Meine Nachforschungen über Selen, vor allem aber das Erfolgserlebnis, dass mir binnen weniger Monate kein Nagel mehr anriss oder brach, löste ein allgemeines Interesse an allem, was der Körper so an Hilfsund Betriebsstoffen brauchen könnte, bei mir aus. Wenn schon an so etwas Einfachem wie Selen ein allgemeiner Mangelzustand herrscht, dessen Auswirkungen ganz konkret zu spüren sind, was ist dann mit den tausend anderen Vitaminen, Mikronährstoffen und Spurenelementen? Vor allem, wenn man älter ist, muss man sich über die Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen Gedanken machen, schon gar, wenn man insgesamt weniger isst. Bislang wird uns immer wieder gesagt, dass es uns bei ausgewogener Ernährung an nichts wirklich fehle und dass die Einnahme von Vitamintabletten überflüssig sei oder sogar schädlich sein könne. Wie einige Studien zu belegen scheinen, führt etwa das einstmals als Radikalenfänger hochgelobte Vitamin E (Tocopherol) bei erhöhter Zufuhr auch zu erhöhten Lungenkrebsraten bei Raucher*innen, während ein Mangel bei uns eher selten und nur in Verbindung mit bestimmten Krankheiten diagnostiziert wird. Auch Vitamin A wird in Überdosierung Schlechtes nachgesagt. Und dass Vitamin C keine Erkältung verhindert, hat sich ja nun auch herumgesprochen. Aber was ist eine ausgewogene Ernährung denn genau? Und ist dann wirklich alles drin, was ich brauche? Mal schauen: Da wäre zum Beispiel Vitamin B12. Schwangeren wird das empfohlen, genau wie B9 (Folsäure). Bitte? Wenn wir doch bei ausgewogener Ernährung angeblich alles bekommen, was wir benötigen? Und wie sagen die Frauen zu Recht: Ich bin schwanger und nicht behindert! Könnte es sein, dass wir vielleicht alle einen gewissen B12-Mangel haben, der sich allerdings nur bei Schwangeren beziehungsweise beim ungeborenen Kind besonders eklatant auswirkt? Und den allgemeinen Mangel nehmen wir vielleicht genauso wenig wahr, wie uns die rissigen Fingernägel zum Nachdenken bringen? Lästig, aber geht ja, oder? Genauso ist es offenbar. Die Vermutung, dass in der Bevölkerung ein allgemeiner B12-Mangel herrscht, liegt nahe. Und da B12 vor allem in tierischer Nahrung steckt, gilt das insbesondere für Veganer*innen. Die allerdings wissen das vermutlich alle und kontrollieren ihren B12-Spiegel regelmäßig. Aber auch wir Normalos sollten genau hingucken: „Vitamin-B12-Mangel ist weit verbreitet. Zu den Risikogruppen gehören ältere Personen, Vegetarier, Schwangere sowie Patienten mit Nierenoder intestinalen Erkrankungen. Die neurologischen Symptome des Vitamin-B12-Mangels sind unspezifisch und können irreversibel sein“, schreibt das Deutsche Ärzteblatt (t1p.de/l1pg)1. In einer der verlinkten Studien werden auch Zahlen angegeben: Fünf Prozent aller 65- bis 74-Jährigen hatten demnach einen B-12-Mangel und sogar zehn Prozent aller 75-Jährigen und Älteren.
B12 wird vom Körper nicht hergestellt, sondern nur von Mikroorganismen (Bakterien). Es kommt vor allem mit tierischer Nahrung in unseren Körper – oder eben mit Tabletten.
In Wahrheit ist es komplizierter, auch unser Darm stellt B12 her, nur leider zu spät:
„Wenn Pflanzen kein B12 haben, wie überlebt ein Menschenaffe dann vegan? […] Ganz einfach: Schimpansen fressen auch Fleisch (sie jagen aktiv kleine Tiere), und die reinen Pflanzenfresser, also die Gorillas, substituieren B12. Glaubst du nicht? Beobachte mal Gorillas: Sie halten ihre Hand unter ihr Hinterteil, fangen ihren eigenen Kot auf und fressen den. Das nennt man Koprophagie. Im Dickdarm von Säugetieren leben nämlich Bakterien, die B12 herstellen. Nur nützt das uns nichts, denn unser Dickdarm kann keine Nährstoffe absorbieren. Also wird das B12 zunächst ungenutzt ausgeschieden. Man muss es essen, damit es wirkt. Weidetiere koten auf ihre Weiden und nehmen so nebenbei B12 auf, und Gorillas fressen eben ihren eigenen Kot.“ (t1p.de/tnxn)1
Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass B12 bei der Gärung von zum Beispiel Sauerkraut oder Brottrunk auch entstehen und so in den Körper gelangen kann: „Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs können nach bakterieller Gärung Spuren von Vitamin B12 enthalten. Dazu zählen beispielsweise Sauerkraut und Bier. Darüber hinaus liefern Meeresalgen wie Nori und Shiitake-Pilzen schwankende Mengen an Vitamin B12. Nahrungsmittel dieser Art sind die einzigen natürlichen Vitamin-B12-Quellen für Veganer. Zudem ist nicht gesichert, ob und wie gut der Körper das Vitamin in diesen Produkten verwerten kann.“ (t1p.de/kxcu)2 Das dürfte analog für den Brottrunk gelten, wobei die Auflistung der Inhaltsstoffe für dieses in Russland auch als Kwass bekannte, uralte Getränk schon beeindruckend ist: Selen und Zink, Kupfer, Eisen, Mangan, Magnesium, Kalzium, Vitamin E, Vitamin B6 und Vitamin B12 (t1p.de/xfh1)1. Das ist zweifelsfrei gesünder als Cola. Mittlerweile kann man Brottrunk auch fast überall kaufen – nur geschmacklich ist das wohl nicht jederfrau Sache. Auch in bei Veganer*innen beliebten Spirulina-Algen soll B12 enthalten sein, die Verbraucherzentrale warnt aber davor (t1p.de/3qb3)2. Es soll sich nur um ein chemisches Analogon, also etwas chemisch Gleiches mit anderer Struktur, handeln, das nicht verstoffwechselt werde. Schlimmer noch, es besetze die Andockstellen für echtes B12 und könne so selbst bei ausreichender B12-Versorgung einen B12-Mangel verursachen: „Sogar die Vegan Society rät darum mittlerweile generell davon ab, sich auf pflanzliche B12-Quellen zu verlassen, und empfiehlt stattdessen Vitamin-B12-Präparate, die das Vitamin B12 in naturidentischer Form enthalten.“ (t1p.de/av3g)3
Ein B12-Mangel kann enorme Auswirkungen haben, zum Beispiel Blutarmut (Anämie), aber auch allgemeine Antriebsarmut und viele andere physische und psychische Symptome. Selbst das gehäufte Auftreten von Demenz wird direkt damit in Verbindung gebracht. Bei der Diagnose ist eher hinderlich, dass wir nur sehr, sehr wenig davon benötigen, andererseits aber in der Leber einen Vorrat speichern können, der über mehrere Jahre vorhält. Man merkt also erst mal gar nichts. Der alternde Mensch, bei dem die Aufnahme von B12 eingeschränkt ist und dessen Speicher langsam, aber sicher leerläuft, wohl erst recht nicht. Außerdem kann man in Frage stellen, ob die unteren Grenzwerte, die von den Laboren beim Bluttest angenommen werden, wirklich gesund sind, denn einerseits können wir mit einem gewissen Mangel durchaus leben (nur eben nicht so gut), und andererseits sind die üblichen Tests auf B12 nicht unbedingt voll aussagekräftig – selbst bei einem guten B12-Spiegel kann nämlich auch eine B12-Verwertungsstörung vorliegen, und die ist nicht so selten. Es gibt einen Test dafür – die 60 Euro dafür muss man leider selber zahlen –, der exakt feststellt, wie es hinsichtlich des Vitamins B12 um Sie bestellt ist: der Test