Big Ideas. Das Management-Buch. Philippa Anderson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Philippa Anderson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783831082629
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den Markt, wenn die Technologie und die Prozesse relativ fest etabliert sind, sodass sowohl die Kosten als auch das Risiko deutlich geringer sind.

      Manchmal ist es für Nachfolger zwar schwer, die Loyalität der Kunden zur Pioniermarke zu überwinden, aber mit einem technisch überlegenen Produkt, das die Kundenbedürfnisse besser erfüllt, können sie sich oft einen großen Marktanteil sichern. Auch wenn der Wiedererkennungswert einer Marke wichtig ist, ein besseres Produkt verschafft einer Firma den alles entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Zudem haben Nachfolger oft mehr Finanzmittel für ihr Marketing, weil sie weniger investieren müssen, und auch das können sie den Vorteilen der Pioniere entgegensetzen.

      Als Google 1998 auf den Markt der Internet-Suchmaschinen vorstieß, dominierten Yahoo, Lycos und AltaVista den Markt, die alle bereits einen Kundenstamm hatten und anerkannte Marken waren. Doch Google hatte aus deren Fehlern gelernt und ein wesentlich besseres Produkt entwickelt. Das Unternehmen hatte erkannt, dass die Kunden umfassende und relevante Suchergebnisse brauchten, um sich in der Vielfalt der Informationen im Internet zurechtzufinden. Deshalb setzte es auf die besten Elemente der Filtersysteme, die die Wettbewerber nutzten, und entwickelte einen einzigartigen Algorithmus, der der Firma am Ende die Marktherrschaft sicherte.

      »Gute Künstler kopieren, großartige Künstler stehlen.«

      Steve Jobs ehemaliger CEO von Apple (1955–2011)

      »Es kann für eine Firma von Vorteil sein, später in einen Markt einzusteigen, wenn sie die Pioniere überholt.«

       Peter Golder und Gerard Tellis

       Gescheiterte Pioniere

      Es gibt viele Beispiele von Pionieren, denen es nicht gelang, einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen und zu erhalten. Unter den Internet-Firmen zählen zum Beispiel Friends Reunited und MySpace zu denen, die sich nicht langfristig durchsetzen konnten. Beide existieren zwar noch, aber ihr Vorteil als Pionier genügte nicht, um die Macht (und das überlegene Produkt) von Facebook abzuwehren. Ähnlich erging es dem im Jahr 1999 gestarteten eToys.com. Zwar zählte die Firma zu den neuen Internet-Händlern, aber der Vorteil eines Pioniers trug sie nicht und sie musste 2001 wieder schließen. Zufällig war das das Jahr, in dem Amazon begann, Spielzeug zu verkaufen (eToys. com gibt es inzwischen wieder, heute gehört es Toys R Us). Auch der Internet-Bekleidungsversand boo.com war ein Pionier, der zwar technisch überlegen, aber seiner Zeit voraus war. Die Website war zu komplex für die langsamen Internet-Verbindungen der meisten Verbraucher. Nur ein Jahr nach dem Start 1999 musste boo.com Konkurs anmelden. Es gibt einfach keine Erfolgsgarantie für Pioniere – vor allem, wenn das Geschäftsmodell nicht perfekt durchdacht ist.

      Trotz der Ergebnisse von Golder und Tellis und Beispielen wie Google hat sich der Gedanke an den Wettbewerbsvorteil von Pionieren in den Köpfen der Unternehmer festgesetzt. Der neue Boom auf dem Markt der herunterladbaren Anwendungen für Smartphones und Tablets (»Apps«) ist von dem Drang geprägt, der Erste zu sein. Tausende Apps werden produziert, weil ihre Erfinder hoffen, lukrative Segmente des neuen Marktes für sich zu gewinnen. Eine Studie von 2012 zeigte jedoch, dass durchschnittlich 65 Prozent der Benutzer ihre installierten Apps innerhalb von 90 Tagen wieder löschen.

       Der Zeitpunkt entscheidet

      Pioniere können also nicht immer die erwarteten Vorteile realisieren. Das hat auch damit zu tun, dass viel vom richtigen Zeitpunkt – und damit vom Glück – abhängt. Die Amerikaner Fernando Suarez und Gianvito Lanzolla identifizierten in ihrem Aufsatz aus dem Jahr 2005 mit dem Titel The Half-Truth of First-Mover Advantage technologische Innovation und die Entwicklungsgeschwindigkeit des Marktes als entscheidende Faktoren. Sie entscheiden, ob es vorteilhaft ist, der Erste zu sein. Wenn ein Markt sich nur langsam bewegt und die technischen Innovationen begrenzt sind, hat der Erste oft große Vorteile. Als Beispiel wurde der Markt für Staubsauger genannt, hier vor allem der langfristige Marktführer Hoover. Bis zur Einführung der Dyson-Staubsauger vor relativ kurzer Zeit war der Markt wohlwollend, die technische Entwicklung schritt langsam voran. Seit Hoover als Marktpionier 1908 auf den Plan trat, genoss das Unternehmen über Jahrzehnte hinweg Vorteile, die sich unter anderem darin zeigen, dass im Englischen »to hoover« als Verb für »staubsaugen« verwendet wird.

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      Der Erste in einem neuen, unerprobten Markt zu sein, ist an sich keine Erfolgsgarantie. Der Lisa von Apple war der erste Computer mit grafischer Benutzeroberfläche – heute bei jedem Computer, Smartphone und Digitalgerät selbstverständlich –, doch später auf den Markt gebrachte Modelle von Commodore, IBM und HP verkauften sich viel besser.

      In Branchen mit rasanten technologischen Veränderungen oder schneller Marktentwicklung sind Pioniere dagegen oft im Nachteil. Die ersten Suchmaschinen hatten zu viel und zu schnell in Technologien investiert und konnten sich dann die weitere technische Entwicklung nicht leisten. In schnell veränderlichen Märkten werden frühe Vorteile also schnell eingeholt. Mit der Zeit werden Nachfolger als fortschrittlicher betrachtet, weil sie aus den Fehlern der Pioniere lernen und dank ihrer Kenntnis des Marktes innovative Funktionen bieten. Selbst wenn der Pionier zunächst einen Vorteil hat, verliert er ihn in veränderlichen Märkten schnell wieder. Sogar Apple ist nicht gegen Nachteile wegem späterer Entwicklungen gefeit. Zwar brachte das iPhone zunächst bedeutende Pioniervorteile mit sich. Doch die Wettbewerber, allen voran Samsung, achteten genau auf die Probleme der Kunden mit dem iPhone, analysierten deren Bedürfnisse und stellten Produkte mit Funktionen her, die der Markt sich wünschte. Apple war in alten Technologiezyklen gefangen, reagierte nicht schnell genug und der Absatz des iPhones ging zurück.

       Die Bedürfnisse der Kunden

      Es ist also nicht zwingend notwendig, der Erste zu sein, um sich einen Vorteil zu sichern. Der US-Konzern Procter & Gamble zum Beispiel dringt nur auf Märkte vor, in denen er langfristig eine starke Position als Marktführer oder Zweiter etablieren kann. Dabei geht er keinesfalls überstürzt vor. Procter & Gamble sucht in Ruhe nach demografisch und strukturell attraktiven Märkten, in denen das Unternehmen wenig investieren muss, aber hohe Gewinnspannen erwarten kann. Dazu erforscht es in jedem potenziellen Markt sehr genau die Kundenbedürfnisse. Procter & Gamble verzichtet darauf, als Pionier aufzutreten.

      »Wenn Sie etwas gut können, dann machen Sie es noch besser.«

      Anita Roddick Unternehmerin (1942–2007)

      Das Unternehmen zieht vielmehr reife Märkte vor und baut dort langfristige Beziehungen zu Kunden und Lieferanten auf. Es betrachtet Innovation anders als kleinere Unternehmen, die danach streben, Technologien zu entwickeln, die den bestehenden Markt revolutionieren, um sich Marktanteile zu sichern. Procter & Gamble betrachtet derartige Strategien als kurzlebig, vielleicht weil das Unternehmen die Ergebnisse aus der Forschung kennt. Man hat erkannt, dass zu schnelle Innovationen dazu führen können, dass sich die Einnahmen und die Rendite bei der Produktentwicklung verringern.

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      Der PalmPilot, der 1997 auf den Markt kam, war ein erfolgreiches Nachfolgeprodukt des Newton von Apple, des ersten Personal Digital Assistant (PDA), der je verkauft wurde.

      Den Markt der Wegwerfwindeln betrat Procter & Gamble beispielsweise über zehn Jahre nach dem Pionier. Ihre berühmte Marke Pampers gibt es seit 1961, also wesentlich kürzer als die Marke Chux von Johnson & Johnson, die bereits 1949 auf den Markt gekommen war. Wegwerfwindeln waren damals noch neu und die Kunden zögerten. Procter & Gamble wartete, bis die Kunden das Produkt akzeptiert hatten. Die Firma investierte fünf Jahre, um Chux genau zu untersuchen und alle wichtigen Probleme zu lösen. Dann entwickelte sie ein Produkt, das mehr Flüssigkeit absorbierte, dichter schloss, angenehmer war, zwei Größen hatte und billiger zu produzieren