Problemzone Ostmann?. Ellen Händler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ellen Händler
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783838275406
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diese Vorherbestimmtheit störte. Aber ich wollte nicht gehen, sondern hier in diesem Land etwas verändern. Und so sehe ich auch den Aufruf des Neuen Forums*, der eigentlich nur sagte: »Lasst uns darüber reden, was nicht stimmt.« Wir mussten erst die freie Rede erlernen, Argumente zu liefern und Argumenten zuzuhören, miteinander in ein Streitgespräch zu kommen, um Kompromisse zu finden. Ich glaube, dass diese Fähigkeit in der DDR nicht gewollt war. Der Lehrplan in der Schule sah das nicht vor. Jede Diskussion sollte durch den Lehrer in eine bestimmte ideologische Richtung gelenkt werden.

      Ich habe nach der Wende einige westliche Glücksritter kennengelernt, die Karriere machen wollten und dazu im Osten ihre große Chance witterten. Viele sind kurze Zeit später gescheitert. Ich selbst aber habe sehr viel mehr Leute kennengelernt, die mich politisch stark beeinflussten. So sind nicht nur Lehrerinnen und Lehrer meine Freunde geworden. Viele haben mich mit ihrem Engagement innerhalb der Schule, in pädagogischen Gremien, in Gewerkschaften, aber auch darüber hinaus durch ihr politisches Engagement stark beeindruckt und beeinflusst.

      Das betrifft auch seit fast 30 Jahren unser Engagement in N. gegen rechts, für Demokratie, gegen Antisemitismus und Gewalt. Unser Ort war seit den 1990er Jahren immer wieder Aufmarschgebiet für rechte Parteien und Vereine. Für mich sind engagierte Leute wichtig, egal ob sie aus dem Westen, dem Osten oder dem Ausland kommen. Nach meinen Erfahrungen sind solche Charaktereigenschaften, wie Haltung beziehen und sich aktiv einbringen, das Entscheidende. Dieses Engagement ist unheimlich wichtig, und ich wünschte mir viel mehr solcher Aktivitäten für und von den einheimischen Leuten. Viele haben das nie gelernt, sie sahen aber auch früher nie die Notwendigkeit oder die Möglichkeit, sich irgendwo kritisch einzubringen. Man zog sich stärker ins Private zurück oder hatte Sorge, dass es gefährlich werden könnte. Da war die Wendezeit zwischen Oktober 1989 und Januar 1990 so ganz anders. Die Leute gingen aus sich heraus, ergriffen ein Mikrofon und sprachen offen ihre Träume, Ängste, Sorgen und Hoffnungen aus. Das waren Menschen, von denen man das niemals erwartet hätte. Leider hat das nicht lange angehalten. Und das hat meiner Meinung mit der Art und Weise der Wiedervereinigung zu tun. Wir haben damals als Bündnis 90 wirklich dafür gekämpft, dass wir nicht nach Artikel 23 die Vereinigung durchziehen und angeschlossen werden. Wir wollten die Deutsche Einheit nach Artikel 146 erreichen. Es sollten auf Augenhöhe zwei gleichberechtigte Staaten miteinander vereinigt werden. Die Wahlen sprachen eine andere Sprache und so wurde die DDR doch nach Artikel 23 angeschlossen. Dies führte letztlich bis heute zu riesengroßen Enttäuschungen mit allen Deformierungen wirtschaftlicher Art, mit Arbeitslosigkeit und sozialem Absturz. Dass dies eintreten würde, war absehbar. Vor allem die CDU unter Kohl und seine Unterstützer in der Ost-CDU, der DSU und beim Demokratischen Aufbruch hier in der DDR, verhinderten letztlich eine neue gemeinsame Verfassung.

      Ost: Gas-Wasser-Installateur, West: Installateur, selbstständiger Haushandwerker,

      Meister für Maschinenbau selbstständiger Trainer für Reha-Sport

      Wenn wir uns streiten, streitet sie

      und ich höre geduldig zu

      Wir Kinder wuchsen in einer Dreiraumwohnung mit 58 Quadratmetern auf. Ich bin der mittlere von drei Brüdern. Der zwei Jahre ältere ist bereits an Krebs verstorben, der andere ist vier Jahre jünger als ich. Unser Kinderzimmer war so beengt, wie das heute fast nicht mehr vorstellbar scheint. Da wir direkt am Wald wohnten, haben wir natürlich viel draußen gespielt. Ich entstamme einem politisch eher linken, sehr naturverbundenem Elternhaus. Unser Vater hat sich vom Chemiefacharbeiter zum Meister qualifiziert. Später machte er in der Gewerkschaft des Zementwerkes ein bisschen Karriere. Unsere Mutter, ebenfalls Chemiefacharbeiterin, bildete sich ebenfalls weiter und arbeitete als Erzieherin und Lehrerin für Kunsterziehung. Natürlich bin ich in den Kindergarten gegangen, besser gesagt gerollert. Ich bin mit meinem Roller den einen Kilometer langen Weg zum Kindergarten alleine gefahren. Heute unvorstellbar! 1968 wurde ich eingeschult. Die Kinder aus unserer Straße liefen die knapp drei Kilometer zur Schule ohne Begleitung zu Fuß. Bis zur 10. Klasse besuchte ich die POS*. Ich überlegte lange, für welchen Beruf ich mich entscheiden sollte, schwankte zwischen Koch und Gas-Wasser-Installateur. Letztendlich entschied ich mich für den Installateur. Das Kochen ist jedoch meine große Leidenschaft geblieben.

      Den Beruf des Installateurs erlernte ich im Zementwerk. Mit 17 Jahren habe ich auf dem Weg zur Berufsschule meine heutige Frau kennengelernt. Bereits mit 19 Jahren haben wir geheiratet und nach dem Motto »jung gefreit hat nie bereut« führen wir bis heute eine glückliche Ehe. Vielleicht haben sich einfach die Richtigen getroffen. Entscheidender als die Jugend wird aber sein, dass wir eine Partnerschaft auf Augenhöhe führen.

      1981 wurde ich für anderthalb Jahre als Bau-Pionier zur Armee eingezogen. In dieser Zeit haben wir geheiratet. Nach meiner Armeezeit bin ich vom Radsport zum Handball gewechselt. Ich habe selbst Handball gespielt und dort Übungsleiterausbildungen durchlaufen. 30 Jahre lang habe ich ehrenamtlich als Handballtrainer gewirkt.

      Bis 1984 arbeitete ich im Zementwerk als Installateur, wechselte dann als Betriebshandwerker in die Wohnungsbaugenossenschaft in R. Mein weiterer Berufsweg führte mich damals in das Chemiewerk nach R. Dort wurde ich als Brigadier eingesetzt und übernahm bald eine Meisterstelle, zunächst noch ohne die entsprechende Ausbildung. Da der Betriebsleiter aber Wert darauf legte, dass ich eine Meisterausbildung absolviere, begann ich im Frühjahr 1989 die Ausbildung zum Meister für Maschinenbau. Die theoretische Ausbildung gestaltete sich ziemlich schwierig. Durch die Wendewirren 1989/90 galten plötzlich völlig neue Regeln. Die Meisterausbildung habe ich trotzdem erfolgreich beendet. Aber der Betrieb, der mich zur Ausbildung entsandt hatte, stand kurz vor dem Aus. Die Ruinen des Betriebes stehen bis heute noch in der Landschaft und dienen ab und zu als Filmkulissen. Um den technischen Fortschritt nicht zu verpassen, denn in dieser Zeit änderten sich viele Materialien und Techniken, musste ich mir so schnell wie möglich Neues aneignen. Mit dem Meisterabschluss für Maschinenbau konnte man damals überhaupt nichts anfangen, denn die Maschinenbauindustrie der DDR wurde komplett platt gemacht. Ich hätte mit meiner Ausbildung sicherlich in den alten Bundesländern Fuß fassen können, da ich aber in der Region fest verwurzelt bin, habe ich daran keinen Gedanken verschwendet.

      Also fing ich im Nachbarort bei einem bereits seit Jahren selbstständigen Installateurmeister an. Wegen des Instandhaltungs- und Modernisierungsrückstaus aus DDR-Zeiten waren das die Boomjahre in dieser Branche. In den fünf Jahren, in denen ich dort arbeitete, brachte ich mich auf den neuesten Stand der Technik. Von dort führte mich mein beruflicher Weg nach Berlin in einen größeren Betrieb. Dort arbeitete ich zwei Jahre wieder als Meister. Meine nächste sehr interessante Berufsstation war eine überbetriebliche Ausbildungsstätte. In dieser Einrichtung wurden Jugendliche in einem berufsvorbereitenden Jahr mit verschiedenen Tätigkeiten vertraut gemacht. Dort qualifizierte ich mich zum Ausbilder für Installateure und für Metallbauer. Die Arbeit mit den Jugendlichen hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht. Gestört hat mich allerdings, dass der Chef der Einrichtung damit eigentlich nur Geld verdienen wollte. Irgendwann merkte ich, dass es ihm völlig egal war, ob und wie die Jugendlichen ausgebildet wurden. Das interessierte ihn nicht im Geringsten. Er äußerte mir gegenüber: »Am liebsten sind mir die Teilnehmer, die nur rumsitzen oder in der Ecke schlafen. Dann verbrauchen sie kein Material, müssen sich nicht so oft die Hände waschen, was wiederum Wasser spart.« Das war nicht mein Ansatz. Ich wollte den Jugendlichen etwas beibringen.

      Mir wurde klar, dass ich dort nicht bleiben konnte. Ich dachte darüber nach, mich selbstständig zu machen. Um den Existenzgründerzuschuss vom Arbeitsamt zu erhalten, musste ich jedoch arbeitslos sein. Also ließ ich mich kündigen und ging für zwei Wochen in die Arbeitslosigkeit. In dieser Zeit besuchte ich ein Existenzgründerseminar, verfasste den von mir geforderten Businessplan – und dann ging es los. Ich habe mich als Handwerker »Rund ums Haus« selbstständig gemacht und konnte auf Anhieb von den Einkünften leben.

      Im Jahr 2005 suchte im Nachbarort ein Sportstudio Kursleiter für Reha-Sport-Kurse. Da mich das interessierte und ich handwerklich nicht voll ausgelastet war, bewarb ich mich und fing dort mit zwei Kursen pro Woche an. Meine Kurse waren immer gut besucht. So wurde schnell mehr daraus. Weitere Sportstudios in der Umgebung suchten ebenfalls