Der Geist der Spiegelkatze. Laura Kier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Laura Kier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959593120
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hörte er die wütenden Rufe einer Frau, doch die interessierte ihn nicht mehr. Er verschwand bereits durch die Hecke zum Nachbarsgarten.

      Keuchend und zitternd blieb Taps unter den Büschen sitzen. Das war knapp. Alles für zwei lausige Kekse, die bereits in seinem Maul bröckelten und sich mit Speichel vollsogen. Dennoch legte er seine Beute vor sich auf die Erde, betrachtete sie eingehend.

      „Was sollte das?“ Faruun kam aufgebracht zu ihm unter den Busch gekrabbelt. „Willst du endgültig bei einem der Tierfänger landen? Was glaubst du, was sie hier mit Streunern wie dir machen?“

      „Nenn mich nicht so.“ Einen der Kekse schob Taps zu Faruun. „Das war es wert. Riech mal und probier’ das.“

      „Wie bitte? Dafür? Da hättest du uns besser eine Ratte fangen können! Meinst du nicht?“

      „Nein.“ Mehr sagte Taps nicht. Stattdessen betrachtete er die helle Oberfläche. Der Farbton war gelblich mit einem dunkleren Hauch. Beinahe wie die Sonne. Er hatte so etwas schon einmal gesehen. Auch davon gekostet. Daran erinnerte er sich genau. Alles andere ging jedoch in der Dunkelheit unter.

      Auch als er den Keks wieder zwischen seine Zähne nahm, zeigten sich leider keine weiteren Bilder. Dennoch genoss er den Geschmack. So ganz anders als der von Ratten oder Mäusen. Süßer und zarter. Angenehm. Das wollte er wiederhaben. Vielleicht mit Hilfe von Susalu. Sie war schließlich eine Hauskatze und konnte ganz sicher dafür sorgen … Das war die Idee, die ihm gefehlt hatte! Verstohlen sah er zu Faruun. „Schmeckt‘s?“

      „Ist okay.“

      „Willst du mehr davon?“

      Der Halsbandsittich hörte auf zu picken. „Was planst du?“ In seinen Augen leuchtete eine Mischung aus Zweifel und Ärger auf.

      „Klar, ich habe dir versprochen, dass wir bald nach Afrika reisen. Aber wäre es nicht besser, wenn wir uns satt und vollgefressen auf eines der Schiffe begeben? Ich meine, die Reise kann lang werden. Hast du nicht gehört, wie die Schiffsratten von mehreren Wochen sprachen? Da müssen wir vorsichtig sein und …“

      Faruun legte Taps eine seiner Krallen auf die Nase. „Komm zum Punkt.“

      „Wir wollen nicht, dass Susalu uns vorliest. Da vertraue ich ihr nicht. Aber wir können trotzdem mit ihr handeln. Susalu kommt an Vorräte. An Kekse, an Futter, das wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht einmal vorstellen können. Sie will Baldrian, soll sie bekommen. Aber dafür bekommen wir, was uns zusteht.“

      „Das wären Kekse?“ Faruun krächzte. „Die Dinger sind zwar nicht schlecht, aber dafür willst du dich verkaufen?“

      „Ist doch nur ein Baldrianfläschchen. Wie schlimm kann das schon sein? Wir haben schon ganz anderes von den Menschen gestohlen.“

      „Weißt du denn überhaupt, was das ist?“

      Taps legte eine Pfote über die Augen. Dann widmete er sich wieder seinem Keks. Als er diesen verputzt hatte, sagte er selbstsicher: „Das wird sie uns schon erzählen. Ich glaube nicht, dass es so gefährlich wird, wie sie angedeutet hat. Vermutlich wollte sie mich nur loswerden. Aber so einfach wird man mich nicht los.“

      „Also gut. Wir besorgen uns Futter von ihr. Und wer liest uns die Schilder vor? Wir brauchen ein Schiff, das uns nach Afrika bringt. Dort wird es dir gefallen! Außerdem kannst du dann den ganzen anderen Katzen in Guinea erzählen, dass du aus Paris kommst. Wird sie sicher beeindrucken!“

      „Glaubst du?“

      „Natürlich.“ Der Halsbandsittich breitete seine Flügel aus. „Das Fremde ist doch gerade eindrucksvoll. Aber wir sollten zusehen, dass wir dorthin kommen. Also, wie lesen wir Schilder?“

      „Indem wir herausfinden, wie viel so ein Fläschchen wert ist. Hier gibt es sicher noch andere Katzen, mit denen wir handeln könnten.“

      „Lass uns loslegen.“

      Taps hob den Kopf und schob die Brust vor. „Ist es noch weit?“

      „Nein. Gleich um die Ecke. Hätte dich dein komischer Keks nicht abgelenkt, wären wir längst bei ihr.“

      „Ohne den Keks wüsste ich aber nicht, welchen Handel ich mit ihr schließen will.“

      „Auch wieder wahr.“ Damit schob Faruun sich an Ästen und Blättern vorbei nach draußen. Vor der Hecke wartete er auf Taps. „Um die Hausecke ist ein Hund. Um ihn solltest du einen großen Bogen machen.“

      „Stimmt. Wenn er bellt, könnte Susalu auf uns aufmerksam werden und uns für unfähig halten, ihren Auftrag auszuführen. Weil wir eben nicht unauffällig genug sind.“

      „Pah!“ Faruun warf den Kopf in den Nacken. „Willst du sie ängstigen oder mit deiner Intelligenz beeindrucken?“

      „Komm, flieg los.“

      Taps ließ sich von Faruun in ausreichend Abstand zum Hund durch den Garten dirigieren. Riskieren würde er nichts. Außerdem blieb ihm so hoffentlich noch ausreichend Zeit, sein Fell herzurichten und entsprechend elegant vor Susalu zu treten.

      Als er und Faruun den Garten der Hauskatze erreichten, lag Susalu auf einem Liegestuhl in der Sonne. Auf einem Tischchen neben ihr eine Schale mit Wasser. Aus Glas und mit edlem Schliff. Sie hatte tatsächlich nicht übertrieben, was ihre Herkunft anging. Immerhin war sie allein. Nirgendwo ein Mensch zu sehen, auch wenn eine zweite Liege und ein weiterer Tisch darauf hindeuteten, dass ihre Madame vermutlich plante, bald zu ihr zu stoßen.

      Taps wusste, dass er vorsichtig sein musste. Faruuns Ermahnung überhörte er deshalb. Möglichst leise schlich er durch das Rosenbeet, so nah an die Katze heran, wie er es wagte. Leise miaute er. Doch sie rührte sich nicht. Nicht einmal ihre Ohren zuckten. „Hey, Salu!“, zischte er darauf ein wenig lauter.

      Wieder nichts.

      Darauf nahm Taps all seinen Mut zusammen und sprang unter ihren Liegestuhl. So konnte er sie zwar nicht sehen, aber wenigstens musste sie ihn nun hören. „Lu!“ Von unten stieß er mit dem Kopf gegen den Stuhl.

      Da endlich streckte sie ihre Pfote hinab, gefolgt von ihrem edlen Gesicht. Sie rollte mit den Augen. „Was willst du?“

      „Handeln. Du hast mich aus gutem Grund ausgewählt.“

      „Der einzige Grund war, dass alle anderen Katzen von Rang abgelehnt haben. Aber sie hatten recht, du bist tatsächlich zu dumm für so eine Aufgabe.“

      „Dumm? Wie bitte?“

      „So ist es. Ich wollte dich nur loswerden. Leider ist dein Vögelchen cleverer als es aussieht.“

      „Hey!“, ertönte darauf die Stimme von Faruun aus dem Rosenbeet. „Wenn du deinen Baldrian möchtest, wirst du niemanden in Paris finden, der besser dazu in der Lage wäre als wir.“

      „Gut. Wenn ihr darauf besteht, dann zieht los und besorgt es mir.“

      Dieses Mal behielt Taps sein Ziel deutlich vor Augen und ließ sich von ihr nicht beirren. „Wir besorgen dir deinen Baldrian. Dafür besorgst du uns Futter.“

      „Wie bitte?“ Sie sprang neben den Liegestuhl und fauchte ungehalten. „Für Futter soll ich ein mickriges Fläschchen Baldrian bekommen? Ihr habt sie doch nicht mehr alle.“

      „Handel ist Handel. Du hast von Gefahren gesprochen, die mich erwarten. Also sind mindestens eine Kiste Kekse, fünf Ratten und zehn Würste fällig. Außerdem ein Sack Nüsse für meinen Freund.“

      „Tja, dann wird das wohl nichts.“ Sie drehte sich um und stolzierte mit hoch erhobenem Schwanz in Richtung eines Springbrunnens davon. Dort hockte sie sich auf den Rand und tappte mit ihrer Pfote ins Wasser. Vielleicht waren Fische drin, nach denen sie suchte, oder sie wollte ihn lediglich ablenken.

      Das würde Taps aber nicht zulassen. Hatte er zu viel verlangt? Aber das glaubte er nicht. Vermutlich manipulierte sie ihn wieder. Sie wollte das Baldrianfläschchen. Mehr als