Die Euro-Misere. Michael von Prollius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael von Prollius
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783940431394
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erreicht der Geldstrom die Konsumenten ohne Kapitalreserven erst dann, wenn die Preise bereits gestiegen sind.

      Am Härtesten trifft Inflation die armen Teile der Bevölkerung, weil bei Ihnen das zusätzliche Geld zuletzt ankommt und die Preise längst gestiegen sind. Sie sind die Verlierer. Wäre das anders, könnten wir uns reich drucken. Typischerweise gehören Rentner, Geringverdiener und Arbeitslose zu dieser Gruppe. Friedrich August von Hayek hat den Vorgang mit dem Ausgießen von dickflüssigem Honig verglichen, der sich ungleichmäßig verteilt und an der Stelle des Auftreffens eine kleine Erhebung bildet, die symbolisch für steigende Löhne und Preise steht. Nun wird auch klar, warum in Finanzmetropolen Gehälter, Preise und Mieten überdurchschnittlich ansteigen.

      Die staatlich betriebene Inflation bewirkt letztlich eine Umverteilung von den armen, kapitallosen Schichten zu den wohlhabenden Schichten. Tauschtransaktionen, bei denen Geld verwendet wird, sind durch eine Geldmengenausweitung nicht mehr für alle Beteiligten gleichermaßen vorteilhaft. Im politisch korrekten Mainstreamjargon bedeutet das, Inflation ist sozial ungerecht.

      Die meisten Politiker mögen indes Inflation. Steigende Löhne suggerieren steigenden Wohlstand. Zugleich entwertet Inflation die Staatsschulden. Allerdings sorgt Inflation für soziale Konflikte und höhlt allmählich die Wohlstandsentwicklung aus. Zudem schwindet das Bewusstsein dafür, dass man nicht dauerhaft mehr Geld ausgeben kann, als man einnimmt. Ludwig von Mises wies darauf hin, dass Inflation eine Politik ist, die nicht dauerhaft durchgeführt werden kann, weil sonst die Währung ruiniert wird. Da es sich um Politik handelt, kann man sie immerhin ändern.

      Der geniale amerikanische Publizist Henry Hazlitt hat fast alles, was man zur Inflation für den Alltag wissen muss, in nur einem Absatz zusammengefasst: Inflation ist der Anstieg der Geldmenge und Bankkredite im Verhältnis zur Gütermenge. Inflation ist schädlich, weil sie den Wert einer Geldeinheit vermindert, die Lebenskosten für alle erhöht, den Ärmsten eine Steuer in derselben Höhe wie den Reichen auferlegt, den Wert von Ersparnissen schmälert, Sparen entmutigt, Wohlstand umverteilt, Spekulation und Spielereien ermutigt statt Sparsamkeit und Arbeit und schließlich das Vertrauen in die Gerechtigkeit einer freien Marktwirtschaft untergräbt und zugleich öffentliche und private Moral untergräbt.

      Mehr dazu in: Henry Hazlitt: What you should know about Inflation, Erstauflage 1960, Neuauflage Auburn 2007.

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      8 Erstmals erschienen am 11. 5. 2010.

      Keine Angst vor Deflation!9

      Was ist falsch an Deflation? Wird Deflation zu Unrecht zum Sündenbock gemacht? Die Schädlichkeit der Deflation ist heute eine Art heiliges Dogma, das gilt sowohl für die Geldpolitik als auch die vorherrschende Ansicht in der öffentlichen Meinung. Unklar bleibt in der Regel, ob die behauptete selbstzerstörerische Wirkung von einem sinkenden „Preisniveau“ einer Volkswirtschaft ausgehen soll oder von einer schrumpfenden Geldmenge oder einer Kombination beider Entwicklungen. Welche Gründe werden für die desaströsen Folgen einer Deflation angeführt?

      Häufig wird auf historische Erfahrungen verwiesen. Deflation führe zu einer sinkenden Gesamtproduktion und senke den Lebensstandard. Tatsächlich waren deflationäre Phasen wie die Zeit Ende des 19. Jahrhunderts ausgesprochene Prosperitätsphasen. Sinkende Preise belegten den Erfolg der Marktwirtschaft – steigende Produktivität führte zu sinkenden Preisen.

      Die Weltwirtschaftskrise von 1929 war eine Inflationsbereinigung mit einer wechselnd expansiven und kontraktiven US-Geldpolitik. So erhöhte das Federal Reserve in der letzten Oktober Woche des Crashs von 1929 allein die Reserven der Geschäftsbanken um fast 300 Millionen US-Dollar. Präsident Hoover war stolz auf seine Politik des billigen Geldes.

      Außerdem wird eine Abwärtsspirale beschworen, weil die Marktteilnehmer ihre Kaufentscheidungen angesichts absehbarer Preissenkungen hinausschieben würden. Tatsächlich sind die Elektro- und insbesondere die EDV-Branche ein Beispiel stetig sinkender Preise bei verbesserter Produktqualität – und beides sind historisch bedeutsame Wachstumsbranchen. Das verwundert nicht, schließlich kommt der Konsum ja nicht zum Stillstand, die Menschen wollen und müssen konsumieren. Sie werden kaum Wochen und Monate auf einen neuen Kühlschrank warten, nachdem der alte kaputt gegangen ist. Empirische Betrachtungen von Volkswirtschaften zeigen, auch im Vergleich mit Ländern mit steigendem Preisniveau, keine nachhaltige Beeinträchtigung des Wachstums. Das gilt selbst im Fall einer deflationären Schockwirkung.

      Schließlich wird eine allgemeine Bankenkrise beschworen, die aufgrund nicht rückzahlbarer Kredite und einer weitreichenden Kreditklemme („Credit Crunch“) zustande kommen und am Ende die gesamte Volkswirtschaft in den Abgrund reißen soll. Tatsächlich vernichtet die Einschränkung von Krediten jedoch keine Ressourcen, da Bankkredite keine Ressourcen erzeugen, sondern nur für eine Vermittlung von Ressourcen an anderer Stelle sorgen. Kein Apfel, Auto oder Buch verschwindet durch den Rückgang von Krediten. Künftig werden Äpfel, Autos und Bücher aber möglicherweise in einem anderen Mengenverhältnis hergestellt. Dementsprechend werden Menschen an anderer Stelle beschäftigt.

      Jörg Guido Hülsmann argumentiert in „Deflation and Liberty“, dass Deflation genauso wie Inflation lediglich für eine Umverteilung der Ressourcen sorgt – unter Individuen wie zwischen Branchen. Im Unterschied zur Inflation erfolge die Umverteilung allerdings offen sichtbar. Kredit finanzierte Unternehmen und private Haushalte mit zu hohen Immobilienkrediten gehen demnach Pleite, sobald sie ihren Rückzahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Die Güter verschwänden jedoch nicht, sondern wechselten lediglich den Besitzer. Andere Menschen würden Eigentümer der Unternehmen und Häuser, und zwar diejenigen, die über Liquidität verfügen und keine Schulden haben. Deflation macht somit Gewinner und Verlierer sichtbar (Hülsmann: „Deflation means open redistribution through bankruptcy“).

      Hinzu kommt eine bedeutsame Tatsache: Politische Vernetzung, der Zugang zu den Stellhebeln der Macht, hilft im Fall der Deflation nicht. Bei unseren heutigen inflationären Volkswirtschaften sind politische „Connections“ sehr bedeutsam, da Geld durch die staatlichen Zentralbanken über den Transformationsriemen der Geschäftsbanken überwiegend per Kreditvergabe aus dem Nichts geschaffen wird. Und die Regierungen stellen für gut verflochtene Organisationen, in der Regel Großunternehmen, Sonderkredite und Konjunkturmaßnahmen zur Verfügung, wie die aktuelle Politik auf monströse Art und Weise illustriert.

      Hier liegt sicherlich der Schlüssel für die Diskreditierung der Deflation: Deflation entmachtet die Politik. Deflation bedroht das herrschende Establishment.

      „The crisis did not hit us despite the presence of our monetary and financial authorities. It hit us because of them“, urteilt Jörg Guido Hülsmann in seinem Manifest gegen staatliche Inflation und für marktwirtschaftliche Deflation. Im Mittelpunkt steht die Überzeugung, dass wir uns vor Deflation nicht fürchten müssen, sondern diese als Wesensbestandteil der Marktwirtschaft wertschätzen sollten.

      Hülsmann zeigt zunächst die unzertrennliche Einheit von Wohlfahrtsstaat, Inflation und Staatsverschuldung auf. Anschließend argumentiert er entlang einer kurzen Geschichte des Geldes, dass Deflation ein Gemeinwesen nicht ärmer macht, sondern zu einer (begrüßenswerten) Umverteilung des Wohlstands führt. Anders als Inflation geschieht dies im Zuge einer offenen Umverteilung durch Bankrott im Einklang mit dem Recht. Der Senior Fellow am Ludwig von Mises Institute in Auburn schließt mit einem Plädoyer für Free Banking – nicht zuletzt als Mittel für die Entpolitisierung und Entmachtung der Gesellschaft.

      Jörg Guido Hülsmann: Deflation and Liberty, Auburn 2000 (Buch des Monats Oktober 2009 bei Forum Ordnungspolitik).

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      9 Erstmals erschienen am 13. 3. 2010.

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