Problemzone Ostmann?. Ellen Händler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ellen Händler
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783838275406
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zu gestalten. Dabei wurden schon in der Vorbereitung Laien, Nichttheologen, einbezogen. Wir sprachen in dieser Gemeindeseminararbeit über Bibel- und Literaturtexte. Vorgaben dazu gab es nicht, aber Texte, die vorgeschlagen wurden.

      Einmal bekam ich eine Einladung mit Freistellung zu einem Studienkurs für drei Monate nach Greifswald. Wir sprachen über theologische Strömungen. So bekam ich einen weiteren Zugang zur Theologie. Dabei habe ich den Leiter des brandenburgischen Pastoralkollegs kennengelernt. Das war der Vater von Angela Merkel. Mit ihm gab es auch anlässlich eines anderen Kurses ein Nachfolgetreffen in Templin. Ich nahm teil und lernte eine Kollegin kennen, die in Brandenburg tätig war, mit der ich mich schnell sehr gut in theologischen Fragen verstand. Das war 1973.

      Eines Tages besuchte sie mich in Mecklenburg mit einem Kollegen. Beide kamen von der Landjugendarbeit, suchten einen Nachfolger für Brandenburg und warben mich, bei ihnen einzusteigen. Es ging darum, mit den Berufstätigen, auch jungen Erwachsenen, die in der Landwirtschaft, in den LPGen, tätig waren, Kontakte herzustellen. Uns wurden auch mal seitens des Staates Steine in den Weg gelegt, aber im Wesentlichen hat man uns als Pfarrer machen lassen. Was andere in der DDR nicht machen konnten, konnten wir.

      Meine Frau hatte inzwischen eine theologische Ausbildung gemacht, und es wurde ihr erlaubt, eine Pfarrstelle in Brandenburg zu übernehmen. Wir zogen 1974 nach Brandenburg um. Auch hier waren uns die Familienrüstzeiten* wichtig. Eine Woche im Winter, meist in den Winterferien, mit circa 40 Teilnehmern, Eltern mit ihren Kindern. Da waren zwei Pfarrer dabei und zwei Katechetinnen. So wurde für die Kinder und für die Erwachsenen etwas gemacht. Es gab Rüstzeitenheime, da konnte man zum Beispiel nach Eisenach oder Buckow fahren. Meine Arbeit mit Jugendlichen, Kindern, Konfirmanden und Familien in der Rüstzeit* behielten wir all die Jahre bei. Mit bis zu 40 Leuten haben wir gezeltet, sind gewandert. Für die Familien führten wir das auch an Wochenenden durch. Zu thematischen Abenden haben wir Bibeltexte gelesen. Den Jugendlichen übertrugen wir frühzeitig Verantwortung für die Betreuung der jüngeren Kinder.

      Bei diesem Familienrüsten habe ich meine jetzige Frau kennengelernt. Ich hatte von ihr zwar schon gehört, war ihr bei kirchlichen Treffen begegnet, aber bei der Rüste in der Nähe von Potsdam sind wir uns sehr nahegekommen. Als ich nach Hause kam, wollte ich das meiner damaligen Frau nicht verschweigen und habe ihr von meiner Liebe erzählt, die ich auf dieser Rüste erlebt hatte. Ich besuchte meine zweite Frau zunächst in ihrem Dorf, wo sie mit ihren beiden Töchtern aus ihrer geschiedenen Ehe lebte, blieb über Nacht. Meine Frau konnte sich nicht vorstellen, dass ich noch mit einer anderen in einer Beziehung lebte. Ich konnte und wollte aber nicht den Kontakt zu ihr abbrechen und besuchte sie weiterhin. Daraufhin hat meine Frau sich an den Superintendenten gewandt, der ein Disziplinarverfahren gegen mich in Gang brachte. Ich musste aus dem Pfarrdienst ausscheiden, in einer zweiten Verhandlung wurde das Strafmaß auf zwei Jahre verkürzt. In dieser Zeit, 1981, bekam ich Arbeit in einem kirchlichen Krankenhaus in Berlin, wo ich Arbeiten im Hof und in den Grünanlagen, Transportfahrten für Krankenhausmaterial und ähnliche Dinge verrichten musste. Dabei konnte ich mich zumindest mit meiner jetzigen Frau und deren zwei Töchtern treffen. Beide Töchter hatten zu ihrem Vater keinen Kontakt. Gegen Ende des Jahres musste nun entschieden werden, was ich weiter mache und wo ich wohnen werde. Mir wurde die Leitung eines kirchlichen Altersheimes in einer Stadt nahe der Oder übertragen. Inzwischen waren wir geschieden. Bis zu unserer Eheschließung durfte meine jetzige Frau nicht bei mir wohnen. Unser Leben war quasi inoffiziell. 1982 im Februar heirateten wir standesamtlich. Ihre damals neun- und elfjährigen Töchter haben meinen Namen übernommen und ein Jahr später adoptierte ich sie. Sie sollten die gleichen Rechte haben wie das gemeinsame Kind, das wir erwarteten. Im Laufe des Jahres wurde unsere Tochter geboren und zwei Jahre später unser Sohn.

      Zu den vier Kindern aus der ersten Ehe versuchte ich immer Kontakt zu halten. Unser Sohn, unser erstes Kind, machte damals die Ausbildung zum Diplomingenieur für Kfz-Technik und hat also keinen kirchlichen Beruf. Von den drei Töchtern studierte die erste in Rostock Theologie, hat ihren Mann dort kennengelernt und in dieser Zeit das erste Kind bekommen. Die zweite Tochter hatte nach ihrer Berufsausbildung mit Abitur in einer Papierfabrik ebenfalls angefangen, in Berlin Theologie zu studieren, hat ihren Mann, ebenfalls einen Theologen, kennengelernt, geheiratet und ist mit ihm nach Mecklenburg gezogen. Später haben sie einen Ausreiseantrag gestellt und sind in die Schweiz gezogen, wo sie heute noch leben. Die dritte Tochter hat einen Bolivianer kennengelernt, der in Deutschland studierte. Sie hat 1981 an der EOS* gerade Abitur gemacht und hatte es natürlich am schwersten gemeinsam mit der Mutter. Später heiratete sie diesen Bolivianer, konnte so die DDR verlassen und lebt in Kiel. Sie bekam vier Kinder. Nach deren Geburt oder zu deren Taufe konnte ich einen Reiseantrag stellen, den ich genehmigt bekam.

      Bis zum Grundlagenvertrag 1971 gab es keine Reisen in den Westen, ich konnte weder meine Eltern noch meine Schwester besuchen. Mit dem Grundlagenvertrag änderte sich das und man konnte in dringenden Familienangelegenheiten zu Besuch reisen. Zu meinen Eltern hielt ich immer Kontakt. Sie besuchten uns regelmäßig. Wir schrieben damals noch Briefe. Telefonieren war sehr aufwendig und teuer.

      1983 fragte mich der Oberkonsistorialrat, ob ich wieder in den Pfarrdienst möchte und bot mir drei Pfarrstellen an. Wir wollten in der Nähe zu Polen bleiben und möglichst intakte Kirchen, da ich vorher schon mal eine abgebrannte Kirche wieder aufbauen musste. In den Jahren davor hatte ich angefangen, Polnisch zu lernen. Wir wollte näher an die Oder. Die Stelle lag aber im Braunkohlegebiet. Im Oktober sind wir hingefahren, es schien die Sonne noch so schön. Ich sagte zu. Den Ruß der Brikettfabriken in der Luft bemerkten wir erst im Winter, als der Schnee so schmutzig wurde. 1984 übernahm ich die Pfarrstelle in G. mit vier Predigtstellen. Meine Frau war inzwischen wieder schwanger und musste längere Zeit ins Krankenhaus. So brachte ich morgens unsere Tochter in die Krippe und holte sie am Nachmittag wieder ab. Es wurde ein Sohn, 1984 geboren. Da war ich schon 52 Jahre alt.

      Am 1. März sollte ich in meiner Pfarrstelle anfangen, da setzten die Wehen ein. Ich brachte meine Frau nach Frankfurt zur Entbindung, aber das Kind kam noch nicht. Ich bin zurück und kam am nächsten Tag gerade rechtzeitig wieder hin, als er geboren wurde. Als ich ihn auf dem Arm hatte, kamen mir die Tränen, ich hatte wieder einen Sohn nach so vielen Töchtern. Die große, dreizehnjährige Tochter meiner Frau war an diesem Tag, ihrem ersten Schultag, gefragt worden, wie viele Geschwister sie habe, und sie hatte geantwortet: »Zwei oder drei«, als wüsste sie es nicht. Sie konnte es wirklich noch nicht wissen.

      Im Pfarrkonvent wurde gefragt, wer bereit sei, eine Schweizer Delegation von Pfarrern und Kirchenleuten, eine Gruppe von fünf Leuten, für eine Woche aufzunehmen. Ich schrie sofort: »Hier!« Ich wollte Kontakte vermitteln. Der strukturbestimmende Betrieb war die Braunkohle. Da ließ sich aber nichts vereinbaren. Das ging also nicht. Natürlich nahm ich Kontakt mit der Bürgermeisterin auf, was gut ging. Auch mit dem LPG-Vorsitzenden führten wir ein Gespräch. Mehr so nebenbei, nicht ganz offiziell. Wir wollten ja nicht, dass das abgelehnt wird. Es gelang uns, einen Gegenbesuch zustande zu bringen. Organisiert wurde er durch den Ökumenischen Jugenddienst in Berlin, der Dienstreisen bei den staatlichen Stellen vermitteln konnte. Mit zwei Leuten konnten wir in die Schweiz reisen. So fuhren die Frau des Gemeindekirchenratsvorsitzenden und ich die erste Woche in die französische Schweiz, die zweite Woche nach Zürich. Wir fuhren mit dem Zug. Auf der Rückreise haben wir unsere Partnergemeinden in Pforzheim und Wuppertal besucht. Mit dem einem Pfarrer aus der Schweiz sind wir bis heute befreundet. Wir haben unsere Kinder nicht als Kleinkinder getauft, sondern erst im Kindesalter. Das hatte meine Frau schon so mit ihren Kindern gemacht, und unsere gemeinsame Tochter suchte sich von den zwei Paten, die sie wollte, diesen Schweizer Pfarrer aus.

      1989 hatte unsere Partnergemeinde in Wuppertal ein Jubiläum. Ministerpräsident Rau, der aus dieser Gemeinde stammte, nahm an den Feierlichkeiten teil. Meine Frau hat ihn in guter Erinnerung. Als Partnergemeinde hatte man uns eingeladen. Diesmal fuhren meine Frau und der Kirchgemeinderats-Vorsitzende. Nicht immer die Pfarrer sollten es sein. Sie fuhren noch zu Honeckers Zeiten und kamen nach seinem Rücktritt zurück. Es waren ihre ersten Westreisen. Dort hörte sie im Radio, dass Honecker in den nächsten Tagen zurücktreten werde. Als sie zurückkamen, waren die Grenzer deutlich freundlicher.

      Der 9. November ist ein schicksalsträchtiges Datum. Wir haben erst bis zum Sonntag gewartet, ehe wir nach Berlin fuhren und in den Westteil gingen. Wir waren