Die Euro-Misere. Michael von Prollius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael von Prollius
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783940431394
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Robinson steht vor der Alternative, entweder alle Fische am Ende eines Tages zu konsumieren oder aber Konsumverzicht zu üben, indem er einen Teil der Fische spart. Sein Produktionsergebnis geht beim Sparen nicht unter, etwa weil er die Fische über einem Lagerfeuer brät und haltbar macht, sondern dient als Gütervorrat für später. Der Konsumverzicht ist also eine Investition in und für die Zukunft. Das Sparen ermöglicht Robinson einen Tag nicht mit bloßen Händen zu fischen, sondern stattdessen ein Netz zu knüpfen. Mit dem Netz steigert er seine Güterversorgung, weil er in der gleichen Zeit, in der er mit bloßen Händen Fische ergreift, nun eine größere Zahl Fische fangen kann.

      Außerdem bietet sich ihm die Möglichkeit, die gleiche Zahl Fische in einer geringeren Zeit zu fangen. Robinson kann durch die gewonnene Zeit anderen Dingen nachgehen, zum Beispiel Bauinvestitionen vornehmen, und so seinen Wohlstand steigern.

      Das Netz stellt ein Kapitalgut dar, das nicht für den Konsum, sondern den Einsatz in der Produktion bestimmt ist. Es handelt sich um eine Anlageinvestition (durch die Verbindung von Arbeit und Natur entsteht der Produktionsfaktor Kapital). Erwähnenswert ist zudem, dass Robinson einen Produktionsumweg einschlägt. Statt mit seinen Händen direkt zu fischen, erstellt er erst ein Netz, um anschließend zu fischen. Das ist nur sinnvoll, wenn seine Arbeitsproduktivität steigt.

      In Anlageinvestitionen sind letztlich die Ideen der Menschen gespeichert. Kurzum: Sparen ist Konsumverzicht und die Voraussetzung für „nachhaltige“ Investitionen, die den Wohlstand steigern. Nun kommt Freitag auf die Insel. Robinson könnte ihm Fische als Sachmittelkredit geben, damit Freitag anderen Tätigkeiten nachgehen könnte, zum Beispiel wilde Ziegen fangen. Durch die Einführung von Geld ändert sich nichts, solange das Geld-Äquivalent zu den Fischen immer noch durch real vorhandene Fische gedeckt wäre. Ein Zirkulationskredit entsteht hingegen, sobald Geld oder Kredit aus dem Nichts geschaffen wird, wie es in unserem heutigen Geldsystem üblich ist, also kein durch Ersparnisse gedeckter Kredit vorhanden ist. Auf der einsamen Insel würde das bedeuten, dass Robinson Geld produziert und Freitag leiht, das nicht durch Fische gedeckt ist. Und wenn Freitag am Ende des Tages Geld gegen Fische einlösen möchte, um seinen Hunger zu stillen, dann gibt es keine Fische – der Schwindel fliegt auf.

      Genau das ist auf den Immobilienmärkten und darüber hinaus in anderen Branchen passiert, hat die Vermögenspreisinflation ermöglicht und steht im Mittelpunkt Weltwirtschaftskrise.4

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      3 Lesenswert hierzu ist Gregor Hochreiter: Die Ökonomie der Liquidität, in: efonline, 1. 4. 2008.

      4 Erstmals erschienen am 26. 1. 2010.

      Gegen Staatsdoping – für eine befreite Wirtschaft5

      Ein Gespenst geht um. Es ist Tom Simpson, der auf der Tour-de-France-Etappe auf den Mont Ventoux 1966 als erstes gesichertes Dopingopfer den Tod fand. Simpson glaubte, seine Leistungsfähigkeit über seine natürliche Grenze hinaus ankurbeln zu können und strampelte sich zu Tode.

      In der Bundesrepublik Deutschland verlief der erste Versuch, die Konjunktur zu dopen, glimpflich. In der Mini-Rezession 1966/67 kamen die begrenzten staatlichen Maßnahmen zu spät und wirkten prozyklisch. Hingegen war die Stagflation der 70er Jahre mit hoher Inflation, hoher Arbeitslosigkeit und stagnierender Wirtschaft sowie massiver Verschuldung wesentlich den Konjunkturpaketen der Regierung Schmidt geschuldet. Sie verhinderten – wie heute – die Entfaltung der marktwirtschaftlichen Selbstheilungskräfte zusätzlich zu den Belastungen der Sozialstaatswirtschaft.

      In Japan haben insbesondere die Rettungsmaßnahmen der Zentralbank („Null-Zins-Politik“) eine seit den 90er Jahren währende Depression verursacht. Seit dem Ausbruch der Hypothekenkrise im Juli 2007, die durch das „billige Geld“ der US-Zentralbank und die Sozialpolitik der US-Regierungen verursacht wurde, überbieten sich westliche Regierungen erfolglos mit vermeintlichen Hilfsmaßnahmen. Sie (teil)verstaatlichen Unternehmen und bürden den Steuerzahlern Konjunkturpakete in absurder Milliardenhöhe auf. Garantien für die Ersparnisse der Bürger beruhen auf deren Ersparnissen. Wider alle Vernunft und Erfahrung, zudem ohne Maß und Moral, wird umverteilt. Die Seilschaften aus Politik, Bürokratie, „Big Business“ und anderen Sonderinteressen verfolgen ihre Ziele gegen die Bürger. Unübersehbar regiert der Neosozialismus, während der Neoliberalismus stigmatisiert wird. Dabei war die Soziale Marktwirtschaft das wirtschaftspolitische Programm der Neoliberalen.

      Was Tom Simpson schmerzhaft an seinem eigenen Körper erfahren musste, ist nun auch im Wirtschaftskreislauf abzusehen: Der Versuch, die Konjunktur, zu manipulieren ist Selbstbetrug, bestenfalls ein Taschenspielertrick von der linken in die rechte Tasche. Der Staat muss jeden Euro, den er der Wirtschaft zur Verfügung stellt, zuerst der Wirtschaft durch Steuern entziehen.

      Von Ludwig Erhard stammt folgender Satz: Jede Ausgabe des Staates beruht auf einem Verzicht des Volkes. Konjunkturpakete machen arm und krank. Sie verdrängen private Investitionen und erhöhen die Schulden. Jede Hilfe für die Automobilindustrie, die den Strukturwandel verschlafen hat, ist eine Belastung für den Steuerzahler. Jeder Cent für diejenigen Banken, deren schlechte Geschäftsmodelle abgestraft werden oder sich bei Fusionen übernehmen, fehlt für dringendere Verwendungen.

      Die aktuelle Wirtschaftskrise ist eine Finanz-, Regulierungs- und Strukturkrise. Die Hauptverantwortung tragen die Regierungen. Ihre Zentralbanken haben eine nun zusammen stürzende Kreditpyramide errichtet. Sie maßen sich an, die Lebens- und Wirtschaftsweise der Menschen bis auf den Esstisch und den Arbeitsplatz regeln zu müssen. Sie haben das Wachstum zum Fetisch gemacht und lehnen gleichzeitig als Adepten des Status quo Marktwirtschaft und Wettbewerb als „Entdeckungsverfahren“ und „geniales Entmachtungsinstrument“ ab.

      Wir erleben derzeit einen marktwirtschaftlichen Gesundungsversuch des kranken Wohlfahrtsstaates. Das beste Kräftigungsmittel ist nicht noch mehr Staatsdoping, sondern das selbst bestimmte und verantwortliche Handeln von Millionen Menschen aus eigener Kraft. Dauerhaft starke Steuersenkungen und eine drastische Reduzierung der Vorschriften sind dafür unerlässlich.

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      5 Erstmals erschienen im Januar 2009.

      Zentralbanken sind staatliche Inflations- behörden6

      Die Europäische Zentralbank ist kein Anwalt einer stabilen Währung – ihre vermeintliche Politik des knappen Geldes ist weitgehend ein Mythos. Dieses Urteil mag zunächst erstaunen. Die EZB schneidet bei Vergleichen regelmäßig besser ab als etwa das US-amerikanische Pendant, des „Fed“ („Federal Reserve System“). Öffentliche Kritik kommt überwiegen von Befürwortern einer Wachstumspolitik. Ihnen ist die stabilitätsorientierte Geldpolitik ein Dorn im Auge. Abgesehen von einer verschwindend geringen Minderheit dürfte in Europa kaum jemand auf die Idee kommen, dass die Zentralbank etwas anderes sein könnte als der prädestinierte Währungshüter. Zum zehnjährigen Jubiläum des Euro wurde der EZB von offizieller Seite eine gute Arbeit attestiert.

      Nun ist das Thema Inflation wieder auf der Tagesordnung. Und es gehört nicht viel dazu, zu prognostizieren, dass dies lange Zeit so bleiben wird. Die EZB erfährt reflexartig Lob für ihre aktuelle Politik; sie „hat den Kampf gegen die Inflation wieder aufgenommen“, heißt es in der Neuen Zürcher Zeitung. Grund ist die Erhöhung des Leitzinses um einen Viertelprozentpunkt auf 4,25 Prozent. Zugleich verweist die Masse der Kommentatoren auf preistreibende Effekte von Rohstoffen, Nahrungsmitteln und Löhnen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt: „Indexierte Löhne treiben Preise“. Diese und andere Darstellungen beruhen auf drei Fehlannahmen.

      Erster Trugschluss: Inflation bedeutet Preisanstieg. Zweiter Trugschluss: Zentralbanken garantieren stabile Währungen. Dritter Trugschluss: Güterwirtschaftliche Entwicklungen verursachen Inflation. Tatsächlich verhält es sich so: Inflation bedeutet Aufblähen der Geldmenge. Zentralbanken, und nur Zentralbanken, sind die Ursache für instabile Währungen. Güterwirtschaftliche Entwicklungen