerade infolge dieses Aderlasses sterben, was auch geschah. Nicht Blutreichtum und Blutüberfluß führen, wie irrtümlicher Weise die Leute meinen, in der Regel einen Schlag herbei, sondern Blutarmut. „Er ist am Schlage verschieden“ heißt gewöhnlich soviel als: mit dem Ausgehen des Blutes ist ihm auch das Leben ausgegangen. Das Öl hat aufgehört zu fließen und zu befruchten; deshalb ist der glimmende Docht völlig erloschen.
Welch nützliche Dienste gerade nach Schlaganfällen das Wasser leistet, lese man im dritten Teile nach. Ich bemerke hier nur noch, daß gerade mein Vorgänger im pfarrlichen Amte dreimal vom Schlage gerührt und nach dem dritten Male vom Arzt als lebensunfähig erklärt wurde. Das Wasser hat ihn nicht nur im Augenblicke gerettet, sondern noch mehrere Jahre seiner Gemeinde erhalten.
B. Bäder.
I. Fußbäder.
Die Fußbäder können kalt und warm zur Anwendung kommen.
1. Das kalte Fußbad
besteht darin, daß man 1–3 Minuten bis an oder über die Waden in kaltem Wasser steht.
Bei Krankheiten dienen kalte Bäder vornehmlich dazu, das Blut von Kopf und Brust abwärts zu leiten; sie kommen indessen meist nur in Verbindung mit anderen Anwendungen vor, zuweilen in Fällen, in denen Ganz- oder Halbbäder von den Patienten verschiedener Ursachen wegen nicht ertragen werden.
Bei Gesunden bezwecken sie Auffrischung (Entziehung der Mattigkeit) und Kräftigung und sind Landleuten insbesondere zur Sommerszeit anzuraten, wenn nach anstrengenden, sehr ermüdenden Tagen nachts der Schlaf sich nicht einstellen will. Sie ziehen die Müdigkeit aus, bringen Ruhe und guten Schlaf.