Früher einmal habe ich unregelmäßig, aber intensiv Squash gespielt. Ohne Training und ohne Probleme. Später bin ich jedes Jahr im Winter eine Woche oder zehn Tage Ski gefahren. Immer den ganzen Tag lang, vom Frühstück bis zum Stillstand der Lifte – ohne gymnastische Vorbereitung und ohne Folgen. Das Skifahren habe ich vor gut zehn Jahren eingestellt, weil mir schon am zweiten Tag die Beine zitterten.
Und dann bin ich in einen Jungbrunnen gefallen, aus dem ich gefühlt mindestens 20 Jahre jünger wieder aufgetaucht bin. Über Nacht. Natürlich nicht äußerlich. Das Gesicht, das mir im Spiegel entgegensieht, ist immer noch der sichtbar 65-Jährige. Aber rein körperlich fühle ich mich wie allenfalls 45, leistungsfähig, wendig und vor allem: so gesund wie in den letzten 20 Jahren nicht mehr. Vor ein paar Wochen – viele, viele Monate nachdem ich die ersten Kapitel dieses Textes erstellt hatte – habe ich wieder angefangen, Tischtennis zu spielen. Wer das mit Ping-Pong verwechselt und es nicht für einen Leistungssport hält, macht übrigens einen schweren Fehler: Zweieinhalb schnell gespielte Stunden und ein durchgeschwitztes T-Shirt später weiß man das. Und die schaffe ich heute problemlos. Anders als meine teilweise viel jüngeren Kollegen auch ohne Pause. Und nichts ziept oder zittert dabei, und nichts zwickt am nächsten Tag. Diesen Winter habe ich mir fest vorgenommen, auch die Skier wieder auszupacken, mittlerweile ist der Urlaub fest gebucht. Weil ich es mir jetzt wieder genauso zutraue wie noch mit 40 oder 45: ohne darüber nachzudenken und ohne sechs Wochen vorher Skifitness zu trainieren.
Vorbeugen ist besser als Heilen
Im Internet kursiert ein netter Sinnspruch von Ashley Montagu: „The idea is to die young – as late as possible.“ Ich würde ihn etwas frei so übersetzen: „Die Kunst ist, jung zu sterben – aber reich an Jahren“, und meinerseits ergänzen: „Wenn du krank bist – geh zur Ärztin. Wenn du gesund bleiben willst, musst du dich selbst darum kümmern.“
„Warum so viele Menschen den größten Unsinn glauben“, titelt der SPIEGEL in einem Artikel über Verschwörungstheorien und führt unter anderem als Beispiel für solch abstruse Ideen an: „‚Big Pharma‘ zerrüttet aus Profitgier die Volksgesundheit, gedeckt von höchsten Kreisen!“ Später heißt es dazu: „In der Realität wäre keine Verschwörergruppe imstande, die arglose Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg nach sinistren Plänen zu steuern. Vollends unmöglich wäre es, solche Umtriebe auch noch die ganze Zeit geheim zu halten.“ (t1p.de/og1p)1. Völlig richtig, aber: Das hat „Big Pharma“ gar nicht nötig. „Big Pharma“ ist auch nicht per se böse, jedenfalls normalerweise nicht – die meisten „bösgläubigen“ Aktionen (so nennt der Jurist das) kommen ja über kurz oder lang auch raus, man denke an Contergan oder – sehr aktuell – an Oxycontin und andere Medikamentenskandale. Die sind zum Glück die seltene und große Ausnahme. Aber Pharmafirmen wollen und müssen Geld verdienen. Und das ist auch völlig legitim. Ärzte auch. Die häufig kolportierte Geschichte von den chinesischen Barfußärzten, die nur bezahlt wurden, solange die Menschen gesund blieben, aber nicht, wenn sie krank wurden oder waren, zeigt, wie man ein „Belohnungs-system“ richtig ansetzt. Dem Arzt wurde Gesundheit vergütet, sodass er ein hohes Interesse daran hatte, die Menschen gesund zu erhalten. Von unseren Ärzten müssen wir das als moralische Verpflichtung erwarten, aber „belohnt“ werden sie dafür nicht. Besser gesagt: Richtig entlohnt werden sie leider nur, wenn wir krank sind. Dazu hat der Dichter Eugen Roth, scharfzüngig wie sonst auch immer, Folgendes gereimt:
Gleichgewicht
Was bringt den Doktor um sein Brot?
a) die Gesundheit, b) der Tod.
Drum hält der Arzt, auf daß er lebe,
uns zwischen beiden in der Schwebe.
Das ist natürlich sehr bösartig, beschreibt aber doch das Dilemma der Ärzte in Bezug auf Vorbeugung deutlich. Solange an Krankheit verdient wird, solange Krankheit ein „Umsatzbringer“ ist, müssen wir uns nicht wundern, dass auch manchmal der Profit dem allgemeinen Wohlergehen im Wege steht. Oder gar der Profit für einige Wenige das Wohlergehen Vieler schädigen kann und „die Medizin“ oder „Big Pharma“ hierbei Vorschub leisten.
Wer erinnert sich noch an die famosen Margarine-gegen-Butter-Kampagnen aus den Siebzigerjahren? Bestens unterstützt von einigen geltungssüchtigen Kardiologen, die in der bösen Butter die Ursache für Herzinfarkt und Arterienverkalkung gefunden haben wollten? Dass sie für ihre „Studien“ – inzwischen samt und sonders widerlegt – fürstlich bezahlt wurden, wen wundert das denn wirklich? Und wie war das mit den Eiern und dem zu hohen Cholesterinspiegel? Alles Mumpitz, wie wir inzwischen wissen, mit dem man aber famos die teuren Cholesterinsenker verkaufen kann. Nein, wie in jedem Bereich unseres Lebens menschelt es eben auch im Gesundheitsbereich, und Boris-Johnson-Lügenbarone gibt es eben überall – leider. Man muss auch kein blanker Egoist sein, um zu verstehen, dass uns allen das Hemd näher ist als der Rock (altertümlich für Jacke/Jacket, sonst stimmt’s ja noch nicht mal für Frauen oder Schotten). Dass niemand gerne an dem Ast, auf dem er sitzt, sägt. Dass das lobenswerte Credo der ganzen Medizinbranche zwar ist, Menschen bestmöglich zu heilen, aber nicht unbedingt, sie gar nicht erst erkranken zu lassen. Es ist also leicht nachzuvollziehen, dass „billige Gesundheit“ nichts ist, was der medizinisch-wissenschaftliche Komplex unbedingt und zuallererst befördern möchte. Mehr als wiederkehrende Aufrufe zu gesunder Ernährung und mehr Bewegung können wir nicht erwarten.
Ein Belohnungsprinzip für gesunde Patient*innen, wie bei den Barfußärzten, wäre ideal. Wir hingegen zahlen stattdessen regelmäßig in die Krankenversicherung ein, um im Zweifel halt auch mal krank sein zu dürfen, ohne gleich wirtschaftliche Not zu leiden. Trotzdem: Krank sein macht nicht wirklich Freude, und die meisten Menschen wären wohl, wenn sie wählen könnten, lieber gesund. Und sie hätten gerne lange gelebt, bevor sie „jung“ sterben – jung im Sinne von: körperlich und geistig gesund geblieben. Wer das wirklich will, muss sich aber ein bisschen kümmern. Ich tue das, und ich fühle mich mit 65 besser, als ich mich mit 45 gefühlt habe, körperlich meine ich. Im Kopf ist man doch sowieso ewige 35, oder? Wer in späteren Jahren aber auf der Treppe ächzt, mal wieder schlecht geschlafen und dafür morgens auch noch „Rücken“ hat, dem wird auf drastische Weise klar, dass Altern wohl doch ein Massaker ist, wie Philip Roth es in seinem Buch Jedermann formuliert hat: „Das Alter ist kein Kampf; das Alter ist ein Massaker.“ Und: „Was man alles bekommen kann, selbst wenn man sich fünfzig Jahre gesund gehalten hat. Was alles nachlässt. Wie sich das anfühlt, das ganze Elend, das sich Alter nennt“, zitiert – stark verkürzt – die WELT in einer Rezension des Bestsellers. (t1p.de/hfhm)1
Das muss aber nicht so sein, das ist meine feste Überzeugung. Um das besser erklären zu können, muss ich kurz über Autos reden. 99 Prozent haben noch einen Verbrennungsmotor, und der braucht Sprit. In einen Benzintank darf man keinen Diesel füllen. Der Kühler braucht Wasser, das ist klar, und die entsprechende Anzeige darf man nicht ignorieren, sonst geht der Motor kaputt. Das Gleiche gilt für den Ölstand, da sollte man das Aufleuchten der Warnlampe gar nicht erst abwarten. Und dann noch der Reifendruck. Das wären mal die wichtigsten Dinge. Und wir kümmern uns darum, weil wir das teure Auto ja nicht vorzeitig ruinieren wollen. Wir fahren in die Werkstatt zum Check, und auch die kümmert sich vorsorglich um alles, was vielleicht