Wacken Roll. Andreas Schöwe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Schöwe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854453772
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und richtig! Und lieber einmal mehr nachdenken, bevor man etwas in Angriff nimmt! Rückblickend betrachtet würde ich die Zeit bis Ende 1993 beziehungsweise Anfang 1994 als unsere „Findungsphase“ bezeichnen. Leider sind wir dann erst einmal letztlich nur noch zu zweit gewesen, weil unsere anderen Mitstreiter ausgestiegen sind – da mussten wir dann noch mehr „finden“ … Und klar: Wer viel arbeitet, hat auch viele Gelegenheiten, Fehler zu machen. Wir haben aber immer versucht, aus unseren Fehlern zu lernen und diese nicht ein zweites Mal zu begehen. Dass wir in der Folge durch falsche Partner noch einmal von vorne anfangen mussten – okay, so was passiert auch abgebrühten Profis.

      Wobei sich 1996 ausgerechnet die – damals immer noch umstrittenen, kontrovers diskutierten, polarisierenden – Böhsen Onkelz als der Wendepunkt zum Guten für euch erwiesen …

      Holger: Auf ganzer Linie! Wobei wir uns vorher gründlich über ihre Vergangenheit, aber auch über ihre gegenwärtige Haltung informiert hatten und zu dem Schluss gekommen sind, dass eine Zusammenarbeit mit dieser Band für uns unproblematisch sei, zumal sie sich unter anderem mit ihrer Teilnahme an Festivals wie „Rock gegen Rechts“ – für uns hundertprozentig glaubhaft – von ihren Jugendsünden eindeutig distanziert hatte. Dementsprechend bemühten wir uns schon 1995, sie für das W:O:A zu buchen, was leider nicht klappte, da sie gerade ihre eigenes Festival absolvierten.

      Und der damalige Tourmanager der Böhsen Onkelz, Thomas Hess, blieb praktisch gleich bei euch in Wacken „kleben“.

      Holger: Ja, ab 1997 unterstützte er uns dabei, die Strukturen aufzubauen – insbesondere hinsichtlich der Security. Bis dato arbeiteten wir meistens mit Bikern zusammen, was sich spätestens mit dem immensen Wachsen des Festivals als nicht mehr optimal erwiesen hat.

      Außerdem erfolgte 1997 der Umzug auf die gegenüberliegende Straßenseite: Auf der Koppel von Uwe Trede stehen seitdem und bis in die heutigen Tage die Hauptbühnen – Schritt für Schritt wurden darüber hinaus immer mehr umliegende Ackerflächen als Campingplätze dazugepachtet.

      Holger: Genau! Nach der Veranstaltung mit den Onkelz 1996 hatten wir mit der Gemeinde etwas Stress: die Staus und die Müllberge fanden die nicht so lustig – daraus entstand ein riesiges Politikum. Dann kam da noch jemand mit Schweisser-Texten an und behauptete, das wäre eine diabolische Band … Wir haben uns aus dieser Geschichte mit dem Argument herausgehalten, dass wir ja eigentlich nur ein Musikfestival organisieren und uns nicht vor irgendwelche parteipolitische Karren spannen lassen wollen. Letztlich entschied man sich mehrheitlich dafür, uns die Kuhle nicht mehr zur Verfügung zu stellen – mit der bis heute bekannten Konsequenz.

      Thomas: Was sich rückblickend als Glücksfall erwiesen hat, denn ohne den Umzug hätten wir nie und nimmer expandieren können. So waren wir gezwungen, uns Ausweichterritorien zu suchen. Flächen, die die Basis bilden für das W:O:A in der heutigen Form.

      Holger: Zwei Jahre später glätteten sich die Wogen wieder einigermaßen, und die Gemeinde hat seitdem nichts dagegen, dass wir auch die Kuhle wieder benutzen. Inzwischen installieren wir dort das Künstlerdorf und die Zentrale der Produktion.

      1999, nachdem ihr euch von eurem letzten defizitären Partner getrennt habt, der euch erneut in die roten Zahlen gerissen hat, erfolgte zudem eine neuerliche Umstrukturierung eurer Firma.

      Holger: Korrekt. Wobei uns hier maßgeblich Thomas spätere Frau Sheree Hesse half: Sie stieg quasi als dritter, gleichberechtigter Partner in unsere Firma mit ein, und ihr haben wir es zu verdanken, dass wir in Dörpstedt eine neue, geräumige Firmenzentrale beziehen konnten. Außerdem gründeten wir unser eigenes, autarkes Ticketvorverkaufssystem MetalTix als eigenständige Unterfirma. Hervorgegangen ist diese im Prinzip aus dem Vorverkaufsbüro, das bis dato die Mutter von Andy Göser führte. In dem Zuge, indem wir aber jetzt auch den Ticketvorverkauf des Open Airs in die eigenen organisatorischen Hände legten, gingen wir aber auch auf andere Tourneeveranstalter und lokale Promoter zu, ob wir nicht gleich Tickets für ihre Gastspielreisen oder Konzerte mit verkaufen könnten – was sich bis in die heutigen Tage sehr gut entwickelte.

      Thomas: Und in dem Zuge, in dem wir regelmäßig Bands wie Saxon oder Motörhead für das Festival buchten, entwickelte sich auch zu den Künstlern ein besonderes Vertrauensverhältnis, so dass zwangsläufig Fragen wie diese aufkamen: „Wollt ihr nicht auch gleich unsere reguläre Tour buchen?“ Oder: „Wie wär’s, wenn ihr gleich Management-Aufgaben mit übernehmt?“ Genau für diese Arbeitsbereiche ist unsere Unterfirma ICS zuständig.

      Nicht zu vergessen das Plattenlabel „Wacken Records“, das aus Armageddon Music hervorgegangen ist …

      Holger: Wobei diesem Label ursprünglich eine andere Idee zugrunde lag: Spätestens in dem Maße, als es auf die Jahrzausendwende zuging, fingen wir an, auch verstärkt die Open Airs zu filmen. Zur Vermarktung dieser Aufnahmen – also der Videos beziehungsweise DVDs – gründeten wir Armageddon Music. Das verselbstständigte sich in gewisser Weise – und nicht zuletzt, weil wir den Gewinnern für unseren Nachwuchswettbewerb „Metal Battle“ einen Plattenvertrag ausschrieben, nahm die Geschichte eine Eigendynamik an, die jetzt eben in dem Label gipfelte.

      Außerdem konnte nach der Millenniumswende – als abzusehen war, dass sich sowohl das neue Gelände als auch die neuen Strukturen bewähren – endlich auch ein weiterer Ausbau der Infrastruktur forciert werden.

      Thomas: Und all die Maßnahmen greifen zunehmend. So gaben wir auf Anregung der Polizeidirektion Itzehoe nach dem W:O:A 2007 bei einem professionellen Verkehrs- und Veranstaltungsmanager ein völlig neues Verkehrskonzept in Auftrag, das anno 2008 brillant griff: Dadurch – und durch den neu errichteten Busparkplatz – konnte der Verkehrsfluss unmittelbar vor dem Festivalgelände während der An- und der Abreise erhöht werden. Es gab jedenfalls kaum noch Staus. Außerdem investierten wir im letzten Jahr etwa eineinhalb Millionen Euro in ein Drainage- und Entwässerungssystem des In-Fields, um auch bei Schlechtwetterlagen wie 2002 und 2007 eine möglichst schnelle Trocknung des Platzes zu gewährleisten. Doch solche Investitionen konnten erst in Angriff genommen werden, nachdem klar wurde, wo die Reise mit dem Festival hingeht.

      Und wohin? Der derzeitige Bürgermeister von Wacken zum Beispiel hätte – einen weiteren Ausbau der Verkehrs- und Infrastruktur vorausgesetzt – nichts dagegen, wenn das Festival noch größere Dimensionen annehmen und auf vielleicht 120.000 Teilnehmer aufgestockt werden würde. Das gäbe zumindest die derzeitige Kartennachfrage her, denn immerhin ist das W:O:A zum dritten Mal in Folge ausverkauft – in diesem Jahr bereits sieben Monate im Voraus …

      Thomas: Bei solchen Diskussionen zitiere ich immer das Dynamo Open Air in Eindhoven als warnendes Beispiel heran: Das hat sich förmlich „kaputt gewachsen“. Und wie schon richtig erwähnt, müssten bei einem weiteren Expandieren der Veranstaltung weitere Investitionen in die Verkehrs- und Infrastruktur vorgenommen werden, denn die gegenwärtigen Dimensionen können einen noch größeren Besucherzustrom nicht verkraften. Deswegen haben wir uns für einen anderen Weg entschieden: Statt immer mehr Fans nach Wacken zu holen, exportieren wir den Geist des Festivals vor ihre Haustür. Zum Beispiel mit den „Wacken Rocks“-Ablegern Ende August – „Wacken Southside“ im bayerischen Kreuth, „Wacken Seaside“ in Aurich und „Wacken Berlin“. Außerdem sehen wir uns gegenwärtig nach verlässlichen Partnern um, die in Kooperation mit uns ein derartiges Festival meinetwegen in Brasilien, vielleicht in Nordamerika, vielleicht auch irgendwo in Asien organisieren.

      Holger: Die Suche nach solchen Partnern erfordert sehr viel Umsicht, schließlich wollen wir den exzellenten Ruf des Festivals nicht beschädigen oder gar erneut vor einem Scherbenhaufen stehen wie Ende 1993 beziehungsweise 1999. Die Metalheads können sich also auch in Zukunft darauf verlassen, dass ihnen dort, wo „Wacken“ draufsteht, auch die gewohnte Wacken-Qualität zu einem möglichst günstigen Preis geboten wird. Das betrifft sowohl den Service als auch das Billing des Festivals, das nach wie vor die gewohnte Mischung aus traditionellen und modernen Bands, aus Newcomern und etablierten Acts, aus Specials und Reunion bieten wird.

      In diesem Sinne: Wacken Roll!

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