Das Auto kaufen wir, und es ist teuer, also soll es bitte lange halten, 200 000 Kilometer mal wenigstens. Damit es das tut, pflegen wir es. Das alles ist Vorsorge, und die ist für uns selbstverständlich. Und wenn dann trotzdem mal was kaputt geht, dann wird die Werkstatt das natürlich auch reparieren. Aber besser, es geht erst gar nichts kaputt, denn die Vorsorge ist deutlich billiger als die Reparatur.
Das Beispiel Auto deutet auf zwei Dinge hin: Höchstbelastungen sind eher funktionszeitverkürzend – Sie dürfen diese Metapher gerne auf Hochleistungssportler übertragen, die schon mit Anfang 30 massive körperliche Wehwehchen haben. Und dauerhafte Mangelzustände wie zu geringer Druck im Reifen, zu wenig Wasser im Kühler und zu wenig Öl im Motor sind auch nicht hilfreich, wenn der Gegenstand des Interesses möglichst lange überdauern soll. Und auch das dürfen Sie als Metapher für unseren Körper beziehungsweise seine Versorgung mit den nötigen Hilfs- und Betriebsstoffen verstehen.
Wie gehen wir mit unserem teuersten Gut, dem eigenen Körper, um? Manche Menschen machen ab 50 gewisse Gesundheitsprüfungen, Blutbild, EKG, Darmspiegelung. Aber normalerweise gehen wir doch erst zum Arzt, wenn wir krank sind, und kümmern uns sonst nicht darum, ob unser Körper genug Reifendruck, Kühlwasser, Motoröl oder Bremsflüssigkeit hat. Wir scheinen zu glauben, dass wir das a) sowieso immer haben. Wir essen und trinken ja normal, da ist doch alles drin, was wir brauchen, oder? Und b) schon merken würden, wenn uns was fehlt. Das ist aber leider der größte Trugschluss. Wenn Sie kein Rennfahrer mit nervösem Popometer sind, merken Sie einen zu niedrigen Reifendruck so gut wie gar nicht – bis es zu spät ist. Bis Sie schlimmstenfalls entweder aus der Kurve geflogen sind oder bestenfalls die Reifen total abgefahren sind. Und dann heißt es Reparatur respektive Ersatz. Körperorgane, die durch stetigen Mangel geschädigt werden, können Sie aber nicht einfach mal so durch neue ersetzen. Eine Schilddrüse, die durch ständigen Jodmangel wuchert oder irgendwann den Betrieb einstellt, muss raus. Aber es gibt leider kein Ersatzteillager dafür. Und dann müssen Sie für den Rest Ihres Lebens Schilddrüsenhormone schlucken. Aber vorher haben Sie von dem Jodmangel nichts bemerkt. Der Körper ist nämlich eine verdammt schlaue Maschine, in der fast alles ein bisschen redundant ausgelegt ist. Das heißt, die meisten Mangelzustände können für eine ganze Weile vom Körper ausgeglichen und mit Gegenstrategien kompensiert werden. Aber genau wie Ihr Auto, das ohne Service und ohne ständige Kontrolle von Luftdruck, Ölstand und Kühlwasser locker 30 000 bis 40 000 Kilometer zurücklegen kann, machen sich Mangelzustände im Körper in den ersten 30 bis 40 Jahren bei den meisten Menschen eher selten bemerkbar. Dass diese Zipperleinsfreiheit ungefähr so lange anhält wie die Reproduktionsfähigkeit, finde ich lustig und aus Sicht der Natur (bloß kein vermeidbarer Aufwand!) durchaus plausibel. Die genetisch besonders gut ausgestatteten Exemplare dürfen ja auch gerne, wie schon in der Bibel stand, 70 oder 80 Jahre alt werden. Die anderen? Na ja.
Noch mal in Kürze: Beim Auto betreiben wir sehr diszipliniert Vorsorge, weil sich die Wenigsten teure Reparaturen leisten können oder wollen. Gegenüber unserem Körper verhalten wir uns anders. Die ersten 40 Jahre tun wir so, als wären wir fabrikneu, und wenn dann die Zipperlein auftreten, unser Motor ächzt und stöhnt und die Reifen auf der letzten Rille laufen, dann glauben wir, das müsse so sein, wir sind ja schließlich schon über 50. Und der Onkel Doktor soll’s dann richten. Das tut er auch, so gut er kann. Aber würde er auch einem 20-Jährigen erzählen, dass er mal Ölstand, Kühlwasser und Luftdruck kontrollieren und in Ordnung halten soll?
Merke also: Wenn du krank wirst, hilft dir – die Ärztin. Wenn du gesund bleiben willst, musst du dich selbst darum kümmern! Und zwar frühzeitig! Also schauen wir doch mal, was wir so alles checken könnten.
1 t1p.de/og1p
1 t1p.de/hfhm
Deutschland einig Mangelland
Ach, es mangelt uns an so vielem. An gutem Wetter, Fröhlichkeit der Menschen, Toleranz Andersdenkenden gegenüber, an Gerechtigkeit, sowohl sozial als auch juristisch – und an Gesundheit. Erstaunlich für ein Land mit einem der besten Gesundheitssysteme weltweit.
Sie wollen ja nicht in England krank werden, mit seinem maroden NHS-System, wo ein Bett auf dem Flur schon zum Normalfall geworden ist. Schon gar nicht in den USA, denn dort ist man dann auch gleich noch finanziell ruiniert, wie das Katja Kessler sehr humorvoll in Silicon Wahnsinn beschreibt. Ihr Sohn hatte sich auf der Rutsche in der Schule das Handgelenk gebrochen. Die Situation im Krankenhaus schildert Kessler so: „Zwei Stunden später hatten wir uns immerhin schon zu einem gelben Warndreieck vorgearbeitet: X-ray, Röntgen. Dafür hatte ich auch nur zehn Formulare ausfüllen und dreimal die Kreditkarte rausholen müssen. Aktuell waren wir, ohne dass groß was passiert wäre, bei einem vierstelligen Dollarbetrag. […] 60 Minuten und nochmal viele Dollars später wurden wir in einem winzigen Untersuchungszimmer mit Fernseher geparkt. […] Kurz nach halb zwölf steckte Caspars Arm […] in Gips.“ (EAN 9783547712018, S. 121 ff.)
Die Spitzenmedizin in den USA mag besser sein als unsere, ist aber leider nur von den oberen Zehntausend bezahlbar, und die breitenmedizinische Versorgung ist zum Ausgleich dafür eher schlechter als bei uns (weniger Ärzte pro Einwohner) und kostet trotzdem doppelt so viel (deutlich teurere Medikamente, hohe Arztgehälter, hohe Verwaltungsausgaben: (t1p.de/3b75)1. Aber: Bei uns sind trotz der guten medizinischen Versorgung die Krankheitszahlen und auch die Lebenserwartung leider nicht entsprechend gut. In Frankreich, Italien und Griechenland liegt Letztere nämlich ein bis zwei Jahre höher. Im Vergleich zu den Mittelmeerländern sind bei uns Herz- und Kreislauferkrankungen deutlich verbreiteter. Schuld daran soll vor allem die ungesündere Ernährung sein. Sie wissen schon, besser wäre Mittelmeerdiät und so. Da ist ja vielleicht etwas dran. Andererseits waren die deutschen Männer 2011 zu 16,6 Prozent adipös, also schwer übergewichtig mit einem BMI über 30. In Italien waren es nur 9,9 Prozent. Aber vielleicht ist die mediterrane Diät ja auch für beides verantwortlich? Brauchen wir also nur etwas Olivenöl statt Butter und Rotwein statt Bier? Sind wir mit allem Notwendigen versorgt? Bleiben wir gesund, wenn wir uns einfach nur ausgewogen ernähren (was auch immer das ist)? Die Wahrheit ist: Nein, das kann gar nicht klappen. Schon der tägliche Apfel, der doch den Doktor fernhalten soll („An apple a day keeps the doctor away“), tut das heute nicht mehr. Ja, zu Zeiten unserer Ururgroßeltern, da enthielt der Apfel noch viele Ballaststoffe und Vitamine und wenig Zucker, nämlich nur drei Prozent. Heute hat er mit 15 Prozent gut fünfmal mehr Fruchtzucker (das ist der, der die Fettflecken auf der Leber verursacht, siehe Zuckerbuch), und von Vitamin C ist nichts mehr zu finden: „Bis zu 12 Monate frösteln Äpfel nach der Ernte im Lagerhaus, um noch etwas nachzureifen und Zucker zu bilden. Auf Kosten der Vitamine? Oh nein, sagt der Südtiroler Bio-Genossenschaftsbauer.