Meine Wasserkur. Sebastian Kneipp Kneipp. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sebastian Kneipp Kneipp
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783849660390
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heiße das nicht das Wasser zu Heilzwecken gebrauchen, ich heiße solche Gewalttaten — man verzeihe den Ausdruck — dem Wasser Schande antun.

      Wer immer die Wirkungen des Wassers versteht und in seiner überaus mannigfaltigen Art anzuwenden weiß, besitzt ein Heilmittel, welches von keinem anderen, wie immer Namen habenden Mittel übertroffen werden kann. Keines ist mannigfaltiger in der Wirkung, sozusagen dehnbarer als das Wasser. In der Schöpfung beginnt es mit dem unsichtbaren Luft- oder Dampfkügelchen, setzt sich fort im Tropfen und schließt ab mit dem den größten Teil der Erde erfüllenden Weltmeer. Das muß jedem Hydropathen ein Fingerzeig sein und jedem sagen, daß eine jede Anwendung, mag sie Wasser in tropfbar oder dehnbar flüssiger Form erfordern, der Steigerung von dem gelindesten bis zum höchsten Grade fähig sei, daß in jedem Einzelfalle nicht der Patient sich nach dem Wickel, dem Dampf usw., sondern jederzeit jedwelche Anwendung sich nach dem Patienten zu richten habe.

      In der Auswahl der zu treffenden Anwendungen zeigt sich der Meister. Der Heilende wird den zu Heilenden ohne jede Auffälligkeit streng prüfen. Zuerst werden die sekundären Leiden in die Augen springen, d. i. die Nebenkrankheiten, welche wie Giftpilze aus dem innern Krankheitsboden hervorschießen. Sie lassen in der Regel schnell auf den Herd der Krankheit, auf das Hauptleiden schließen. Man frägt und sieht nach, wie weit die Krankheit vorangeschritten, welches Unheil sie bereits angerichtet. Dann schaut man den Patienten an, ob er alt oder jung, schwach oder stark, mager oder korpulent, ob er blutarm, nervös usw. sei. All diese Punkte und noch andere mehr zeichnen in den Geist das richtige Krankenbild, und erst wenn dieses klar und fertig ist, greift man in die Wasserapotheke und wendet an nach dem Grundsatze: Je gelinder, je schonender — desto besser und wirksamer.

      Im allgemeinen mögen an dieser Stelle noch folgende Bemerkungen Platz finden, welche die sämtlichen Wasseranwendungen angehen.

      Keine wie immer Namen habende Anwendung kann schaden, wenn dieselbe in der vorschriftsmäßigen Weise genommen wird.

      Die meisten derselben geschehen mit kaltem Wasser, sei es Brunnen-, Quell-, Flußwasser o. a. In allen Fällen, in denen nicht extra warmes Wasser verordnet ist, gilt der Ausdruck „Wasser“ stets nur von kaltem Wasser. Dabei folge ich dem Erfahrungsgrundsatze: je kälter, desto besser. Zur Winterszeit mische ich für Gesunde in das zu Güssen bestimmte Wasser noch kältenden Schnee. Man werfe mir nicht Schroffheit vor; denn man bedenke die überaus kurze Dauer meiner Kaltwasseranwendungen. Wer es einmal gewagt hat, hat es für immer gewonnen, alle Vorurteile sind ihm benommen. Indessen bin ich nicht unerbittlich.

      Anfängern in der Wasserkur, schwächlichen, insbesondere ganz jungen und älteren, hochbetagten Personen; Kranken, welche das Kalte zurückschreckt; Leuten, welche wenig Naturwärme haben; Blutarmen und Nervösen gönne ich namentlich zur Winterszeit zum gewärmten Bad- und Gießraume (14–15° R.) mit Freuden für den Beginn laues, „abgeschrecktes“ Wasser zu einer jeden Anwendung. Die Fliegen locke ich ja auch mit Honig, nicht mit Salz oder Essig.

      Die warmen Anwendungen erhalten in jedem einzelnen Falle bezüglich der Wärmegrade, der Dauer usw. genaue, spezielle Vorschriften. Die Wärmegrade, mit R. bezeichnet, bedeuten stets Réaumur.

      Betreffs der kalten Anwendungen schulde ich (im dritten Teile ist dieser Punkt oftmals betont und des weitern erörtert) in Kürze noch einige Winke, welche das Verhalten vor, während und nach der Anwendung regeln.

      Niemand wage es, bei Kältegefühl, Frösteln usf. irgend eine kalte Anwendung vorzunehmen, wenn dieses an der betreffenden Stelle nicht extra erlaubt ist. Die Anwendung soll tunlichst schnell (jedoch ohne Angst und Hast) vorgenommen werden; auch beim Aus- und Ankleiden sollen durchaus keine Verzögerungen eintreten, z. B. durch langsames Zuknöpfen, Binden. All diese Nebenarbeiten können geschehen, wenn der ganze Körper einmal ordentlich bedeckt ist. Ein kaltes Vollbad soll, um ein Beispiel anzuführen, zum Auskleiden, Baden und Ankleiden die Zeit von 4–5 Minuten nicht übersteigen. Es bedarf dazu nur einiger Übung. So oft bei einer Anwendung steht: „1 Minute,“[1] soll damit die kürzeste Zeitdauer ausgedrückt werden; wenn es heißt 2–3 Minuten, so soll die Kälte wohl nachhaltiger, aber doch nicht länger einwirken.

      Nach keiner wie immer Namen habenden kalten Anwendung wird (außer dem Kopfe und den Händen bis zur Handwurzel — letzteres, um beim Anziehen der Kleider diese nicht naß zu machen) der Körper je abgetrocknet. Den nassen Körper bedeckt man sofort mit dem trockenen Hemde und den andern Kleidungsstücken; man tut dieses möglichst schnell, wie gesagt wurde, um tunlichst bald alle nassen Stellen luftdicht abzuschließen. Dieses Verfahren erscheint manchen, ja den meisten eigentümlich, da sie meinen, sie müßten jetzt den ganzen Tag „naß herumlaufen“. Bevor sie ein Urteil fällen, mögen sie es nur einmal probieren. Sie werden es alsbald fühlen, wozu das Nichtabtrocknen taugt und gut ist. Das Abtrocknen ist ein Reiben und erzeugt, da es unmöglich an allen Stellen auf ganz gleichmäßige Weise geschehen kann, ungleichgradige Haut- und Naturwärme, was bei Gesunden wenig, bei Kranken und Schwachen oft sehr viel zu bedeuten hat. Das Nichtabtrocknen verhilft zu der geordnetsten, gleichmäßigsten und schnellsten Naturwärme. Es geschieht gleichsam, wie wenn man Wasser ins Feuer spritzt. Die innere Körperwärme benützt das am äußeren Körper anklebende Wasser als Material zu rascher Bildung intensiverer, größerer Wärme. Wie gesagt, nur auf eine Probe kommt es an.

      Dagegen verordne ich strenge, daß der Angekleidete nach jeder Wasseranwendung sich Bewegung mache (geschehe es durch Arbeit oder Spazierengehen), welche so lange dauere, bis alle Teile des Körpers vollkommen trocken und normal warm sind. Im Beginne der Bewegung kann man etwas rascher gehen, nach Eintritt der Wärme langsamer. Man fühlt selbst am besten, wann die normale Körperwärme eingetreten ist und die Bewegung, das Gehen aufhören kann. Solche Patienten, welche schnell erhitzt sind und leicht in Schweiß kommen, sollen gleich von Anfang an langsamer und eher etwas länger gehen und ja nicht schwitzend oder erhitzt sich setzen, selbst nicht im warmen Zimmer. Ein Katarrh wäre die unausbleibliche Folge.

      Als Regel für alle kann gelten, daß die Minimalzeit, die kleinste Zeit der Bewegung nach einer Anwendung stets eine Viertelstunde betragen soll. Wie dieselbe ausgefüllt werde (durch Gehen, körperliche Arbeit usw.), bleibt sich, wie gesagt, gleich.

      Diejenigen Anwendungen, welche das Bett vorschreiben, vornehmlich die Aufschläger und die Wickelungen, enthalten diese Notiz an Ort und Stelle, ebenso das einer jeden besonderen Übung Eigenartige. Wer bei einer solchen Anwendung einschläft, den soll man im Frieden schlafen und ruhen lassen, selbst wenn die vorgeschriebene Zeit vorüber ist. Wie beim kleinsten und größten Bedürfnis, versieht auch hier die Natur selbst die besten und genauesten Weckuhrdienste.

      Sind Tücher notwendig, so verstehe ich darunter niemals feine Leinwand, sondern körniges, wo möglich gröberes Reisten. Wenn einfache arme Leute statt dessen nur abgenützten Zwillich (Zwilch), einen hänfenen Kaffeesack oder noch Ärmere einen weichen „Rupf“ o. a. zur Hand haben, so sind sie nicht im Nachteil. Zum Abwaschen des Körpers, was oft vorkommt, taugt ebenfalls am besten ein ziemlich grobes, linnenes oder hänfenes Tuchstück.

      Aus Gründen, welche ich in der Einleitung kurz andeutete, bin ich gegen die Wolle als Kleidungsstück auf bloßer Haut. Dagegen dient mir der Wollstoff vorzüglich als Umhüllung, z. B. des eiskalten Wickels. Er entwickelt rasche und reichliche Wärme und steht in dieser Beziehung unübertroffen da. Aus dem gleichen Grunde empfehle ich bei solchen Anwendungen das Federbett als Zudecke.

      Das sogenannte Frottieren, ob es nun durch Reiben oder Bürsten oder sonst einen Gewaltakt geschehe, findet bei meinen Anwendungen keine Stelle. Den einen Zweck desselben, der im Erwärmen besteht, erfüllt bei mir gleichmäßiger und egaler das Nichtabtrocknen; den andern, nämlich die Öffnung der Poren, die Steigerung der Hauttätigkeit usw., besorgt das grobe Linnen- oder Reistenhemd, wieder mit dem Vorteile, daß dieses nicht wie die Bürste minutenlang, sondern bei Tag und bei Nacht, ohne Opfer von Zeit und Kraft arbeitet. Wenn an manchen Stellen von kräftiger Abwaschung die Rede ist, so verstehe ich darunter lediglich ein schnelles Abwaschen der ganzen zu behandelnden Stelle. Das Naßwerden, nicht das Geriebenwerden ist die Hauptsache.

      Ein Punkt möge hier noch erwähnt werden. Die Anwendungen am Abende, in der Zeit vor dem Schlafengehen, behagen den meisten Menschen nicht,